Logo of theaterkompass.de
HomeBeiträge
Elfriede Jelinek: "Ulrike Maria Stuart" im Staatstheater KarlsruheElfriede Jelinek: "Ulrike Maria Stuart" im Staatstheater KarlsruheElfriede Jelinek:...

Elfriede Jelinek: "Ulrike Maria Stuart" im Staatstheater Karlsruhe

Königinnendrama - in einer Fassung von Crescentia Dünßer

Premiere: Samstag, 6. Oktober 2007, 19.30 Uhr | Schauspielhaus

„Vier Stück Frau“ stehen im Zentrum des neuen Stücks von Literaturnobelpreisträgerin Elfriede Jelinek, so beschreibt es die Autorin selbst.

Gemeint sind Ulrike Meinhof und Gudrun Ensslin, Maria Stuart und Elisabeth I. von England – Frauen, die das Schicksal und vor allem der Kampf um die Macht verbindet.

Doch während die Königinnen diese rechtmäßig besitzen, gebrauchen die mystifizierten Ikonen des bewaffneten Kampfs im Deutschland der 70er Jahre Gewalt, um Macht zu erringen. Sie er-heben sich selbst zu Herrscherinnen und beanspruchen für sich den Thron, um den „immer ein Verdrängungswettbewerb herrscht“. Auf der Projektionsfläche des Schillerschen Dramas ver-handelt Jelinek diesen weiblichen Machtkampf, das Verhältnis der Möchtegern-Königinnen in-nerhalb der Terrorgruppe RAF, ihre konkurrenzbelastete Beziehung untereinander, zu Andreas Baader und zu ihren leiblichen Kindern, die sie einst für den bewaffneten Kampf und ein Leben im Untergrund verlassen hatten. Als Un-Tote einer Zeit, in der der ideologische Kampf auch Tote in Kauf nahm, denn die revolutionäre Praxis duldet keine Skrupel, dauerdiskutieren die selbster-nannten Königinnen über ihre Ideologien und den Umgang damit, über ihre Wege in den Unter-grund, über Schuld und Unschuld, Reue und Skrupellosigkeit und den Hass „gegen wen und was auch immer“. Nur in einem Punkt sind sie sich einig: das „System“ ist zu bekämpfen, der kämpfende Einzelne unwichtig. Er geht vor die Hunde. So letztendlich auch Ulrike Meinhof und Gudrun Ensslin. Ursprünglich angetreten, das unterdrückte Individuum zu befreien, verfallen sie selbst den patriarchalisch vorgegebenen Strukturen auf Kosten der eigenen Bedürfnisse.

In ihrem Königinnendrama konfrontiert Jelinek zwei scheinbar nicht zueinander passende Sprachstile: die Sprache Schillers mit derjenigen der Originaltexte der RAF und verzerrt so die Wirklichkeit zur Kenntlichkeit. Dabei geht es ihr nicht nur um „die Spielformen weiblicher Herr-schaft, die am Ende alle in den Tod führen“ (Jelinek), sondern auch um eine sarkastische Ab-rechnung mit einer geschichtlichen Epoche der Bundesrepublik, die bei den Opfern wie bei den Tätern Wunden aufgerissen hat, die noch heute nachwirken.

Regie: Crescentia Dünßer | Bühne und Video: Otto Kukla | Kostüme: Annie Lenk | Musik: Nina Wurman

Mit: Anja Lechle, Annika Martens, Lisa Schlegel, Hanna Schwarzrock (Cello), Teresa Trauth, Nina Wurman (Bass und Gesang) – Josef Ondruj (Bratsche), Gunnar Schmidt, Timo Tank, André Wagner

Weitere Vorstellungen: 12.10., 13.10. und 19.10.07

Weitere Informationen zu diesem Beitrag

Lesezeit für diesen Artikel: 12 Minuten



Herausgeber des Beitrags:

Kritiken

WELTEN TREFFEN AUFEINANDER -- "Buddenbrooks" von Thomas Mannim Schauspielhaus STUTTGART

Zum 150. Geburtstag von Thomas Mann zeigt das Schauspiel Stuttgart seinen Roman "Buddenbrooks" in einer Fassung von John von Düffel. Die Inszenierung von Amelie Niermeyer legt Wert auf die inneren…

Von: ALEXANDER WALTHER

Eine Befreiung - "Ruẞ" Eine Geschichte von Aschenputtel von Bridget Breiner in der Deutschen Oper am Rhein

Das Märchen der Gebrüder Grimm vom Aschenputtel ist weltweit bekannt und wurde oftmals bearbeitet und vielfach filmisch verwertet. 2013 wurde im Musiktheater im Revier Gelsenkirchen eine ungewöhnliche…

Von: Dagmar Kurtz

SCHOCK IM BÜRGERLICHEN MILIEU -- Premiere des Podcasts über Gudrun Ensslin im Stuttgarter Klub "White Noise"

Es war ein besonderer Klubabend, der eigentlich auch ein ungewöhnliches Theaterstück war. Die Redakteure der Stuttgarter Zeitung Lea Krug, Maxi Kroh, Felix Frey und Katrin Maier-Sohn stellten einen…

Von: ALEXANDER WALTHER

STURZ AUS DER HIMMLISCHEN SPHÄRE -- Stuttgarter Ballett mit "Nacht/Träume"im Schauspielhaus STUTTGART

Es sind Arbeiten, die alle einen inneren Zusammenhang und geheimnisvolle Verbindungen haben.  

Von: ALEXANDER WALTHER

Alle Kritiken anzeigen

folgen Sie uns auf

Theaterkompass

Der Theaterkompass ist eine Plattform für aktuelle Neuigkeiten aus den Schauspiel-, Opern- & Tanztheaterwelten in Deutschland, Österreich und Schweiz.

Seit 2000 sorgen wir regelmäßig für News, Kritiken und theaterrelevante Beiträge.

Hintergrundbild der Seite
Top ↑
StartseiteBeiträgeKritikenHintergründeTheatermacherServiceFachbegriffeSuche