Und was für einer! Denn seit Donizettis Don Pasquale, also seit 50 Jahren, hatte es keine nennenswerte heitere italienische Oper mehr gegeben, Verdi betrat somit praktisch Neuland und konnte die musikalische Komödie (und auch sich) neu erfinden. Herausgekommen ist eine Oper, die mit doppelbödigem Witz und in höchster Virtuosität die amourösen Irrfahrten Falstaffs abhandelt, um schließlich fulminant in der berühmten Schlussfuge zu enden, die lautet: Tutto nel mondo è burla – Alles in der Welt ist ein Scherz!
Der im Gasthaus zum Hosenbande residierende, dicke Ritter Sir John Falstaff hat kein Geld mehr, um seine Zeche zu bezahlen. Von seiner Anziehungskraft auf das weibliche Geschlecht überzeugt, möchte er das Angenehme mit dem Nützlichen verbinden. Er verfasst zwei Liebesbriefe gleichen Inhalts an Alice Ford und Meg Page, zwei wohlhabende Bürgersgattinnen, und bittet sie um ein Rendezvous. Diese aber amüsieren sich bloß über den dicken Säufer und hecken gemeinsam einen Plan aus, Falstaff zum Narren zu halten. Mrs. Quickly wird als Liebesbotin entsandt, um ihn zwischen zwei und drei Uhr in Fords Haus einzuladen, da nämlich sei der eifersüchtige Hausherr nicht daheim. Falstaff nimmt die Einladung an. Kurz darauf macht ihm Ford seine Aufwartung. Er gibt sich als Signor Fontana aus, sei in Alice verliebt, werde von ihr aber nicht erhört. Da er von Falstaffs Verführungskünsten gehört hat, bittet er diesen, gegen Bezahlung amouröse Vorarbeit zu leisten. Prahlerisch gibt ihm Falstaff zu verstehen, dass er noch heute Alice in den Armen halten werde. Ford glaubt sich von Alice betrogen und stürmt zwischen zwei und drei Uhr sein Haus, wo sich Falstaff bereits zum Rendezvous mit Alice eingefunden hat. Den Frauen gelingt es gerade noch, ihn in einem Waschkorb zu verstecken. Unter Gelächter wird Falstaff in die Themse geleert. Doch noch einmal lässt er sich zu einem Rendezvous überreden: Als Schwarzer Ritter mit einem Geweih am Kopf soll er sich im nächtlichen Park von Windsor einfinden. Dort aber fallen die als Elfen und Kobolde verkleideten Bürger über hin und her und setzen ihm gehörig zu. Doch auch Fords Plan, Dr. Cajus mit seiner Tochter Nannetta zu verheiraten, die den armen Fenton liebt, schlägt fehl. Im allgemeinen Durcheinander findet das richtige Paar zueinander.
Quasi zum Abschluss des Shakespeare-Jahres steht somit nun die zweite Staatsopernpremiere der aktuellen Spielzeit auf dem Programm des Hauses am Ring: Giuseppe Verdis letzte Oper Falstaff, die 1893 an der Mailänder Scala uraufgeführt wurde und die an der Wiener Staatsoper 1904 unter Gustav Mahler ihre deutschsprachige Erstaufführung feierte. Die Premiere wird die 185. Staatsopern-Aufführung des Falstaff sein, der nun nach fünf Jahren wieder am Haus gezeigt wird.
Für diese Premiere kehrt Maestro Zubin Mehta nach 8 Jahren wieder ans Dirigentenpult der Wiener Staatsoper zurück, der er seit der Lohengrin-Premiere 1975 verbunden ist. Mit der Neuproduktion von
Falstaff leitet er seine sechste Verdi-Oper und seine insgesamt neunte Premiere im Haus am Ring.
Der schottische Regisseur Sir David McVicar, der an der Wiener Staatsoper bereits für die Inszenierungen von Tristan und Isolde (2013) und Adriana Lecouvreur (2014) verantwortlich zeichnete, führt Regie. Er zeigt in seiner dritten Inszenierung am Haus am Ring unter anderem, dass in der auf Shakespeares Die lustigen Weiber von Windsor basierenden Oper nicht alles Lachen ist, wie es in der berühmten Fuge am Ende heißt (Tutto nel mondo è burla), sondern, dass auch das Tragische im
Komischen deutlich spürbar wird. Diesen Aspekt betont auch Ambrogio Maestri, der mit dem Falstaff in seiner Paraderolle schlechthin an die Wiener Staatsoper zurückkehrt: „Das Traurige liegt in der Einsamkeit der Figur. Also in der Angst, alleine zu bleiben – eine Angst, die jeder Mensch hat. […] Man darf Falstaff nicht lächerlich machen, sondern muss ihm die Substanz und Tiefe geben, die er verdient.“
Gemeinsam mit Zubin Mehta entschied sich David McVicar für eine von der Shakespeare-Zeit inspirierte Lesart des Stückes, die im Bühnenbild von Charles Edwards und im Kostümdesign von Gabrielle Dalton ihre Umsetzung findet.
TEXT: ARRIGO BOITO
Dirigent: Zubin Mehta |
Regie: David McVicar
Bühnenbild: Charles Edwards |
Kostüme: Gabrielle Dalton° |
Licht: Paul Keogan°
Bewegungsregie: Leah Hausman°|
Chorleitung: Martin Schebesta
Falstaff Ambrogio Maestri
Ford Ludovic Tézier*
Fenton Paolo Fanale°
Dr. Cajus Thomas Ebenstein*
Bardolfo Herwig Pecoraro
Pistola Riccardo Fassi°
Alice Ford Carmen Giannattasio°
Nannetta Hila Fahima*
Mrs. Quickly Marie-Nicole Lemieux
Meg Page Lilly Jørstad*
Robin (Falstaffs Page) Nico James
Doll Tearsheet (eine Hure) Waltraud Eigner
Orchester der Wiener Staatsoper
Chor der Wiener Staatsoper
° Debüt an der Wiener Staatsoper | * Rollendebüt an der Wiener Staatsoper
Sonntag, 27. November 2016, 11.00 Uhr: Einführungsmatinee mit Mitwirkenden der Premiere
Reprisen: 7., 9., 12., 15. Dezember 2016
Die Aufzeichnung der Premiere wird am 10. Dezember ab 19.30 Uhr auf Radio Ö1 ausgestrahlt, die Vorstellung am 12. Dezember wird weltweit live in HD über WIENER STAATSOPER live at home übertragen.