Logo of theaterkompass.de
HomeBeiträge
"Faust II", Tragödie von Johann Wolfgang von Goethe im Schauspiel Chemnitz"Faust II", Tragödie von Johann Wolfgang von Goethe im Schauspiel Chemnitz"Faust II", Tragödie von...

"Faust II", Tragödie von Johann Wolfgang von Goethe im Schauspiel Chemnitz

Premiere: 22. September 2018, 19.30 Uhr im Schauspielhaus Chemnitz

Gier und Macht, Expansionsdrang und Ausbeutung jeglicher Ressourcen – Krieg als Mittel zum Zweck ist legitim und letztlich auch nur ein Spiel, in dem man zu Gunsten maximaler Gewinnoptimierung den Humanismus leicht über Bord wirft, denn was ist der Mensch schon wert in diesem großen Spiel? Faust erweist sich im zweiten Teil als jener Global Player, der auf der Klaviatur der großen Systeme zu spielen weiß. Doch wenn nur noch Positionen, Funktionen und Mehrwert leitend sind, wo treibt der Mensch dann hin? Diese Frage aufgreifend, inszeniert Carsten Knödler mit „Faust II“ nun die Fortsetzung des Fauststoffs.

Die „kleine Welt“ der Liebe liegt in Trümmern hinter Faust. Sie hat Spuren und Wunden hinterlassen. Umso lauter schreit in ihm die Rastlosigkeit nach Vergessen, nach einem Fortkommen. Begierig stürzt er sich in die „große Welt“ der Politik, der Wirtschaft und der Macht. In diesem entfesselten Kosmos sind Raum und Zeit außer Kraft gesetzt und so reisen Faust und der zum Narren avancierte Teufel durch Epochen und mythische Welten. Nichts scheint unmöglich: Ein künstlicher Mensch wird erschaffen, das Papiergeld erfunden. Faust wird Feldherr, expandierender Landbesitzer, Naturbändiger und Kulturschaffender. Er heiratet die schönste Frau der Welt, zeugt einen Nachkommen und verliert alles zugleich wieder, weil ihm auch das nicht reicht. Doch an Rast oder Innehalten ist nicht zu denken. Seine gnadenlose Egozentrik hat sich in einer ebenso narzisstischen Gesellschaft verselbstständigt, der skrupellose Drang nach Macht und Herrschaft steht zwischen jeder wirklichen menschlichen Beziehung.

Goethes „Faust – Der Tragödie zweiter Teil“ erschien 1833 posthum. So wollte es der Dichter. Vielleicht wissend, dass das Urteil seiner Zeitgenossen wenig wohlwollend ausgefallen wäre. Zu maßlos, ausufernd, experimentell war die Fortsetzung der Tragödie. Doch heute erscheint dieser zweite Teil geradezu visionär. In ihm wird nicht nur die Moderne mit all ihren Schrecken und Verheißungen vorweggenommen, sondern er spiegelt umso mehr den durch technischen und medialen Fortschritt begünstigten Expansions- und Verwirklichungsdrang des rastlosen Menschen unserer Tage wider.

Regie: Carsten Knödler
Bühne: Frank Hänig
Kostüme: Ricarda Knödler
Choreografie: Sabrina Sadowska
Musik: Steffan Claußner

Es spielen: Philipp Otto (Faust), Dirk Glodde (Mephisto), Christine Gabsch (Kaiser / Nereus), Wolfgang Adam (Kanzler / Thales / Erzbischof u.a.), Susanne Stein (Heermeister / Manto / Obergeneral / Phorkyaden u.a.), Jan Gerrit Brüggemann (Schatzmeister / Wagner / Chiron u.a.), Andrea Zwicky (Helena / Marschalk / Sphinx / Phorkyaden u.a.), Dominik Puhl (Herold / Baccalaureus / Euphorion / Proteus / Phorkyaden), Seraina Leuenberger (Homunculus / Chorführerin / Sorge u.a.), Marko Bullack (Chor / Trunkener / Lynkeus u.a.); Damen und Herren des Balletts Chemnitz

Bild: Johann Wolfgang von Goethe

Weitere Informationen zu diesem Beitrag

Lesezeit für diesen Artikel: 14 Minuten



Herausgeber des Beitrags:

Kritiken

VERANKERUNG IN RITUALEN -- "Muttertier" von Leo Lorena Wyss im Kammertheater STUTTGART

"Ich verstehe dich...Aber immer, wenn ich den Mund öffne, immer wenn ich etwas sagen will, dann ist da nur der Muttermund..." Drei Geschwister tollen, taumeln und tauchen im Becken eines Hallenbads.…

Von: ALEXANDER WALTHER

JUGENDLICHE SCHWUNGKRAFT -- 6. Staatsorchesterkonzert im Beethovensaal der Liederhalle STUTTGART

Sehr jugendlich wirkt Felix Mendelssohn Bartholdys Sinfonie Nr. 1 in c-Moll op. 11. Sie trägt noch die Handschrift der Streichersinfonien. Und stellenweise blitzt sogar der Einfluss der…

Von: ALEXANDER WALTHER

TÄNZERISCHE ELEGANZ UND GLANZ -- Stuttgarter Ballett mit Choreografien von Hans van Manen "Fünf für Hans"im Opernhaus STUTTGART

Die wichtige Kunst des Weglassens spielt bei dem 1932 geborenen niederländischen Choreografen Hans van Manen eine große Rolle. Es ist eine Mischung von neoklassischem Ballett mit modernen…

Von: ALEXANDER WALTHER

DIE UNTERWELT IM KUNSTMUSEUM -- Gastspiel-Premiere "Orfeo ed Euridice" von Christoph Willibald Gluck mit dem Staatstheater Augsburg im Theater Heilbronn

"Ich bin der Ritter Gluck!" heißt es in E.T.A. Hoffmanns unheimlicher Erzählung "Ritter Gluck". Der tritt plötzlich auf, obwohl er schon lange tot ist. Um eben dieses mysteriöse Thema kreist auch…

Von: ALEXANDER WALTHER

EIN TRAGISCHES REISEERLEBNIS -- "Mario und der Zauberer" von Thomas Mann im Studiotheater STUTTGART

Zum 150. Geburtstag von Thomas Mann hatte in Stuttgart "Mario und der Zauberer" nach der gleichnamigen Novelle von Thomas Mann Premiere. Auf konzentriertem Raum lässt die Regisseurin Daniela Urban…

Von: ALEXANDER WALTHER

Alle Kritiken anzeigen

folgen Sie uns auf

Theaterkompass

Der Theaterkompass ist eine Plattform für aktuelle Neuigkeiten aus den Schauspiel-, Opern- & Tanztheaterwelten in Deutschland, Österreich und Schweiz.

Seit 2000 sorgen wir regelmäßig für News, Kritiken und theaterrelevante Beiträge.

Hintergrundbild der Seite
Top ↑