Jacques Offenbach war für seine musikalisch reichen Operetten voll hemmungsloser Einfälle und bitterer Satire ebenso geliebt wie gefürchtet. Sein lebenslanger grosser Wunsch war jedoch, sich den Status als ernstzunehmender Komponist der grossen Oper wie etwa sein Zeitgenosse Richard Wagner zu erobern.
Für seine einzige Oper wählte der Komponist das ewige Thema der Liebe: Er sieht die Frau als vom Mann begehrtes aber letztlich unerreichbares Wesen. Die Fantasien über die Frau sind den Erzählungen des deutschen Dichters E.T.A. Hoffmann (1776-1822) entnommen.
Die Oper zeigt die schmerzhaft-ernüchternden Begegnungen des Titelhelden mit einer seelenlosen Puppe in einem physikalischen Kabinett, einer berechnenden Kurtisane in der lasziven Atmosphäre eines venezianischen Palazzo und einer sensiblen Künstlerin in einem bürgerlichen Interieur.
Hoffmann erzählt die drei Liebesabenteuer unter den Augen der Muse, die ihrerseits Ansprüche auf den Dichter erhebt. Sie, die drei Angebeteten und sein ebenfalls dreifacher männlicher Konkurrent zeichnen ein psychologisches Abbild der Wunsch- und Albträume beider Geschlechter.
Die Oper enthält schwelgerisch-schöne Musik und zahlreiche berühmt gewordene Melodien, etwa das Lied vom Klein-Zack im Vorspiel, das Lied der Olympia – das zweimal unterbrochen wird, weil die Puppe wieder aufgezogen werden muss – oder die Barcarole im Giulietta-Akt. Auch deshalb ist das Werk heute neben Bizets „Carmen“ die beliebteste und meistgespielte französische Oper.
Das vollständig aus Holz gebaute Passionsspielhaus im Solothurnischen Selzach wird wieder zur Opernbühne. „Hoffmanns Erzählungen“ kommt als Neuproduktion zur Premiere, die insgesamt zwölfmal gespielt wird. Das Werk wird, wie immer bei der Sommeroper, in einer eigenen ‚Selzacher Fassung’ gespielt: Gesungen wird auf Deutsch, die Rezitative sind gesprochene Dialoge. Das entspricht übrigens auch der Intention von Offenbach, der die Oper für die Uraufführung mit gesprochenen Dialogen konzipierte. In der Selzacher Inszenierung wird das Stück zudem ausschliesslich mit den Personen des Vorspiels gespielt, also den Freunden von Hoffmann und deren Freundinnen. Diese schlüpfen dann von Akt zu Akt in die verschiedenen Rollen aus den Erzählungen und lassen sie so lebendig werden.
Phantastische Oper von Jacques Offenbach
Libretto von Jules Barbier
Nach dem Drama von Jules Barbier und Michel Carré
Uraufführung 1881 in Paris
Adaptierte Fassung für Selzach
In deutscher Sprache
Musikalische Leitung Bruno Leuschner
Inszenierung Thomas Dietrich
Ausstattung Oskar Fluri
Beleuchtung Sigi Salke
Chorleitung Valentin Vassilev
Dramaturgie Georgia Eilert
Produktionsleitung René Gehri
Hoffmann, ein Dichter Michael Gniffke / Raimund Wiederkehr
Muse / Nicola von Weissenstein, eine Mäzenin Astrid-Frédérique Pfarrer
Lutter, der Wirt (Coppelius / Crespel) Nikolaus Meer
Nathanael, ein Student (Spalanzani / Schlemihl) Jan-Martin Mächler
Wilhelm, ein Student (Cochenille / Pitichinaccio / Franz) Adrian Kroneberger
Hermann, ein Student (Dapertutto / Mirakel) Michael Mrosek
Leonore, Wilhelms Freundin (Olympia / Antonia) Anne-Florence Marbot
Gretchen, Hermanns Freundin (Giulietta / Stimme der Mutter) Eveline Inès Bill
Orchester der Sommeroper Selzach
Chor und Statisterie der Sommeroper Selzach