Was heißt das: Leben in der Stadt? Wer lebt hier - und auf welche Art und Weise? Inwieweit wird unser Alltag durch die architektonische und topographische Beschaffenheit unseres städtischen Lebensraums geprägt? Ist Stuttgart nun eigentlich eine Großstadt? Welche Geschichten sind in dieser Stadt versteckt? Wie werden die öffentlichen Orte Stuttgarts genutzt, und wie können sie - zumindest temporär - anders genutzt werden? Diese Fragen markieren das Thema des Projekts "Irrfelsen Stuttgart", dessen Name sich vom zentralen 10. Kapitel von James Joyces Roman "Ulysses" ableitet, der im Zentrum der Spielzeit 2006/07 steht. "Irrfelsen Stuttgart" stellt einen weiteren Schritt unserer Recherchen zur "Theatersoziologie" dar, die im Mai 2006 mit der Projektwoche "KAUFEN!" begannen.
Auf verschiedenen inszenierten Stadtrundgängen wollen wir Geschichten aus und über Stuttgart vor Ort auf den Grund gehen. Installationen vor und eine Ausstellung im Schauspielhaus sollen dazu anregen, das Verhältnis zwischen Stadt und Theater mit anderen Augen zu betrachten. Das Schauspielhaus wird dafür bereits nachmittags (ab 16h) geöffnet sein. Nach Anbruch der Dunkelheit werden wir die Fassade des Schauspielhauses in eine riesige Projektionsfläche verwandeln, und außerdem laden wir allabendlich in die Theaterbox vor dem Schauspielhaus ein, die für die Dauer der Projektwoche als Bar, als Festivalzentrum und als Ausgangspunkt für die Stadtführungen zugleich genutzt werden kann.
Projektleitung: Ans Brockfeld, Christian Holtzhauer, Ausstattungsleitung: Hannes Hartmann, Technische Koordination: Julia Schröder, Produktionsassistenz: Christian Mahlow, Diana Hörger, Ausstattungsassistenz: Christine Bentele
Die Projektwoche "Irrfelsen Stuttgart" umfasst künstlerische Kooperationen mit dem Städtebau-Institut und dem Institut für Darstellen und Gestalten der Universität Stuttgart und der Filmakademie Baden-Württemberg in Ludwigsburg.
"Irrfelsen Stuttgart" wird gefördert im Fonds Heimspiel der Kulturstiftung des Bundes und unterstützt von der Wüstenrot-Stiftung.
Irrfelsen Stuttgart - Autorenwochenende
Samstag, 16. Juni 2007, ab 16.00 Uhr vor und im Schauspielhaus
Bloomsday
Eröffnet wird "Irrfelsen Stuttgart" am "Bloomsday" - jenem Tag, an dem Leopold Bloom, der "Held" des "Ulysses", seinen legendären Spaziergang durch Dublin antritt. Joyce-Fans auf der ganzen Welt feiern diesen Tag gebührend, und wir wollen es ihnen gleichtun: Mit einer Vorstellung unserer zu zahlreichen Festivals eingeladenen Inszenierung "Wörter und Körper", mit einer langen Autorennacht, einer "Ulysses-Lounge", einer Hörspiel-Station (an der u.a. Aufnahmen von Joyce selbst zu hören sein werden), zahlreichen Experten zum "Ulysses",
und natürlich mit Live-Musik und einer Party.
Samstag, 16. Juni 2007, ab 20.30 Uhr im Schauspielhaus
Lange Autorennacht
mit Thomas Freyer, Katharina Schmitt, Darja Stocker, Ulrike Syha und Robert Woelfl
Im Zeichen des "Ulysses" und des Stadtprojekts "Irrfelsen Stuttgart" steht unser diesjähriges Autorenwochenende: Fünf junge AutorInnen sind unserer Einladung nach Stuttgart gefolgt.
In Lesungen mit dem Schauspielensemble stellen sie neue Texte vor und geben in Gesprächen mit unseren DramaturgInnen Einblick in ihre Schreibwerkstatt.
Sonntag, 17. Juni 2007, 11.00 Uhr, Schauspielhaus
Architektur und Alltag - Wem gehört die Stadt?
Autorenlesung und Podiumsdiskussion
Wir werden die fünf AutorInnen (Thomas Freyer, Katharina Schmitt, Darja Stocker, Ulrike Syha und Robert Woelfl - allesamt Nicht-Stuttgarter) bitten, ihre Stuttgart-Impressionen zu Papier zu bringen. Die Ergebnisse tragen sie in der Matinée selbst vor.
Direkt im Anschluss an die Kurzpräsentation dieser neuen Texte veranstalten wir eine Podiumsdiskussion zum Thema "Architektur und Alltag - wem gehört die Stadt?" Es diskutieren u.a. Matthias Hahn (Baubürgermeister der Stadt Stuttgart) und Peter Conradi (ehem. Präsident der Bundesarchitektenkammer und Mitglied des Bundestags) sowie weitere prominente Gäste.
Irrfelsen Stuttgart - Die Projekte
agentur kriwomasow (Berlin)
Camilla Rhodes, 70184 Pischek Drive
Vorstellungen: 16., 17., 19. sowie 21. bis 23. Juni, jeweils ab 19h
Treffpunkt: Schauspielhaus
Konzept und Realisation: Peter Göhler und Andreas Kebelmann
Die Pischekstraße im Stuttgarter Südosten ist eine eigenartige Straße: Idyllisch gelegen, mit Blick auf Wald und einen Teil der Stuttgarter Innenstadt, doch abgetrennt von der Idylle durch eine mehrspurige Ausfallstraße. Die Hanglage, die stark befahrene Straße und nicht zuletzt die eigenwillige, verschiedene Stilrichtungen vereinende Bebauung erinnern ein wenig an David Lynchs Kult-Film "Mulholland Drive". Diesen Film als Assoziationsquelle nutzend, erarbeitet die "agentur kriwomasow" einen Stadtspaziergang entlang der Pischekstraße, in dessen Verlauf vor allem die Anwohner selbst zu Wort kommen sollen.
matthaei & konsorten (Berlin)
Wandering Lives. Ein theatraler Stadt-Roman
Vorstellungen: 16.,17. und 20. bis 23. Juni, jeweils ab 18h
Treffpunkt: Schauspielhaus
Konzept und Regie: Jörg Lukas Matthaei, Assistenz: Diana Hörger
"Wandering Lives" schickt die Zuschauer in Zweiergruppen in die Stadt. Mit einer Wegbeschreibung ausgestattet, begeben sie sich zur ersten "Station". Dort wartet bereits ein Akteur auf sie - ein "Spezialist des Stuttgarter Alltags", der den Zuschauern "sein Stuttgart" erklärt und ihnen anschließend Instruktionen gibt, wie sie zur nächsten Station gelangen. Stück für Stück enthüllt sich den Zuschauern auf diese Weise die Stadt.
"Wandering Lives" bezieht sich als theatraler Stadt-Roman auf Joyces Techniken von Assoziation und Montage, wobei insbesondere seine "Erfindung" des inneren Monologs für diese Arbeit mit Elementen von Inszenierung und Installation, partizipatorischem Dokumentartheater und ortsspezifischen Erzählungen der Stadt fruchtbar gemacht wird.
HerbordtMohren (Hamburg)
Die Erinnerung ist auf der Reise wie ein schöner Prinz
Vorstellungen: 19. bis 22. Juni, jeweils 20 und 21h
Treffpunkt: Schauspielhaus
Konzept und Regie: Bernhard Herbordt und Melanie Mohren
Eine Reise in zwei Stationen, ein dokumentar-romantisches (Live Hör-)Stück für Stadt und Blackbox - mit zwei Schauspielern, einem Zelt und einer Nebelmaschine: aus der Vogelperspektive und im Bauch der Illusionsmaschinerie begegnet der Zuschauer dem Prinzip Stadt als Archiv unzähliger Geschichten, Visionen und verschütteten Utopien sowie dem Garten als kontrapunktischem Versprechen.
Die GPSmatics präsentieren:
ODYSSEE 2.07
Das Stuttgart Stadt Spiel
Vorstellungen: 16. (21h), 18. (19h), 20. (19h) und 21. Juni (20h)
Spielort: Theaterbox vor dem Schauspielhaus
von und mit: Max Vomhof, Alice Kiener, Christian Kirschemann, Steffen Braun, Mihail Mihailá, Stefan Raus, Philip Funck, Antonio Migliore, Minh Cuong Tran, Benjamin Höferlin sowie Sigrid Busch und Rainer Goutrié
Wäre Odysseus mit den modernen Mitteln satellitengesteuerter Navigation ausgestattet gewesen, so wäre eines der ältesten Werke der abendländischen <http://de.wikipedia.org/wiki/Abendland> Literatur <http://de.wikipedia.org/wiki/Literatur> dem Postulat der Zielstrebigkeit zum Opfer gefallen. Die Neuinterpretation der "Irrfahrt" des Odysseus mit der Herausforderung, an einzelnen Stationen der Reise Aufgaben kreativ zu lösen, dient als Inspiration für ein spannendes und temporeiches mediales Stadtspiel, zu dem die Zuschauer der Veranstaltung geladen werden: Gemäß dem Motto "der Weg ist das Ziel" lotsen vier Teams von Zuschauern je einen mit GPS-Sender ausgestatteten Spieler durch die Innenstadt Stuttgarts, um an besonderen Orten Aufgaben zu finden, deren Lösung dem Team Punkte zum Spielgewinn sichert. Neben dem "Gewinn nach Punkten" für die Spielteams liegt der besondere Gewinn der Aktion darin, das eigene Bild der Stadt, die persönliche "Mental Map" Stuttgarts bewusst zu erleben und zu erweitern.
"Odyssee 2.07" setzt in dieser Form erstmalig in Deutschland mobile Endgeräte mit GPS-Sendern im künstlerischen Kontext ein, um Bewegungsspuren von Personen in Echtzeit darzustellen.
In Kooperation mit dem Städtebau-Institut der Universität Stuttgart. Mit freundlicher Unterstützung des Instituts für Photogrammetrie an der Uni Stuttgart sowie T-Mobile Deutschland
Irrfelsen Stuttgart - Die Installationen
Valentin Ott und Felix Yaparsidi
Mäander
Vor dem Schauspielhaus wird für die Dauer der Projektwoche eine temporäre architektonische Installation erreichtet: ein Mäander, bestehend aus etwa 1500 Europaletten, der die Königstraße mit dem Schauspielhaus verbindet. Dieser Mäander erfüllt mehrere Funktionen zugleich: Er ist ein Stück spektakulärer Architektur und ein Blickfänger, lädt ein zum Verweilen und zum Staunen, er ist ein Laufsteg nicht zuletzt eine Bühne.
Das Konzept für diese Installation haben Valentin Ott und Felix Yaparsidi im Rahmen des Seminars "Fokus: Schauspielhaus" am Städtebau-Institut der Universität Stuttgart entwickelt.
Joscha Douma
Ulyssesle - Durch Geschichten spazieren
Ein Rundweg durch die Stuttgarter Innenstadt
Konzept und Regie: Joscha Douma, Texte: Hayat Erdogan und Christian Mahlow
Die Autoren Hayat Erdogan und Christian Mahlow haben die kleinen Alltagsszenarien aus dem "Irrfelsen"-Kapitel des "Ulysses" ins Stuttgart unserer Tage verlegt. Diese Geschichten sind von Joscha Douma mit Schauspielern des Stuttgarter Schauspiels in Szene gesetzt und fotografiert worden und nun auf einem Rundweg mit 34 Schildern, verteilt über die Stuttgarter Innenstadt, rund um die Uhr zu erleben.
Gudrun Weiler & Gloriana Ševerdija
Straftaten Gegen Leben
Eine Ton- und Bildinstallation in der Unterführung zwischen Opernhaus und dem Haus der Geschichte sowie auf dem Parkplatz neben dem Schauspielhaus.
Unbemerkt sind die Spuren, die ein Mord irgendwo in unserer Stadt hinterlassen hat. Ein Ort wird plötzlich zum Unort, denn einem Menschen sind die Wege, die beschritten wurden, die Räume die belebt wurden, zum Verhängnis geworden. Kein Weg, kein Ort, kein Raum mehr.
Institut für Darstellen und Gestalten der Universität Stuttgart
Statt Theater. Projektionen auf die Fassade des Schauspielhauses
16. Juni ab 23h, 17. bis 23. Juni ab 22h vor dem Schauspielhaus
Unter dem Label "Statt Theater" entwickeln Studierende der Universität Stuttgart ein Konzept für die mediale Gestaltung der Außenfassade des Schauspielhauses. Nach Einbruch der Dämmerung verwandelt sich die Vorderseite unsere Theaters in eine riesige Projektionsfläche.
Projektleitung: Erwin Herzberger (Universität Stuttgart), Annelie Nippe, Jürgen Klozenbücher (Filmakademie Baden-Württemberg)
Mit Projekten von: Andreas Witzany, Christian Witt, Demetrius Sauter, Elisabeth Wilbat, Gergana Koleva, Hannes Rockenbauch, Helen Hellmeier, Manuel Heckel, Maria Fenski, Maria Papadopoulou, Marlene Selz, Melanie Soubrier, Philipp Schroth, Polina Stefanova, Sarina Reisenhauer, Sascha Korbely, Sylvia Klews, Tobias Demuth, Tobias Gohl, Ulrike Däubler, Wan Yi, Zhao Wei
Irrfelsen Stuttgart - Die Ausstellungen
16. bis 23.Juni, täglich 16 bis 19h (bzw. bis Vorstellungsende) im Schauspielhaus, am 17. Juni ab 11h durchgehend geöffnet.
Wand 1 - Stuttgart-Memory
Im oberen Foyer befindet sich eine Art Memory-Spiel, bestehend aus Bildern der Stadt Stuttgart. Wir haben dafür den Stuttgarter Stadtplan in Planquadrate aufgeteilt und bitten nun unsere Zuschauer, sich eines dieser Planquadrate auszusuchen und uns ein Foto von einem beliebigen Ort innerhalb der gekennzeichneten Abgrenzungen zu schicken. Die offizielle Karte Stuttgarts wird so ergänzt durch persönliche Blicke auf die Stadt.
Wand 2: Mapping Movement
Bewegungsspuren im Stadtraum
Die Stadt als subjektiver Wahrnehmungsraum stand im Mittelpunkt eines Seminars des Städtebau-Institutes der Universität Stuttgart, das sich mit alltäglichen und besonderen "Wegen durch den Stadtraum" auseinander setzte. Mittels Videofilmen und Internetseiten entwickelten die Studenten Formen einer Kartierung dieser Wege, die über die reine räumliche Darstellung hinaus persönliche Interpretationen der urbanen Alltagswelt vermitteln. Die medialen Beiträge der Ausstellung ermöglichen es dem Besucher, Stuttgart aus ungewöhnlichen Blickwinkeln verschiedener Protagonisten neu kennen zu lernen.
Wand 3: Stuttgart (be)schreiben
Die Ausstellung im Oberen Foyer wird während der Projektwoche "wachsen": Die am Projekt beteiligten Künstler, aber auch die Schüler unserer "Patenklassen" und nicht zuletzt die Zuschauer selbst sollen in Zeichnungen und Texten ihre Eindrücke von der und ihre Wege durch die Stadt festhalten. Auf diese Weise soll ein aus vielen einzelnen Wahrnehmungen zusammengesetzter Wegeplan entstehen.
Wand 4: Focus: Schauspielhaus
Entwürfe temporärer Rauminstallationen
Die Auseinandersetzung mit der Position des Schauspiels im Stadtraum Stuttgarts war Ausgangspunkt für Entwürfe, die Studenten des Städtebau-Instituts der Universität im Wintersemester 2006/07 erarbeiteten. Die in der Ausstellung gezeigten Arbeiten präsentieren Pläne und Modelle, eine Bandbreite von kreativen Herangehensweisen und gestalterischen Ideen zur Lösung der Aufgabenstellung. Mit Entwürfen von: Matthias Frank, Karen Gomez, Lu Shi, Valentin Ott / Felix Yaparsidi, Noemi Thiele / Kristin Vörg, Julia Zürn
Irrfelsen Stuttgart - Die Filme
Die Filme sind während der Öffnungszeiten des Schauspielhauses in den beiden Video-Lounges im Unteren Foyer zu sehen.
(Über die Uraufführung dieser beiden neuen Filme hinaus werden auch andere Filme von Studenten und Absolventen der Filmakademie zu sehen sein. Das ausführliche Programm wird dem Programmheft der Projektwoche zu entnehmen sein.)
David Spaeth und Florian Zwißler
Das Rauschen einer Postkarte
Auf einem der Hügel rund um den Stuttgarter Kessel stehend, fällt vor allem eines auf: Die Stadt da unten klingt anders als gedacht. Hier oben hört man nicht etwa die Summe einzelner Geräusche der Schwabenmetropole, vermischt zu einem diffusen Klangbrei. Nein, was hier oben ankommt, ist ein bisweilen merkwürdig detailliertes Klangbild dessen, was sich im großen Panorama der Stadt im Einzelnen abspielt.
Komponist Florian Zwißler und Filmregisseur David Spaeth, die in unmittelbarer Nähe dieses Klangerlebnisses aufgewachsen sind, entwickeln aus diesem Eindruck ein artifiziell arrangiertes Detailpanorama in Bild und Ton. Personen, Einrichtungen, Gebäude und Gruppierungen lösen sich aus dem Gesamtrauschen der Großstadt, werden verfolgt und fokussiert.
Nataša von Kopp
Die Wege der Frau U.
Ein Kurzfilm über die tägliche Odyssee der Frau U. - eine ältere Frau, die rastlos durch die Stadt läuft, ständig auf der Suche nach Bekannten und Hilfsbedürftigen, immer Ausschau haltend nach Kontakt. Auf ihren Wegen kommt es zu abenteuerlichen Begegnungen an skurrilen Orten mit unterschiedlichen Emotionen und Energien.