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"Italienische Nacht" von Ödön von Horváth - Schaubühne am Lehniner Platz Berlin

Premiere 23.11.2018, 20.00

Es ist Sonntag in der Kleinstadt. In ihrem Stammlokal bereitet sich die sozialdemokratische Ortsgruppe beim Kartenspiel auf ihre »Italienische Nacht« vor – ein »zwangloses gesellschaftliches Beisammensein« mit Musikeinlagen und Tanz, das »uns Genossen menschlich näherbringen« soll. So zumindest träumt es sich der lokale Vorsitzende, Stadtrat Ammetsberger. Dass sich zeitgleich rechtsextreme Verbände aus dem ganzen Land im Ort zusammenrotten, um einen »Deutschen Tag« mit paramilitärischen Aufmärschen und bewaffneten Geländeübungen zu inszenieren, beunruhigt den Stadtrat und seine Getreuen wenig.

Copyright: Arno Declair

Auch dass der Aktivist Martin aus dem linken Parteiflügel vor einer völkischen Machtübernahme warnt und zum Widerstand aufruft, wird von den Genossen abgewiegelt. Man möchte sich von den Faschisten nicht beim Feiern stören lassen, und erst recht nicht von jungen Radikalen aus den eigenen Reihen. Auf eigene Faust versucht Martin nun, die Pläne der Gegner auszuspionieren. Dafür sendet er seine Freundin Anna los, um sich von Faschisten auf der Straße ansprechen zu lassen und ihnen so Informationen zu entlocken. Er »schickt sie auf den politischen Strich«, wie sein Mitgenosse Karl ihm vorwirft – der einstweilen die Feier lieber nutzt, um die politisch desinteressierte Leni »zu unseren Idealen zu bekehren«, wie er es nennt. Doch Martins Plan entgleitet, und bald wird klar: die Faschisten machen sich daran, die »Italienische Nacht« der Sozialdemokraten bewaffnet zu sprengen.

Zum dritten Mal in Folge – nach »Professor Bernhardi« und »Rückkehr nach Reims« beschäftigt sich Thomas Ostermeier in »Italienische Nacht« mit dem Aufkommen einer rechtsextremen Massenbewegung. Ödön von Horváth vollendete sein »Volksstück in sieben Bildern« 1931 und beobachtete darin mit eindrucksvoller Schärfe nicht zuletzt auch, welchen Anteil am Zusammenbruch der Demokratie eine Linke hat, die die Realität der Gesellschaft ignoriert und sich in Parteikämpfen im eigenen Lager zerfleischt. Kaum zwei Jahre später musste Horváth Deutschland verlassen, nachdem im Anschluss an Hitlers Wahlsieg eine SA-Truppe sein Elternhaus stürmte.

In einer Fassung von Thomas Ostermeier und Florian Borchmeyer

Regie: Thomas Ostermeier    
Bühne: Nina Wetzel    
Kostüme: Ann Poppel    
Musik: Nils Ostendorf    
Dramaturgie: Florian Borchmeyer    
Licht: Urs Schönebaum   

Stadtrat: Bernd Hölscher / Hans-Jochen Wagner    
Martin: Sebastian Schwarz    
Karl: Christoph Gawenda    
Leni: Veronika Bachfischer    
Anna: Alina Stiegler    
Wirtin: Traute Hoess    
Adele: Marie Burchard    
Kranz: David Ruland    
Betz: Lukas Turtur    
Engelbert: Johannes Flaschberger    
Ein Kamerad aus Magdeburg: Konrad Singer    
Faschist: Laurenz Laufenberg    
Genossen von Martin: Juri Padel, Andrej Reimann, Benjamin Schröder    
Erste Prostituierte, Gattin: Annedore Bauer    
Zweite Prostituierte, Gattin: Inga Wolff    
Kind: Lioba Jacoby / Lena Niebur / Greta Preuß

Musiker: Nils Ostendorf/Antonio Palesano, Martin Klingeberg, Thomas Witte   

Statist_innen: Sandra Bourdonnec, Sophia Fabian, Marcel Frank, Hannes Fritzer, Lars Hartje, Christian Kassubeck, Konstantin Klemm, Andreas Klinger, Pia Koch, Paul Löwenstein, Michael Matuszewski, Marvin Münstermann, Michael Naroditski, Fabrice Riese, Marta Sroka, Iva Topolovec, Theresa Tripp

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