Logo of theaterkompass.de
HomeBeiträge
Johann Wolfgang von Goethe, "Die Leiden der Jungen (Werther)", Theater OberhausenJohann Wolfgang von Goethe, "Die Leiden der Jungen (Werther)", Theater...Johann Wolfgang von...

Johann Wolfgang von Goethe, "Die Leiden der Jungen (Werther)", Theater Oberhausen

Premiere 21.9.2018 Großes Haus

Es ist wie die Frage nach der Henne oder dem Ei: Macht das Sprechen über meine Gefühle und das Finden der richtigen Worte die Gefühle intensiver? Oder sind es umgekehrt meine Gefühle, die mich zu genialen Aussagen treiben? Bei Werther, dem fiktiven Autor von Goethes Briefroman, beflügelt sich beides gegenseitig. Er ist verliebt, mit Haut und Haar und mit allen Höhen und Tiefen. Und zwar in Lotte, der er zwar durchaus nahekommt, die aber schon fest mit Albert verbunden ist: ein unerreichbares Objekt.

Diese Tatsache schmälert Werthers Rausch nicht. Im Gegenteil: Er steigert sich hinein in Lust und Schmerz und seine totale Entäußerung hat die gleiche emotionssteigernde Wirkung wie ein sehr guter Popsong. „Ich kehre in mich selbst zurück, und finde eine Welt!“, schreibt Werther. Denn die eigentliche Entdeckung dieses emotionalen Showdowns ist für ihn sein Gefühl: Dieses wird schließlich zur existentiellen Erfahrung.

Kann Werther Lotte begegnen und können wir mit diesem Text jemandem wirklich begegnen? Goethe beschreibt darin kein Einzelschicksal, denn Werther ist ein Zustand. Einer, der es groß will und der sich den Raum dafür nimmt, ’cause it’s a bitter sweet symphony.

Werther gilt als der erste Popstar des Kulturbetriebs. Sein Kleidungsstil, blauer Frack und gelbe Weste, war stilprägend und bis heute hält sich der Mythos, dass sein Vorbild kurz nach Erscheinen des Romans 1774 eine handfeste Suizidwelle unter liebeskranken Jugendlichen ausgelöst haben soll.

Regisseurin Leonie Böhm sucht in ihren Stücken nach radikalen Spielsituationen und intensiven menschlichen Begegnungen. Mit Vorliebe greift sie zu klassischen Stoffen, um deren Kernkonflikte zu fokussieren. Trotz extremer Verdichtung entsteht bei diesem Zugriff nicht selten der Effekt, das Stück endlich einmal zu verstehen. Emotionen, Humor und die Spieler*innen auf der Bühne spielen in Leonie Böhms Theaterabenden die wichtigsten Rollen. Sie wurde 1982 in Stuttgart geboren und studierte Bildende Kunst an der Kunsthochschule Kassel sowie Schauspielregie an der Theaterakademie in Hamburg. Ihre im Rahmen des Studiums entstandenen Regiearbeiten wurden zu zahlreichen Gastspielen eingeladen. Sie inszeniert u.a. am Thalia Theater Hamburg, an den Münchner Kammerspielen und zuletzt am Theater Bremen.

nach Johann Wolfgang von Goethe,

Regie: Leonie Böhm,
Bühne: Zahava Rodrigo,
Kostüme: Magdalena Schön, Helen Stein,
Musik: Johannes Rieder,
Dramaturgie: Elena von Liebenstein

Mit
Christian Bayer
Emilia Reichenbach
Johannes Rieder

 

Weitere Informationen zu diesem Beitrag

Lesezeit für diesen Artikel: 12 Minuten



Herausgeber des Beitrags:

Kritiken

Scheinheilig -- "Die heilige Johanna der Schlachthöfe" von Bertold Brecht im Schauspielhaus Düsseldorf

Eine Maschine die alles vereint: Fleischwolf, Transportband, Verbrennungsofen, multifunktional, dominiert die Bühne im Düsseldorfer Schauspielhaus. Aus ihren zwei großen Röhren, quellen ganz langsam…

Von: Dagmar Kurtz

MELODISCHER ZAUBER -- Neue CD: "Segovia" - Carlotta Dalia spielt auf einer seltenen Hauser-Gitarre bei Berlin Classics

Die junge Gitarristin Carlotta Dalia aus Italien spielt hier auf einer historischen Gitarre, die vom deutschen Gitarrenbauer Hermann Hauser für den berühmten spanischen Gitarristen Andres Segovia…

Von: ALEXANDER WALTHER

SINGENDE MELODIE -- Neue CD: Ludwig van Beethoven - Klaviersonaten Edition 2 mit Moritz Winklemann bei Berlin Classics

Auch die neue CD mit dem Stuttgarter Pianisten Moritz Winkelmann überzeugt aufgrund einer klaren künstlerischen Aussage. Für Winkelmann ist das Allegro der Klaviersonate Nr. 9 in E-Dur op, 14/1…

Von: ALEXANDER WALTHER

VERANKERUNG IN RITUALEN -- "Muttertier" von Leo Lorena Wyss im Kammertheater STUTTGART

"Ich verstehe dich...Aber immer, wenn ich den Mund öffne, immer wenn ich etwas sagen will, dann ist da nur der Muttermund..." Drei Geschwister tollen, taumeln und tauchen im Becken eines Hallenbads.…

Von: ALEXANDER WALTHER

JUGENDLICHE SCHWUNGKRAFT -- 6. Staatsorchesterkonzert im Beethovensaal der Liederhalle STUTTGART

Sehr jugendlich wirkt Felix Mendelssohn Bartholdys Sinfonie Nr. 1 in c-Moll op. 11. Sie trägt noch die Handschrift der Streichersinfonien. Und stellenweise blitzt sogar der Einfluss der…

Von: ALEXANDER WALTHER

Alle Kritiken anzeigen

folgen Sie uns auf

Theaterkompass

Der Theaterkompass ist eine Plattform für aktuelle Neuigkeiten aus den Schauspiel-, Opern- & Tanztheaterwelten in Deutschland, Österreich und Schweiz.

Seit 2000 sorgen wir regelmäßig für News, Kritiken und theaterrelevante Beiträge.

Hintergrundbild der Seite
Top ↑
StartseiteBeiträgeKritikenHintergründeTheatermacherServiceFachbegriffeSuche