Aber immer noch lockt ihn Unerreichtes, Unerreichbares. Für sein letztes Großprojekt, das die Natur besiegen und ein »freies Volk auf freiem Grund« schaffen soll, geht Faust über Leichen. Am Ende seines Lebens sind Mensch und Natur abgeschafft und durch Technik ersetzt.
»Herrschaft gewinn’ ich, Eigentum! / Die Tat ist alles, nichts der Ruhm.« – Wie’s denn weitergehe im zweiten Teil, soll ein Neugieriger den alten Goethe gefragt haben. Der schrieb zurück: »Es gibt noch manche, herrliche, reale und fantastische Irrtümer auf Erden. Durch diese soll unser Freund Faust sich auch durchwürgen.« Tatsächlich sind die Irrtümer, an die Goethe 1820 dachte, knapp 200 Jahre später kaum noch fantastisch, sondern sehr viel realer geworden. Den bankrotten Kaiserstaat sanieren Faust und Mephisto mit der Erfindung des Papiergeldes, neues Leben wird in Fausts Labor im Reagenzglas geschaffen. Faust wird Bankier, Feldherr, Handelsherr, Spekulant. Er gewinnt Reichtum, Macht, Ansehen – und Helena, die schönste Frau der Welt. Aber immer noch lockt ihn Unerreichtes, Unerreichbares: »So sind am härtesten wir gequält, im Reichtum fühlend, was uns fehlt.« Für sein letztes Großprojekt, das die Natur besiegen und ein »freies Volk auf freiem Grund« schaffen soll, geht er über Leichen.
1831 schrieb Goethe über seine lebenslange Beschäftigung mit dem »Faust«-Stoff: »Es ist keine Kleinigkeit, das, was man im zwanzigsten Jahre konzipiert hat, im zweiundachtzigsten außer sich darzustellen, und ein solches inneres, lebendiges Knochengeripp mit Sehnen, Fleisch und Oberhaut zu bekleiden, auch wohl dem fertig Hingestellten noch einige Mantelfalten umzuschlagen, damit alles zusammen dem Menschen ein offenbares Rätsel bleibe, die Menschen fort und fort ergötze und ihnen zu schaffen mache.«
Nach über 10 Jahren ist der ganze »Faust« wieder in Magdeburg zu sehen. Er ist Goethes Lebenswerk und einer der großen Versuche, die Welt mit den Mitteln des Theaters zu erklären. »Faust« ist eine negative Utopie. Goethe warnt uns davor, nicht immer so weiter zu machen mit der grenzenlosen Herrschaft über Mensch und Natur.
Regie: Martin Nimz
Kostüme: Ricarda Knödler
Video/ Grafik: Achim Naumann d'Alnoncourt
Es spielen: Iris Albrecht, Christiane-Britta Boehlke, Heide Kalisch, Babette Slezak; Alexander Absenger, David Emig, Jonas Hien, Silvio Hildebrandt, Jeremias Koschorz, Ralph Martin, Axel Strothmann
Sa, 01.10.2011 19:30
Sa, 22.10.2011 19:30