Kasimir hat seine Arbeit verloren. Und weil sich die allgemeine Krise und das Private eben nicht trennen lassen, und „wenn einer arbeitslos wird, die Liebe zu ihm nachlässt, und zwar automatisch“, hält Karoline nach etwas Besserem Ausschau. Sie hängt sich an Schürzinger, der sie, nicht ganz uneigennützig, an seinen Chef Rauch weiterreicht. Derweil zieht Kasimir mit dem Kleinkriminellen Merkl Franz und dessen vom Leben schon einigermaßen zugerichteter Freundin Erna weiter. Was als himmeltrauriger Vergnügungsparcours begann, wird zur bitterbösen Höllenfahrt.“ Man hat halt oft so eine Sehnsucht in sich, aber dann kehrt man zurück mit gebrochenen Flügeln und das Leben geht weiter, als wäre man nie dabei gewesen.“
Auch in Horváths lakonischem Totentanz „Glaube Liebe Hoffnung“ ist die Liebe keine Himmelsmacht, sondern eine durchkalkulierte Sache. Erzählt wird die Geschichte von Elisabeth, einer Mittellosen im Märchen, das man Kapitalismus nennt. Aus Not will sie ihren Körper für einhundertfünfzig Mark an ein Anatomisches Institut verkaufen, um mit dem Erlös einen Wandergewerbeschein bezahlen zu können. Ein Oberpräparator klärt sie darüber auf, dass die Anatomie keine „lebendigen Toten“ kauft, ein Präparator leiht ihr die benötigte Summe und bringt sie ins Gefängnis, als er erfährt, dass sie das geliehene Geld für die Zahlung einer Geldstrafe verwendet hat, die ihr für ein illegales Beschäftigungsverhältnis auferlegt worden war. Ein Schupo macht sie zu seiner Braut und lässt sie fallen, als er erfährt, dass sie vorbestraft ist. „Das sind lauter kleine Paragraphen, aber du bleibst hängen – Du weißt eigentlich gar nicht, was los war und schon ist es aus.“
Horváth, der radikale Entkitscher und Desillusionist, schrieb 1932, inmitten von Wirtschaftskrise und dem Aufmarsch der Stammtische, die Stücke der Stunde. Unsere Gegenwart kann seinen schonungslosen Blick gut vertragen. In Horváths frühen Entwürfen als ein einziges Stück konzipiert, führt die Inszenierung von Jette Steckel beide Stücke wieder zusammen, weitet die sozialen Fallstudien kaleidoskopartig und fragt: Was ist der Wert des Menschen, wenn er weder Geld hat, noch Arbeit, noch gültige Papiere?
Regie Jette Steckel
Bühne Florian Lösche
Kostüme Pauline Hüners
Musik Anton Spielmann
Dramaturgie Julia Lochte
E
nsemble Mirko Kreibich, Matthias Leja, Oliver Mallison, Karin Neuhäuser, Sebastian Rudolph, Birte
Schnöink, Maja Schöne, André Szymanski, Sebastian Zimmler, Patrycia Ziolkowska
Musiker Gabriel Coburger, Oliver Gutzeit, Stephan Krause, Christophe Schweizer
Weitere Vorstellungen am 4., 11. und 12. Dezember um 20 Uhr im Thalia Theater
Karten 040. 32 81 44 44 / www.thalia-theater.de