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Kein Anschluss

WERTHER von Jules Massenet in der Deutschen Oper am Rhein

 

Während das Publikum noch auf den Beginn der Vorstellung wartet, klingelt irgendwo ein Telefon, klingelt und klingelt, niemand hebt ab. Ein Schuss fällt. Der Bühnenvorhang öffnet sich. In einem Sessel sitzend stirbt Werther in einem langen Todeskampf, in dem er sein Leben wie in einem halluzinierten Traum an sich vorüber ziehen lässt. Als Rückblick jedenfalls inszeniert Joan Anton Rechi Massenets Oper "Werther" für die Deutsche Oper am Rhein. Dabei bezieht er sich auf Goethes Roman, der am Ende Werthers zwölfstündiges Hinscheiden beschreibt.

 

Werther ist ein empfindsamer Mensch, der Natureindrücke schätzt und sich an der natürlichen Anmut von Charlotte erfreu. Die junge Frau lebt in einem scheinbaren Familienidyll lebt und ersetzt ihren Geschwistern die Mutter. In der schicksalhaften Begegnungsszene schneidet Charlotte in Goethes Briefroman Brot, hier verteilt sie stattdessen Süßigkeiten an die Kinder. Bühne und Kostüme deuten symbolhaft das an, was der Operntext nicht sagt. Der Wald dringt in den grünen Salon ein. Statt gelber Weste trägt Werther einen roten Anzug, rot wie die Liebe, rot wie Blut. Und als Charlotte, die Albert heiratet, sich schließlich doch in Werther verliebt, wird das ebenfalls durch ihr rotes Kleid verdeutlicht. Alberts Jagdleidenschaft wird durch Hirschtrophäen an der Wand suggeriert. Das Eheleben Charlottes und Alberts findet in einem Essen in einem Edelrestaurant seinen Ausdruck. In diesem klaren, ästhetisch ausgeklügelten Ambiente prallen die Leidenschaften aufeinander: Werthers unbedingte Leidenschaft, Charlottes Zerrissenheit zwischen Gefühl und Verstand, Alberts Selbstsicherheit, die durch Eifersucht brüchig wird, als Kontrast dazu die kindliche Sophie, noch fern der großen Gefühlserregungen. Das alles wird von der Regie eindrucksvoll herausgearbeitet. Etwas unlogisch wird es zum Schluss, wenn Werthers und Charlottes Kommunikation sich durch ein altes Telefon mit Wählscheibe vollzieht, wo zuvor noch fleißig Briefe gewechselt wurden. Und was für Briefe wurden im 18. und 19. Jahrhunderts noch geschrieben, zu Zeiten als man sich noch etwas mitzuteilen hatte und auch noch wusste, wie man es ausdrückt!

 

Katarzyna Kuncio überzeugt als Charlotte, Sergej Khomov als Werther fehlt etwas der jugendliche Enthusiasmus. Laimonas Pautienius gelingt es, der Albert-Figur mehr Tiefe zu geben, er ist nicht mehr nur treuherziger Gatte, sondern wird durch leidenschaftliche Eifersucht auch zur perfiden Bösartigkeit hingerissen. Alma Sadé ist dagegen als Sophie die fröhliche Unschuld und bringt das auch durch ihren klaren Gesang zum Ausdruck. Unter der Leitung von Christoph Altstaedt musizierten die Düsseldorfer Symphoniker erfrischend stimmig, ohne sich zu romantisierender Dramatik hinreißen zu lassen. Das Publikum war dieser Inszenierung äußerst zugetan und brachte das in langanhaltendem Beifall zum Ausdruck.

 

WERTHER von Jules Massenet

Oper in vier Akten

Libretto von Edouard Blau, Paul Milliet und Georges Hartmann

 

Musikalische Leitung: Christoph Altstaedt

Inszenierung: Joan Anton Rechi

Bühne: Alfons Flores

Kostüme: Sebastian Ellrich

Licht: Volker Weinhart

Leitung Kinderchor: Karoline Philippi

Dramaturgie: Bernhard F. Loges

 

Werther: Sergej Khomov

Albert: Laimonas Pautienius

Le Bailli: Sami Luttinen

Schmidt: Bruce Rankin

Johan: Daniel Djambazian

Brühlmann: Attila Fodre

Charlotte: Katarzyna Kuncio

Sophie: Alma Sadé

Käthchen: Hagar Sharvit

Werthers Schatten: Joeri Burger

Chor: Kinderchor am Rhein

Orchester: Düsseldorfer Symphoniker

 

Premiere 25.04.2014 - Opernhaus Düsseldorf

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