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Keine Verlängerung des Intendantenvertrags in Heilbronn

Der Vertrag zwischen der Stadt Heilbronn und dem Intendanten des Theaters, Dr. Martin Roeder-Zerndt, läuft nach fünf Jahren zum 30.08.2008 aus. Die

Möglichkeit der einvernehmlichen Verlängerung, die gemäß Intendantenvertrag zum Ende der dritten Spielzeit zu entscheiden wäre, ist nicht realisierbar, da sich die beiden Vertragspartner nicht auf ein tragfähiges gemeinsames Konzept für eine Zusammenarbeit über 2008 hinaus einigen konnten.

Dazu gab Dr. Martin Roeder-Zerndt folgende Erklärung ab:

Mein Engagement für das Theater Heilbronn ist ungebrochen. Ich werde in

den zwei uns verbleibenden Spielzeiten für die Fortsetzung unseres

künstlerisch engagierten, erfolgreichen zeitgenössischen Theaters

einstehen. Wir versprechen der Stadt weiterhin ein starkes Angebot an

anspruchsvollen Eigenproduktionen und hochkarätigen internationalen

Gastspielen.

 

Wir haben in drei Jahren Theaterarbeit für Heilbronn die problematische

demographische Entwicklung des Hauses aufhalten und in überwältigendem

Maße Nachwuchs für das Theater gewinnen können. Wir haben die Frage der

Spielstättenprofile erfolgreich beantwortet und das seit 2001 bestehende

Komödienhausproblem gelöst. Wir haben damit eine gute Ausgangsposition

geschaffen für die Konsolidierung eines durch die Finanzlage der Kommune

geschwächten Betriebes.

 

Es hätte umsichtiger Finanz- und Strukturentscheidungen bedurft, den

nach 23 Jahren Leitungskontinuität selbstverständlich schwierigen

Intendanten- und Geschäftsführerwechsel im Theater Heilbronn

abzusichern. Im Berufungsverfahren hatte ich vor diesem Hintergrund um

einen langen Atem und um die finanzielle Rückendeckung für

vorübergehende Einnahmeschwankungen bis zu 20% geworben. In einer

Präambel meines Intendantenvertrages hatte die Stadt mir deshalb

zugesagt, sich zu bemühen, "den im Augenblick [der

Vertragsunterzeichnung] bestehenden Zustand, insbesondere die

finanzielle Ausstattung des Eigenbetriebes Theater beizubehalten."

Bereits vor meinem Dienstantritt jedoch war das Theater mit Überlegungen

des Gemeinderats konfrontiert, das Niveau der Finanzierung radikal

abzusenken und die Struktur des Betriebes mit dem Ziel einer

Zuschussreduktion zu verändern. In diesem Zusammenhang wurde der externe

Gutachter ICG Culturplan mit der Analyse unseres Betriebes beauftragt.

Der Gutachter bescheinigte dem Theater zum damaligen Zeitpunkt höchste

Wirtschaftlichkeit und Effizienz in allen Bereichen.

Die Folge der schließlich dennoch verfügten Kürzungen: Streichung der

Tanztheatertage Heilbronn, Verkürzung unserer Opern- und internationalen

Tanzgastspielserien, Streichung

einer Produktion im Komödienhaus, Halbierung unserer

Bühnenausstattungsetats, einschneidender Abbau von Personal. Soll das

reine Einsparen von Kosten tatsächlich ein Kriterium für Erfolg sein, so

war das Theater Heilbronn in diesen drei Jahren unter meiner

Geschäftsführung erfolgreich. Aber all dies erzwang auch eine

Verringerung der jährlichen Vorstellungszahl und eine Schmälerung der

Angebotsbasis und Ausstattungsqualität und führte damit unmittelbar zu

Verlusten auf der Einnahmenseite. Der in der Finanzpolitik weit

verbreitete Glaube, es ließe sich durch weniger Aussaat eine größere

Ernte einfahren, hat sich auch in Heilbronn nicht erfüllt.

 

Ich habe gemeinsam mit den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des

Theaters Heilbronn für den Erfolg dieses Theaters gekämpft. Gemeinsam

haben wir uns gegen alle Versuche der Stadt gestemmt, die Finanzierung

des Theaters auszuhöhlen. Wir haben den Kampf gewonnen, indem wir die

heftigsten Kürzungen abwehren konnten, und verloren, indem wir

schließlich mit einer degressiven Budgetierung konfrontiert wurden, die

mit empfindlich spürbaren weiteren Angebotsverlusten einhergehen musste.

Der Theaterbetrieb befindet sich gegenwärtig in einer Gefahrenzone, aus

der er nur mit einem wieder verstärkten finanziellen Bekenntnis der

Stadt zum Ensemble- und Repertoiretheater und einem nicht nachlassenden

Interesse seines Publikums herausgefahren werden kann.

 

Ich bedaure sehr, dass meine Gespräche mit der Verwaltung der Stadt

Heilbronn nicht zu einem besseren Ergebnis geführt haben. Das Theater

Heilbronn wird sich gleichwohl in den kommenden beiden Spielzeiten unter

meiner Leitung weiter konsolidieren. Wir werden der Stadt am Ende meiner

Vertragslaufzeit ein Theater übergeben, das alle Möglichkeiten haben

wird, sich erfolgreich fortzuentwickeln, vorausgesetzt die unabwendbar

auf das Theater zukommenden Kostensteigerungen (Inflation,

Tarifsteigerung, Mehrwertsteuer etc.) werden ausfinanziert.

 

Ich freue mich auf zwei weitere Jahre Theater Heilbronn mit unserem

ebenso kritischen wie begeisterungsfähigen Publikum.

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