Er ist Dozent für Philosophie, «ein wirklich guter Posten». Der Alkohol und die kleinen Studentinnen, mit denen er hin und wieder ins Bett steigt, halten ihn irgendwie in Gang. Beruflich wäre er fast noch einmal in Fahrt gekommen: Der berühmte Philosoph Königsberg hält eine Gastvorlesung an Rays Kleinstadt-Uni, und Ray ist sich sicher, dass er ihn argumentativ aufs Kreuz legen kann. Ruhm, Ehre, der Durchbruch winken. Der grosse Tag endet allerdings in einem Desaster. Statt der brillanten Thesen, mit denen Ray die Theorie über das Ende der Sprache widerlegen wollte, kotzt er ihm schwer verkatert einen Strahl Orangensaft vor die Füsse. Ein Desaster? Wie man’s nimmt. Der akademischen Karriere gewiss nicht förderlich, aber eine richtig gute Geschichte. Fast genauso gut wie der Vorstadt-Thriller vom Raubüberfall auf ein Wettbüro, den Joe und Frank zum Besten geben …
«Salzwasser» ist unmittelbares, packendes, heutiges Erzähltheater: In drei kunstvoll miteinander ver¬zahnten Monologen erzählt der irische Autor und Regisseur Conor McPherson zehn Tage im Leben dreier smarter Taugenichtse, die zwischen den Klippen des Alltags mit ein wenig Glück am Ende ihren Weg machen: «So war es am Ende so, dass alles ganz gut angefangen hatte und nun besser wurde. Ist das Betrug? Ich weiss nicht. Schwer zu sagen.»
CONOR MCPHERSON, AUTOR
Der 1971 in Dublin geborene Conor McPherson begann bereits während des Studiums, Theaterstücke zu schreiben. Daneben arbeitete er als Regisseur und Autor für Film und Fernsehen – und zählte auch damit schon bald zu den Grossen seiner Zunft. Seine Theaterstücke wurden weltweit gefeiert, seine Ver¬film¬ungen mit Preisen überhäuft. Für die Verfilmung von «Salzwasser» wurde er bei den Berliner Fest¬spielen 2000 mit dem CICAE Award für den besten Film ausgezeichnet.
Bei allen Erfolgen ist McPherson allerdings untypisch geblieben. Denn ganz anders als die vielen irischen und britischen Jungautoren, die seit den 90er Jahren die deutschsprachigen Bühnen eroberten, schreibt er über Menschen, die man mögen kann und muss. Die Charaktere, die McPhersons Stücke bevölkern, sind keine zerstörten Individuen, eher sympathische Taugenichtse, die suchen und selten finden, die mehr erdichten als sie die Wahrheit sagen und deshalb niemals vollkommen ernst zu nehmen sind.
Dass McPherson die Inspiration für seine Geschichten in den Kneipen Dublins suchte und fand, hat er nie verschwiegen: «Jeden Abend Menschen in Kneipen zu treffen, das kann zu echter Arbeit ausarten», äusserte er in einem Interview. «Letztes Jahr habe ich mich entschlossen, jeder neuen Bekanntschaft eine große Lüge zu erzählen (…) Das erste, was die Leute dann gesagt haben, war: Ist das wahr? Wir leben eben in einer Welt, in der man nicht erwartet, dass völlig Fremde einen anlügen. Zumindest nicht in Kneipen. Aber im Theater ist das sehr angenehm.»
Auch McPhersons bekanntestes Theaterstück «Salzwasser» atmet den Tabakdunst und die wirren Ge¬schichten einer durchzechten Nacht. Es vereint Roadmovie, Kneipenlyrik und die fantastischen Halbwahr¬heiten dreier junger Geschichtenerzähler. Und sehr schnell wird klar: Die «Arbeit» in den Kneipen Dublins hat sich sehr gelohnt. Denn es sind die Geschichten der kleinen Leute, die Conor McPherson zu einem grossen zeitgenössischen Theatererzähler machen.
MIT: Manuel Kühne, Henry Meyer, Benjamin Spinnler
PRODUKTIONSTEAM: Jürgen Sarkiss (Inszenierung), Tassilo Tesche (Bühne und Kostüme), Heike Dürscheid, Bernd Isele (Dramaturgie), Thomas Lötscher (Ton), David Clormann und Flavio von Burg (Licht und technische Eichrichtung)