Max Aue ist das Auge, durch das Jonathan Littell in seinem Roman. „Die Wohlgesinnten“ die Schauplätze des Zweiten Weltkriegs und der Shoah in den Blick nimmt: die Hölle der Massaker des Genozids an den europäischen Juden, die von Berlin aus befohlen wurden, Stalingrad, die Strategien des Reichssicherheitshauptamts, ein Hausmusikabend bei Eichmanns und die Rückkehr von Max Aue in das inzwischen von Bomben zerstörte Berlin. Littells penibel recherchierter Roman ist eine Zumutung, weil er zur Beschäftigung mit der intellektuellen Seite des Nationalsozialismus zwingt: Was war für junge Intellektuelle am NS- Staat verführerisch? Wie verändern sich die Menschen im Krieg?
Was ist archetypisch an dieser Geschichte? Auch wenn gerade durch die historische Genauigkeit „Die Wohlgesinnten“ zu so einem beklemmenden Text über die aktuelle Fragilität gesellschaftlicher Normen und Werte werden, so darf man nicht unterschlagen, dass Littell mit seinem Titel andererseits auf die „Orestie“ und damit auf die griechische Tragödie verweist. Der Stoff thematisiert damit natürlich auch die schon in der Antike formulierte Frage nach den Wegen heraus aus der Barbarei.
Das Maxim Gorki Theater Berlin setzt mit Armin Petras’ Bühnenversion der „Wohlgesinnten“ seine intensive Auseinandersetzung mit der deutschen Geschichte fort und versucht, ein sehr tragisches Kapitel dieser Geschichte in den Ausmaßen einer griechischen Tragödie zu sehen und mit aller theatralischen Kraft in einen neuen öffentlichen Diskurs zu überführen.
Jonathan Littell, 1967 in New York geboren, ist in Frankreich aufgewachsen. Er studierte an der Yale University (USA). Zwischen 1993 und 2001 arbeitete er für die humanitäre Organisation „Aktion gegen den Hunger“ (ACF) in Bosnien und Afghanistan, im Kongo und in Tschetschenien. Mit 39 Jahren veröffentlichte er in französischer Sprache seinen zweiten Roman „Die Wohlgesinnten“ (Les Bienveillantes), den er nach mehreren Jahren Recherchearbeit in kurzer Zeit niederschrieb und für den er 2006 den Grand Prix du Roman der Académie Française sowie den Prix Goncourt erhielt, dessen Entgegennahme er verweigerte. Weitere Veröffentlichungen u.a.: „Das Trockene und das Feuchte. Ein kurzer Einfall in faschistisches Gelände“ (2009) und „Bericht über nichts“ (2011).
Mit: Cristin König, Anja Schneider, Aenne Schwarz, Peter Kurth (der alte Max Aue), Thomas Lawinky, Max Simonischek (der junge Max Aue)
Regie: Armin Petras, Bühne: Olaf Altmann, Kostüme: Karoline Bierner, Musik: Sebastian Vogel & Thomas Kürstner, Dramaturgie: Jens Groß
Nächste Vorstellungen am 29. September, 7., 15. und 21. Oktober 2011
Flankiert wird die Arbeit an Littells Werk mit einer Reihe von Veranstaltungen, die unter dem Titel GESCHICHTSRÄUME in Kooperation mit der Stiftung Topographie des Terrors Experten aus Wissenschaft und Kunst einlädt, über Erinnern und Vergessen, Täter- und Opferbilder, Historie und Historiografie und nicht zuletzt über das Spannungsverhältnis zwischen historischen Stoffen, die die NS-Zeit betreffen, und ihren künstlerischen Umsetzungen zu sprechen.
Weitere Informationen: gorki.de/de_DE/hpg/detail/40003/139694