Logo of theaterkompass.de
HomeBeiträge
MICHELANGELO, Ballett von Jochen Ulrich, Landestheater LinzMICHELANGELO, Ballett von Jochen Ulrich, Landestheater LinzMICHELANGELO, Ballett...

MICHELANGELO, Ballett von Jochen Ulrich, Landestheater Linz

Premiere 8. Oktober 2011 um 19.30 Uhr im Großen Haus. -----

Die intensive Befragung des menschlichen Körpers ist es, die für Michelangelo – Bildhauer, Maler, Zeichner, Architekt und Dichter – immer im Zentrum seiner Arbeit stand, ja seine Werke erst entstehen ließ.

Ob der stolze, entschlossene „David“, der ehrfurchtgebietende „Moses“, die berührende weil so menschliche „Pietà“, das Deckenfresko der Sixtinischen Kapelle in Rom oder so manches Sonett – immer ist es auch die Schönheit des menschlichen Körpers, die den Blick des Betrachters bannt. In Michelangelos Werken wird eine Kraft und Ruhe spürbar, deren Existenz oft verblüfft, stellen die so vielfältigen Werke doch essentielle Menschheitsthemen dar. Doch trotz dieser Ruhe, die selbst Todgeweihte, Gefangene oder Höllenopfer ausstrahlen – immer ist eine Persönlichkeit dahinter spürbar, die des Dargestellten und die des Renaissance-Künstlers selbst.

 

Doch wie ist ein solches Oeuvre – gigantisch sowohl im Umfang als auch in der kunsthistorischen Bedeutung – überhaupt möglich? Woher nimmt ein Künstler, zwar bereits in jungen Jahren als Genie verehrt, doch lebenslang im Kampf mit Auftraggebern und Mäzenen (darunter allein 9 Päpste!) und nicht selten lebensbedrohlichen Anfeindungen ausgesetzt – die Kraft für dieses Werk?

 

Diesen Fragen geht Ballettdirektor Jochen Ulrich in seinem neuesten Ballett nach. Ein Künstler wie Michelangelo, der so konsequent den Körper in den Mittelpunkt seines Interesses rückt und dabei so weit geht, ihn als unmittelbaren Ausdruck der menschlichen Seele zu konzipieren – ein solcher Künstler verführt zum Tanz, zur Choreographie. Und er wirft Fragen auf. Fragen, an denen sich das Ballett versucht, die sich ins Werk hinein, in die Studien dazu begeben und auch Fragen, die sich an biographische Aspekte richten – ohne jedoch anekdotisch eine Lebensgeschichte auf die Bühne zu bringen. Ein Gedanke drängt sich dabei auf: Wichtigster Antrieb für Michelangelos Schaffen scheint die Liebe zu sein. Thomas Mann nennt sie seine „nicht enden wollende, das ganze Leben durchziehende Verliebtheit in das Bild, das Lebendig-Schöne, den Menschenreiz“.

 

Nach Jochen Ulrichs Balletten über Goya (Köln, 1995) und Caravaggio (Innsbruck, 2004) stellt Michelangelo den dritten Teil seines Zyklus´ über bildende Künstler dar. Mehr noch als bisher entstand dabei im Vorfeld die Überlegung, wie man die Person Michelangelo, diesen Kunst-Titan, in seiner Komplexität auf die Bühne bringen könne. Jochen Ulrich ist dabei zu dem Schluss gekommen, dass es mehrere Michelangelos geben wird, die unterschiedliche Aspekte dieser Persönlichkeit darstellen.

 

Angesiedelt ist Ulrichs Produktion in einem abstrakten „Steinbruch“-Raum (Bühne: Stefan Weinert), der den Marmor – das wichtigste Arbeitsmaterial Michelangelos – zum Dreh- und Angelpunkt des Geschehens macht. Sichtbar werdende Formen,

 

Konstellationen, Bewegungen – immer setzen sie sich mit diesem Symbol ins Verhältnis. Für die Kostüme der Produktion arbeitet Jochen Ulrich bereits zum wiederholten Male mit Bjanka Ursulov zusammen, das Ergebnis der letzten höchst erfolgreichen Zusammenarbeit war vor zwei Jahren mit „Kafka Amerika“ im Landestheater zu sehen.

 

Ruhe und Kraft – diese beiden Aspekte sind es auch, die bei der Auswahl der Musik eine entscheidende Rolle gespielt haben. Mehrere Werke des estnischen Komponisten Arvo Pärt – darunter das Klavierkonzert „Lamentate“ aus dem Jahr 2002 – und Benjamin Brittens „Sinfonia da Requiem“ bilden den musikalischen Grund, auf dem sich der Ballettabend entwickelt. In ihrer Zeitlosigkeit und religiösen Tiefe ergeben die einzelnen Werke eine naheliegende Spiegelung der Themen, die Michelangelo vorgibt.

Unter der Musikalischen Leitung seines Chefdirigenten Dennis Russell Davies spielt das Bruckner Orchester Linz.

 

Musik von Arvo Pärt und Benjamin Britten

Arvo Pärt (*1935):

Collage über B-A-C-H (1964)

Cantus in memory of Benjamin Britten (1977/80)

Spiegel im Spiegel (1978)

Lamentate (Hommage an Anish Kapoor und seine Skulptur Marsyas; für Klavier und Orchester) (2002)

Benjamin Britten (1913-1976):

Sinfonia da Requiem (1940)

 

Musikalische Leitung Dennis Russell Davies / Ingo Ingensand

Choreographie und Inszenierung Jochen Ulrich

Bühne Stefan Weinert

Kostüme Bjanka Ursulov

Dramaturgie Julia Zirkler

 

Michelangelo Martin Dvorák, Wallace Jones, Fabrice Jucquois

Die Herrscher Ziga Jereb

Die Dichterin Irene Bauer

Der Geliebte Sakher Almonem

Michelangelos Geschöpfe Irene Bauer, Darie Cardyn, Sarah Deltenre,

Ayumi Noblet, Clara Pascual Martí, Lucia Patoprstá, Anna Sterbová;

Sakher Almonem, Daniel Morales Pérez,

Alister Noblet, Alexander Novikov, Matej Pajgert, Pascal Sani

Solo-Klavier Maki Namekawa / Borys Sitarski

 

Weitere Termine 11., 16., 19. und 27. Oktober 2011; 4. und 26. November 2011

Weitere Informationen zu diesem Beitrag

Lesezeit für diesen Artikel: 21 Minuten



Herausgeber des Beitrags:

Kritiken

EXPLOSIVE KLANGMISCHUNG -- "Eine florentinische Tragödie" von Alexander Zemlinsky bei NAXOS (BR KLassik)

Nicht sonderlich erfolgreich geriet die Stuttgarter Uraufführung der einaktigen Oper "Eine florentinische Tragödie" von Alexander Zemlinsky im Jahre 1917 unter der Leitung von Max von Schillings. In…

Von: ALEXANDER WALTHER

Die ganze Wahrheit? -- „True Crime“ - Andrey Kaydanovskiy | Hege Haagenrud | Demis Volpi in der Deutschen Oper am Rhein

Drei tänzerische Perspektiven zu Wahrheit und Fiktion: Andrey Kaydanovskiy „Chalk“, Hege Haagenrud „The Bystanders“, Demis Volpi „Non-Fiction Études“  

Von: Dagmar Kurtz

SZENEN OHNE ILLUSIONEN -- "Tosca" von Giacomo Puccini in der Staatsoper Stuttgart

Kann Kunst unsere Wirklichkeit beeinflussen? Diese Frage steht als zentrales Thema im Zentrum der Inszenierung von Willy Decker, dessen Figuren sich in Puccinis "Tosca" in einem schwarzen Kasten…

Von: ALEXANDER WALTHER

RETTET DIE FRAUEN! -- Premiere "Zertretung" von Lydia Haider im Schauspiel Nord STUTTGART

Die 1985 in Oberösterreich geborene Lydia Haider hat hier einen radikalen Text vorgelegt, der zuweilen an Rainald Goetz erinnert. Die zentrale Frage lautet: Wie geht man mit einem System um, das…

Von: ALEXANDER WALTHER

ATEMLOSE HÖHENFLÜGE -- SWR Symphonieorchester mit Busoni und Sibelius im Beethovensaal der Liederhalle/STUTTGART

Zwei unterschiedliche Zeitgenossen standen diesmal im Zentrum: Jean Sibelius und Ferrucio Busoni. Immerhin weiß man, dass beide in Helsinki Schumanns Klavierquintett in Es-Dur gemeinsam musizierten.…

Von: ALEXANDER WALTHER

Alle Kritiken anzeigen

folgen Sie uns auf

Theaterkompass

Der Theaterkompass ist eine Plattform für aktuelle Neuigkeiten aus den Schauspiel-, Opern- & Tanztheaterwelten in Deutschland, Österreich und Schweiz.

Seit 2000 sorgen wir regelmäßig für News, Kritiken und theaterrelevante Beiträge.

Hintergrundbild der Seite
Top ↑