Wie klang Technikeuphorie zu Beginn des 20. Jahrhunderts? Und wie klingt sie heute? Welche Bilder schaffen junge Menschen zu diesem Lärmen, Tönen, Rauschen? Was passiert, wenn zeitgenössische Komponisten ihr Verständnis von Technik in Musik umsetzen, Theaterkünstler die entstandenen Werke als Ausgangspunkt für filmische Experimente mit Schülern/innen nutzen, und diese wiederum ihren Bezug zu Technik thematisieren?
Diese und ähnliche Fragen mögen die Projektverantwortlichen des Theater Kontra-Punkt umgetrieben haben, als sie im Frühjahr 2011 Kontakt mit der Realschule Benrath aufnahmen. Ihre Initiative stieß auf Interesse: In der Schule existiert eine jahrgangsübergreifende Kunst-AG unter der Leitung eines bildenden Künstlers. Dieser war sofort von der Idee begeistert. Nun konnte es losgehen: Die zeitgenössischen Komponisten Hauke Berheide und Frank Zabel wurden beauftragt, dem einst von George Antheil geschaffenen „Ballet méchanique“ ein zeitgenössisches Musikwerk gegenüberzustellen. Dieses Werk diente als Grundlage für die weitere Auseinandersetzung mit dem Thema Technik: Die Realschüler/innen interpretierten, was sie hörten – in Filmen, Videoclips und Performances. Über das Medium Film wurden sie motiviert, sich mit zeitgenössischer Musik auseinanderzusetzen: In vier Kleingruppen entwickelten sie Video-Clips zu Antheils Musik und zu den zeitgenössischen Kompositionen - stets mit Bezug auf das Thema Technik. Dabei übten sie sich in Kameraführung, filmischen Tricks und Filmschnitt. Die Schüler/innen lernten, Objekte zu führen und green screen Aufnahmen für ihre futuristischen Ideen zu nutzen.
Damit nicht genug. Ein weiterer Partner wurde ins Boot geholt: Ein großes Werk der Schwerindustrie, das sich in unmittelbarer Nähe der Schule befindet - die DEMAG Cranes AG. Hier tanzen große Maschinen - im Takt des Arbeitsprozesses. Unter den Auszubildenden sind selten Gymnasiasten, und der Kontakt zu zeitgenössischer Kunst ist gering. Die Künstler konnten DEMAG Cranes dafür gewinnen, die Filme der Realschüler/innen mit der live gespielten Musik im Werk aufzuführen und Auszubildende zu ermutigen, musikalisch mit zukünftigen Arbeitsgeräten umzugehen und ihren eigenen Arbeitsprozess zu theatralisieren. So verwandelten sich Lehrwerkstätten zur Konzert-Location, die Hebebühne zum Podium und Werkzeuge zu Instrumenten. Auszubildende der Schwerindustrie inszenierten einen "Tanz der Maschinen" und schöpften die klanglichen und inszenatorischen Möglichkeiten ihres Arbeitsplatzes aus. Die Azubis mussten ihre Arbeit einmal nicht unter dem Aspekt der Produktionsvorgänge betrachten, sondern als Spielwiese für merkwürdige, aber faszinierende Klänge in Kombination mit gigantischen Maschinenbewegungen.
In einer gemeinsamen Aufführung spielten die Azubis ihre Szenen live, und die vier Filme wurden zur Livemusik präsentiert. Die Aufführung fand in den gigantischen Hallen der DEMAG Cranes AG statt. Die Zuschauer wurden durch das Werk geführt und erlebten Musiktheater auf ungewöhnlichen Bühnen.
Die MIXED UP Jury zeigte sich beeindruckt von der hier realisierten Zusammenarbeit von Realschülern/innen, Künstler/innen und Auszubildenden der Schwerindustrie. Aufmerksamkeit erregte zudem die außergewöhnliche Form der künstlerischen Auseinandersetzung - erprobt von Jugendlichen, für die kulturelle Teilhabe nicht immer selbstverständlich ist.
MIXED UP prämiert gelungene Modelle der Zusammenarbeit zwischen Trägern der Kulturellen Bildung und Schulen im gesamten Bundesgebiet. In diesem Rahmen honorieren das BMFSFJ und die BKJ die Zusammenarbeit von Kultur und Schule mit Preisgeldern im Gesamtwert von 15.000 Euro.
Das Plus für alle: Sämtliche Wettbewerbsbeiträge werden in der Datenbank für Kooperationen erfasst. Die Datenbank macht die Arbeit der bundesweiten Akteure sichtbar und fördert Dialog und Vernetzung.
MIXED UP will:
Die Zusammenarbeit zwischen Jugendarbeit, Kultur und Schule fördern.
Die Voraussetzungen für ganzheitliche Bildung und Kompetenzerwerb mit Kunst und Kultur verbessern.
Kinder und Jugendliche in ihrer Persönlichkeitsentwicklung unterstützen.
Kulturelle Teilhabemöglichkeiten an Musik, Spiel, Theater, Tanz, Rhythmik, bildnerischem Gestalten, Literatur, Medien und Zirkus verbessern.
Weitere Informationen:
www.kontra-punkt.de
www.realschule-benrath.de
www.theater-freiburg.de
www.tonhalle.de/duesseldorfer_symphoniker
www.duesseldorf-festival.de
Der Preis wird am 20. September 2012 von der Bundesministerin für Familie, Senioren, Frauen und Jugend Frau Dr. Schröder in Potsdam übergeben.
Am Projekt waren weiterhin beteiligt: Realschule Benrath Düsseldorf und das Goethe-Gymnasium Freiburg.
Gefördert wurde das Projekt vom Land NRW und der Stadt Düsseldorf.