Die uralte Tradition des Osterfestes stellt die Reflexion über Tod und Verzweiflung unmittelbar neben die Feier des Siegs über die Endgültigkeit. In vielen armenischen Kirchen erklang der Ostergesang am 4. April 1915, fast auf den Tag genau vor 100 Jahren, zum letzten Mal. In einem Osterfest der besonderen Art wird das Gorki vom 2.–6. April zu einem Raum des Erzählens von Tod und Auferstehung, von Zerstörung und Widerstand. Gegenüber des im Wiederaufbau befindlichen Kaiserschlosses kommen KünstlerInnen und WissenschaftlerInnen aus der ganzen Welt zusammen, um Geschichte nicht abstrakt und repräsentativ, sondern persönlich anhand konkreter Biografien zu erzählen. In Lecture Performances, Vorträgen, Lesungen, Konzerten und Debatten beschreiben sie ihre persönliche Auseinandersetzung mit dem Völkermord und dem Leben danach. Ein Mosaik von erzählten Geschichten, die von Verlust und Angst, Flucht und Exil, Schuld und Mitschuld, von Glück und Scham des Überlebens berichten.
Osterfest vom 2. April bis 6. April im Maxim Gorki Theater
In Performances, Theater, Lesungen, Gesprächen, Konzerten, in Film und anhand individueller Biografien setzen sich rund 50 internationale KünstlerInnen und WissenschaftlerInnen am Gorki persönlich mit dem Völkermord auseinander: Aus Los Angeles, Istanbul, Jerewan oder Toronto
reisen sie nach Berlin, viele der Gäste stammen aus der armenischen Diaspora.
Zu den KünstlerInnen gehört unter anderen die armenisch-kanadische Schauspielerin Arsinée Khanjian. Sie beschäftigt sich in der szenischen Lesung Auction of Souls gemeinsam mit Gorki-SchauspielerInnen mit dem frühen Augenzeugenbericht von Aurora Mardiganian, der 1918 in den USA verfilmt wurde.
Film bildet einen besonderen Schwerpunkt des Osterfests: Der kanadische Kinoregisseur Atom Egoyan, dessen Videoinstallation Auroras über Aurora Mardiganian auf dem Vorplatz des Gorki zu sehen ist, präsentiert im Gespräch sein preisgekröntes Werk Ararat. Fatih Akin spricht mit Knut Elstermann über seinen Film The Cut. In der Filmreihe ANRUFUNG, kuratiert von Fred Kelemen, werden zahlreiche armenische FilmemacherInnen zu Gast sein, darunter Regisseur Harutyun Khachatryan, der über seine Arbeit sprechen wird.
Mehrere Vorträge von WissenschaftlerInnen und PublizistInnen widmen sich dem Thema der deutschen Verantwortung am Völkermord. Thomas Krüger, Präsident der Bundeszentrale für politische Bildung spricht mit Christin Pschichholz, Jürgen Gottschlich und Wolfgang Gust über die deutsche Verstrickung, die aufgrund des Bündnisses des deutschen Kaiserreichs mit dem Osmanischen Reich entstand.
Der Istanbuler Choreograph Mihran Tomasyan erinnert in seiner Tanzperformance You are not a fish after all an die Ermordung des Journalisten Hrant Dink 2007. Hrant Dinks Nichte, die Filmemacherin Lusin Dink kommt ins Gorki, um im Rahmen der Filmreihe ANRUFUNG ihren Dokumentarfilm Saroyan’s Land vorzustellen. Auch der Journalist Osman Okkan beschäftigt sich mit dem Mord an Hrant Dink in seinem Vortrag Die Mordakte Hrant Dink. Außerdem erzählt er von den zivilgesellschaftlichen Bewegungen in der Türkei, die für Versöhnung und Meinungsfreiheit kämpfen. Für ein pluralistisches Verständnis der türkischen Gesellschaft steht Osman Kavala: Der Vorsitzende von Anadolu Kültür reist aus Istanbul an, um das Osterfest gemeinsam mit Arsinée Khanjian mit einer Keynote zu eröffnen. Von der Bemühung um Aussöhnung in der Stadt Diyarbakır erzählen der Oud-Spieler Yervant Bostancı und der Schriftsteller Şeyhmus Diken in der musikalischen Lesung Die Armenier von Diyarbakır. Der Bürgermeister von Diyarbakır war der erste, der die Armenier in der Diaspora aufgerufen hatte, zurückzukommen. Als Einziger ist Yervant Bostancı diesem Aufruf gefolgt.
Einen musikalischen Höhepunkt des Osterfests markiert das Konzert des Percussionisten, Sängers und Grammy-Gewinners Arto Tunçboyacıyan aus New York, der mit drei weiteren
Musikern das Projekt 1TO3+ präsentiert.
Das vollständige Programm des Osterfestes unter www.gorki.de