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RADIO MUEZZIN, Dokumentartheater von STEFAN KAEGI / RIMINI PROTOKOLL im Theater Chur

So/ Mo 24./25. Okt. 2010, 20Uhr

Zum ersten Muezzin wurde ein freigelassener Sklave, weil er eine honigsüße Stimme hatte. Noch bis in die 50er Jahre stiegen oft blinde Muezzine auf das Minarett, um den Gebetsruf, den Adhan, in alle vier Himmelsrichtungen über die Stadt zu rufen.

Im heutigen Kairo sind die meisten Muezzine Staatsangestellte, die oft in der

Moschee schlafen und nur selten ihre Familie, die noch im Dorf wohnt, besuchen. Neben dem Ausrufen sind sie oft auch die Hausmeister des Gotteshauses, schließen auf und organisieren die Reinigung. Über Kairo, der „Stadt der Tausend Moscheen“ (in Wahrheit sind es um die 30.000) vermischen sich die Rufe zu einem vielfältigen Klangteppich.

Das soll sich jetzt ändern: Der Minister für religiöse Stiftungen will nächstes Jahr den zentralisierten Muezzin einführen. Über einen Radiosender sollen um die 30 auserwählte Ausrufer über einen Radiokanal gesendet und aus allen staatlichen Moscheen gleichzeitig übertragen werden. Damit wird zwar nicht die Vielfalt der Gebetskulturen, aber doch die Kakophonie abgeschafft. Und tausende von ägyptischen Muezzine verstummen?

Im Zentrum von RADIO MUEZZIN stehen vier Muezzine: ein blinder Koranlehrer, der jeden Tag zwei Stunden mit dem Minibus zur Moschee fährt; ein oberägyptischer Bauerssohn und ehemaliger Panzerfahrer, der den Teppich seiner Moschee saugt; ein Elektriker, der nach einem Gastarbeiterleben in Saudi Arabien und einem schweren Unfall begann, den Koran auswendig zu lernen, und ein Bodybuilder und Vizeweltmeister im Koranzitieren, dessen Korankassetten sich unter Taxifahrern großer Beliebtheit erfreuen.

RADIO MUEZZIN lässt sie einem Ingenieur begegnen, der am Assuan-Staudamm gelernt hat, Radiosignale zu verschlüsseln. In einer Moschee aus Teppichen und Ventilatoren werden sie zu Hauptdarstellern einer Rekonstruktion ihres Lebens, zu Ich-Vertretern einer religiösen Kultur, deren

vielfältige Gesichter in Europa oft auf einfache Feindbilder reduziert werden.

Zwischen ihren Worten und den Videobildern ihres Alltags entstehen neue

Stimmbilder, die von der Transformation des Gebetsrufs im Zeitalter seiner

technischen Reproduzierbarkeit erzählen.

RIMINI PROTOKOLL

Helgard Haug (*1969), Stefan Kaegi (*1972) und Daniel Wetzel (*1969) haben am Giessener Institut für Angewandte Theaterwissenschaft studiert und arbeiten in unterschiedlichen Konstellationen unter dem Label RIMINI PROTOKOLL. Sie gelten als die „Protagonisten und Begründer eines neuen Reality Trends auf den Bühnen“ (Theater der Zeit), der die junge Theaterszene geprägt hat. Die Arbeiten finden in der bunten Zone zwischen Realität und Fiktion statt und haben international Aufmerksamkeit erregt. Seit 2000 entwickeln sie auf der Bühne und im Stadtraum ihr Experten-Theater, das nicht Laien sondern Experten des Alltags ins Zentrum stellt.

Im Mittelpunkt ihrer Arbeit steht die Weiterentwicklung der Mittel des Theaters,

ungewöhnliche Sichtweisen auf unsere Wirklichkeit zu ermöglichen. Den Proben zu den Stücken gehen umfangreiche Recherche- und Casting- und

Konzeptionsprozesse voraus, die ca. 2/3 des Arbeitsprozesses ausmachen.

Von ihren Stücken wurde „Shooting Bourbaki“ 2003 mit dem NRW-Impulse-Preis ausgezeichnet, „Deadline“ (2004) und „Wallenstein – eine dokumentarische Inszenierung“ (2006) wurden zum Berliner Theatertreffen eingeladen, „Schwarzenbergplatz“ 2005 für den Österreichischen Theaterpreis Nestroy nominiert. „Mnemopark“ wurde mit dem Jurypreis beim Berliner "Festival Politik im freien Theater" 2005 ausgezeichnet und „Karl Marx: Das Kapital. Erster Band“ gewann 2007 beim Festival Stücke07 sowohl den Publikumspreis als auch den Mülheimer Dramatiker Preis 2007. Im November 2007 erhielten Haug, Kaegi, Wetzel einen

Sonderpreis des Deutschen Theaterpreises DER FAUST, im April 2008 wurde ihnen in Thessaloniki der Europäische Theaterpreis in der Kategorie Neue Realitäten verliehen. "Call Cutta in a box" wurde mit einer Honorary Mention beim Prix Ars Electronica 09 (International Competition for Cyber Arts) in der Kategorie ‚Interactive Art ausgezeichnet.

RADIO MUEZZIN

Dokumentartheater von STEFAN KAEGI / RIMINI PROTOKOLL

In arabischer Sprache mit deutschen Übertiteln

Mit:

Abdelmoty Abdelsamia Ali Hindawy (Kairo)

Hussein Gouda Hussein Bdawy (Kairo)

Mansour Abdelsalam Mansour Namous (Kairo)

Mohamed Ali Mahmoud Farag (Kairo)

Sayed Abdellatif Mohamed Hammad (Kairo)

Konzept/Regie: Stefan Kaegi,

Komposition / Musik: Mahmoud Refat,

Video Design: Bruno Deville, Shady George Fakhry (Kairo),

Dramaturgie: Laila Soliman,

Bühnenbild: Mohamed Shoukry,

Licht Design / Techn.Leitung: Sven Nichterlein, Saad Samir Hassan (Kairo), Regieassistenz/Performance: Dia Deen Helmy Hamed,

Video Operator: Bodo Gottschalk,

Produktionsleitung: Katinka Vahle, Juliane Männel Lana Mustaqh (Kairo),

Tour Management: Samah Samir, Mohamed Sleiman,

Übersetzung/Übertitel: Ahmed Said, Ebtihal Shedid, Bassant Hassan

Eine Produktion von HAU Berlin und Goethe-Institut Ägypten. In Koproduktion mit Athens Festival, Bonlieu Scène nationale Annecy, Festival d’Avignon, steirischer herbst festival (Graz) und Zürcher Theater Spektakel. Gefördert durch die Kulturstiftung des Bundes, Pro Helvetia, Schweizer Kulturstiftung und den Regierenden Bürgermeister von Berlin Senatskanzlei Kulturelle Angelegenheiten. In Zusammenarbeit mit El Sawy Culturewheel, Kairo.

Vorstellungsbeginn: 20 Uhr

Dauer: ca. 80 Min. / Preise: CHF 48.– / 24.– ermässigt

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