Kurz: Die Bewohner sind einsam, unzufrieden und alle wollen nichts weiter als ein klein wenig Glück, das ihnen den Alltag versüßt. Mittelpunkt dieses Hauses ist das asiatische Restaurant „Der goldene Drache“. In der beengten Küche arbeiten fünf Asiaten wie am Fließband. Einer von ihnen, ein junger Chinese ohne Aufenthaltsgenehmigung, hat fürchterliche Zahnschmerzen. Ohne Umstände wird ihm mit einer Rohrzange der kariöse Zahn gezogen, der versehentlich in der Suppe einer Stammkundin landet, die ihn beinahe verschluckt. Dieses scheinbar banale Ereignis ist der Auftakt zu einer rätselhaften und unendlich traurigen Geschichte. Denn eines Tages erzählt jemand die nahezu brechtsche Parabel von einer hungrigen Grille, die im Winter zum Opfer einer geschäftstüchtigen Ameise wird, und die den ganzen dunklen Winter von den anderen Ameisen missbraucht wird.
Jetzt verweben sich die kleinen Geschichten aus dem Mikrokosmos des Mietshauses zu einem Kaleidoskop unserer Gesellschaft mit einem bitteren Beigeschmack. Durch das filmische Mittel der short-cut-Montage, 5 SchauspielerInnen, die in insgesamt 17 Rollen schlüpfen und mit schnellen Perspektivwechseln lässt Schimmelpfennig die unterschiedlichen Geschichten miteinander kommunizieren. Plötzlich erweisen sich diese als gar nicht mehr so harmlos, und es entsteht ein Stück, das tief berührt.
„Auslöser für das Stück waren zwei Begegnungen: Die eine morgens um neun zufällig auf der Straße mit einem Rechtsanwalt aus dem Freundeskreis, der mich darauf ansprach, ob ich mir nicht vorstellen könnte, etwas über illegale Einwanderer in Deutschland zu schreiben - … Mit den Verhältnissen in den [Abschiebe-] Gefängnissen habe ich mich dann tatsächlich genauer beschäftigt, fand es aber zu komplex, die unterschiedlichen Hintergründe - … - in einem einzigen szenischen Rahmen abzubilden. Diese Schwierigkeiten führten zu der entscheidenden Überlegung: Wie kann man als deutscher Theatermacher diesem Thema gerecht werden? Eine schwierige, aus meiner Sicht mit den normalen Theatermitteln so nicht zu lösende Aufgabe“ (Roland Schimmelpfennig)
Roland Schimmelpfennig, geboren 1967, ist mit 27 Stücken seit 1996 der derzeit meistgespielte Gegenwartsdramatiker Deutschlands. „Der goldene Drache“ ist das deutschsprachige Stück des Jahres 2010, vom Autor als Regisseur in Szene gesetzt am Wiener Burgtheater. Seine Stücke werden in über 40 Ländern aufgeführt. In der Spielzeit 2002/2003 wird am Schauspiel des Badischen Staatstheaters Karlsruhe sein Stück „Vorher/Nachher“ in der Regie von Donald Berkenhoff erfolgreich gezeigt.
Regie: Robin Telfer | Bühne: Siegfried E. Mayer | Kostüme: Tanja Liebermann | Musik: Nina Wurman
Mit: Olaf Becker (Ein junger Mann, Der Großvater, ein Asiat, die Kellnerin, die Grille), Eva Derleder (Eine Frau über sechzig, die Enkeltochter, eine Asiatin, die Ameise, der Lebensmittelhändler), Barbara Behrendt (Eine junge Frau, der Mann mit dem gestreiften Hemd, ein Asiat mit Zahnschmerzen, der Barbiefucker), Hannes Fischer (Ein Mann über sechzig, ein junger Mann, ein Asiat, die zweite Flugbegleiterin), André Wagner (Ein Mann, die Frau in dem Kleid, ein Asiat, die erste Flugbegleiterin), Nina Wurman (Musikerin)
Weitere Vorstellungen: 19.3. und 26.2.2011