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Schauspielhaus Bochum zeigt "Peer Gynt" von Henrik Ibsen als Online-Premiere

Samstag, 24. April, um 19.30 Uhr

Ich. Ein schmales Wort, ständig verfolgt, begehrt, aufgeladen, konstruiert, determiniert. Und immer auf der Flucht. Wer ist das: Ich? Peer Gynt, einer der prominentesten (Traum-)Reisenden der europäischen Literatur, ist ein unsterbliches altes Kind, Legenden entsprungen. Von Henrik Ibsen wird er durch Zeiten und Welten geschickt, um sich selbst, seinen Kern zu finden.

Copyright: Matthias Horn

Die Flucht, die Peer von seinem norwegischen Dorf aus antritt, dem sozialen Nichts davoneilend, um endlich ein Jemand zu werden, Kaiser am besten, führt ihn zu Trollen und Kranken, zu Affen und Sklaven, durch die Wüste und aufs Meer. Einen Lebensentwurf nach dem anderen streift er ab wie die Schlange die Häute, nach jedem Scheitern ersteht er an neuem Ort wieder auf. Ein ruheloser Weltdurchquerer, (fast) unsterblicher Ego-Shooter ist er, festgelegt nur in seinem unverbrüchlichen Credo: Um mich muss es sich drehen, mein ganzes Leben. Seine Reise – ein großer Budenzauber, ein verzweifeltes Erlebnis-Zapping, eine Ansammlung von hybriden Ich-Entwürfen und Gesten des Menschenverschleißes, die um ein schwarzes Loch kreisen: Wer ist Peer?

In Peer Gynt steckt das – männlich geprägte – Prinzip einer marktliberalen Welt, die in jeden Winkel grapscht, alles auf seinen Mehrwert prüft, zum eigenen Vorteil benutzt und dann verwirft. Doch zugleich handelt Ibsens Phantasmagorie von einem sozial Deklassierten, der sich in verschwenderischen Lügen und Wegwerfgesten dem Gesetz seiner Welt anpasst und einen Umweg nach dem andren nimmt, um zur Erkenntnis zu kommen – denn "das Paradies ist verriegelt und der Cherub hinter uns; wir müssen die Reise um die Welt machen und sehen, ob es vielleicht von hinten irgendwo wieder offen ist" (Heinrich von Kleist).

Der Regisseur Dušan David Pařízek, der zuletzt am Schauspielhaus Bochum Iphigenie nach Euripides und Elfriede Jelinek inszenierte, entlarvt in Peer Gynt männliche Herrschaftsgesten, torpediert feste Geschlechtergrenzen und schüttelt mit einem Schauspiel-Ensemble rund um Anna Drexler in der Titelrolle und mit viel Musik das Stück einmal kräftig durch. Selbst der westliche Dramenkanon kommt nicht ungeschoren davon.

Peer Gynt
nach Henrik Ibsen
unter Verwendung eines Interviews mit der ghanaischen Autorin Ama Ata Aidoo und eines Abgesangs auf den westlichen Dramenkanon von Anne Rietmeijer

    Regie, Bühne: Dušan David Pařízek
    Kostüme: Kamila Polívková
    Mitarbeit Kostüme: Mara Zechendorff
    Musik: Peter Fasching
    Lichtdesign: Bernd Kühne
    Dramaturgie: Angela Obst

    Peer Gynt: Anna Drexler
    Aase / Herr von Eberkopf: Michael Lippold
    Solveig: Anne Rietmeijer
    Matz Moen, der Bräutigam / Hoftroll / Junge / Master Cotton / Kapitän: Lukas von der Lühe
    Die Grüngekleidete / Monsieur Ballon / Koch: William Cooper
    Der Dovre-Alte / Anitra: Mercy Dorcas Otieno
    Trolljungfer / Begriffenfeldt / der fremde Passagier / Knopfgießer: Konstantin Bühler

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