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SchauSpielHaus Hamburg öffnet mit zwei Uraufführungen

ab 5/6/2021

Die Uraufführung von Elfriede Jelineks »LÄRM. BLINDES SEHEN. BLINDE SEHEN!« in der Regie von Karin Beier eröffnet den Spielbetrieb im Großen Haus. Das Stück spielt, aktueller geht es nicht, mit Fakten und Fiktionen rund um die Covid-19-Pandemie.

 

 

Copyright: Matthias Horn

Zuvor kann Christoph Marthalers ursprünglich für Dezember 2020 geplante Uraufführung von »Die Sorglosschlafenden, die Frischaufgeblühten«, eine Hölderlin-Betrachtung übergehend in Musik von Carl Friedrich Abel, Johann Sebastian Bach und vielen anderen, am 29/5 im MalerSaal vor einem kleinen Publikum gezeigt werden.

LÄRM. BLINDES SEHEN. BLINDE SEHEN!
von Elfriede Jelinek
Uraufführung am 5/6/2021 um 19.30 Uhr im SchauSpielHaus
 
Seit der Covid-19-Pandemie boomt das Leben in den digitalen Medien: Lärm, das ist der Wortschwall an Nachrichten, Reden, Erklärungen, Gerüchten, Theorien und Verschwörungsmythen, der uns im Zusammenhang mit der Pandemie täglich überschwemmt. Kunst ist, wie Elfriede Jelinek aus dieser Kakophonie streitender Stimmen ein Netz bemerkenswerter Korrespondenzen spinnt. Beispielsweise wird in all dem Gerede, das unaufhörlich nach Ursachen, Wirkungen und Wahrheiten der Katastrophe fragt, die Hybris des Menschen, der die Natur unaufhörlich schändet, weitgehend verdrängt. Auch Bilder verschwimmen in Jelineks brillanter Komposition: So überblendet sie eine der berühmtesten Orgien der antiken Literatur, das Gelage bei der Zauberin Kirke, die Odysseus’ Gefährten in Schweine verwandelt, mit der hemmungs-losen Welt der Superspreader von Ischgl, die das Corona-Virus in ganz Europa verbreiteten. Mit unverschämten Witz lässt Jelinek die Schrecken der Pandemie immer wieder in groteske Bilder umschlagen, so dass die Frage bleibt: Gehen in dieser apokalyptischen Landschaft der Blinden und Tauben nicht alle Wahrheiten in einem freiwillig – unfreiwilligen Gelächter zu Bruch?
 
Es spielen: Josefine Israel / Jan-Peter Kampwirth / Eva Mattes / Angelika Richter / Lars Rudolph / Maximilian Scheidt / Ernst Stötzner / Julia Wieninger // Musiker: Lukas Fröhlich / Sebastian »Johnny« John / Stefan Pahlke
 Regie: Karin Beier / Bühne: Duri Bischoff / Kostüme: Wicke Naujoks / Musik: Jörg Gollasch / Video: Severin Renke / Licht: Annette ter Meulen / Choreografische Mitarbeit: Altea Garrido / Körpertraining: Valentí Rocamora i Torà / Dramaturgie: Rita Thiele
 Weitere Vorstellungstermine am 10/6, 11/6, 19/6, 20/6, 23/6 und 24/6 jeweils um 19.30 Uhr im SchauSpielHaus. Der Vorverkauf startet am 28/5.

***
 
DIE SORGLOS SCHLAFENDEN, DIE FRISCHAUFGEBLÜHTEN
von Christoph Marthaler mit Texten von Friedrich Hölderlin
Musik: Carl Friedrich Abel, Johann Sebastian Bach, Ludwig van Beethoven, Sergei Rachmaninow, Franz Schubert, Robert Schumann, Carl Maria von Weber
Alle gesprochenen Texte: Friedrich Hölderlin
 Uraufführung am 29/5/2021 um 19.30 Uhr im MalerSaal
 
„Wie war denn ich? War ich nicht wie ein zerrissen Saitenspiel? Ein wenig tönt ich noch, aber es waren Todestöne.“
Hölderlin, »Hyperion«
 
Es gibt neben dem Dichtergenie und neben dem Wahnsinnigen auch einen fast alltäglichen Hölderlin, der mit den Widersprüchen des Daseins kämpft, der sein Leben nicht im Griff hat und in seiner Verzweiflung Dinge zu Papier bringt, die uns in ihrer schlichten, wenn auch manchmal schwindelerregenden Einfachheit ganz direkt ansprechen und fesseln.
Im profanen Scheitern, in den kleinen und großen Fehlschlägen, aber auch in Hirn zermarternden Denkanstrengungen, die vor keiner Paradoxie zurückschrecken, bewegen sich »Die Sorglosschlafenden, die Frischaufgeblühten« in Christoph Marthalers Hölderlinbetrachtung, tapfer, ergeben und verschwindend, übergehend in Töne, in Musik. Sie wirken wie Illustrationen der Klagen des Dichters, aber sie sind keine Illustrationen, sie sind einfach. „Wir wohnen hier unten einsam und arm, wie der Diamant im Schacht.“
Um diese so gegenwärtige Erfahrung der sozialen Distanz und der Abkapselung selbst zu spüren, brauchen wir keine Corona-bedingte Isolation, wir brauchen nur ein bisschen Hölderlin. Oder anders ausgedrückt: Die Coronaregeln formulieren ein Extrem, das für Hölderlin ein ganz unvermeidlicher Teil moderner Tragik ist. „Das ist das Tragische bei uns, dass wir ganz still in irgendeinen Behälter eingepackt, vom Reich der Lebendigen hinweggehen, nicht, dass wir in Flammen verzehrt, die Flamme büßen, die wir nicht zu bändigen vermochten.“ (Carl Hegemann)
 
Es spielen: Bendix Dethleffsen / Josefine Israel / Sasha Rau / Lars Rudolph / Samuel Weiss / Martin Zeller
 
Regie: Christoph Marthaler / Bühne: Duri Bischoff / Kostüme: Sara Kittelmann / Licht: Annette ter Meulen / Idee und künstlerische Beratung: Carl Hegemann / Dramaturgie: Malte Ubenauf
 Koproduktion mit dem Schauspielhaus Zürich und der Akademie der Künste Berlin / gefördert durch den Hauptstadtkulturfonds
 Weitere Vorstellungen am 30/5 und 6/6 jeweils um 16.00 Uhr und 20.00 Uhr sowie am 7/6 und 12/6 jeweils um 20.00 Uhr im MalerSaal. Der Vorverkauf startet am 28/5.
 
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Außerdem ist für den 1/6 die Premiere des ersten Teils der Produktion »Ecco Homo oder: Ich erwarte die Ankunft des Teufels« mit Samuel Weiss in der Regie von Max Pross im RangFoyer geplant.
 
Angesichts der gegenwärtigen Lage wird in verantwortungsvollen Schritten wiedereröffnet: So finden im Mai/Juni nur an ausgewählten Wochentagen Vorstellungen statt. Außerdem sorgt – in Abstimmung mit den Behörden – ein umfassendes Präventionskonzept für die gesundheitliche Sicherheit des Publikums und der Beteiligten. Das Konzept sieht neben Abstandsregeln und Kontaktverfolgung auch eine Maskenpflicht im gesamten Haus sowie die Vorlage eines tagesaktuellen, negativen Schnelltests vor. Da die letzten Parameter, u. a. die Sitzordnung im Saal, in den kommenden Tagen noch geklärt werden, startet der Vorverkauf erst am Freitag, den 28/5. Dann werden auch der komplette Spielplan bis zum Beginn der Sommerpause Ende Juni sowie alle Details zum Präventionskonzept auf der Website des SchauSpielHauses veröffentlicht.
 

 

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