Im Thalia in der Gaußstraße folgen drei Premieren dicht aufeinander: Stefan Bachmann inszeniert ‚Liebe Kannibalen Godard’ von Thomas Jonigk am 19. September, wenige Tage später haben ‚Die Präsidentinnen’ von Werner Schwab in der Regie von Isabel Osthues Premiere (23. September), die auf den Bregenzer Festspielen bereits am 17. August zu sehen sind. Und die Reihe ‚Glück in Hamburg’ geht mit der Premiere von ‚Swingers.’, einem live improvisierten Gesellschaftsspiel, am 22. September in die zweite Runde.
Zum Programm:
AUSLÖSCHUNG. EIN ZERFALL
nach dem Roman von Thomas Bernhard
Premiere am 16. September um 20 Uhr im Thalia Theater
„Zersetze mich, vernichte mich, lösche mich aus!“
‚Auslöschung’ ist Thomas Bernhards opus magnum, die Summe seines literarischen Schaffens, sein Vermächtnis. Und um ein solches Erbe geht es auch in dem Roman: Der in Rom lebende 46jährige Privatgelehrte und Schriftsteller Franz-Josef Murau erhält ein Telegramm, in dem ihm der Unfalltod seiner Eltern und seines Bruders mitgeteilt wird. Eine Vergangenheit, eine Familiengeschichte, eine Heimat holt ihn ein, mit der er abgeschlossen zu haben glaubte. Murau macht sich daran, das Erbe seiner Kindheit aufzulösen, es abzustoßen. Doch je manischer er an seiner Auslöschung arbeitet, desto mehr holt ihn das Gewesene ein.
Die Versteigerung des Nachlasses der Muraus ist der Moment der Vergegenwärtigung und Trennung von allem, was war. In dem Moment, in dem die in den Dingen abgelagerte Vergangenheit unter den Hammer kommt, scheint sie erledigt: Wolfsegg, sein Elternhaus, sein Herkunftsort, vor dem er sein Leben lang geflüchtet ist. Doch für Franz-Josef Murau kommt mit den Kisten und Kasten des Inventars auch das Unbewältigte auf die Auktionsbühne. Er wird zum Zauberlehrling dieser Nachlassversteigerung: Die Geister, die er rief, wird er nicht mehr los. Und die Gestalten des Auktionsalltags verwandeln sich für Momente in Wiedergänger seiner Vergangenheit.
Die Regisseurin Christiane Pohle hat eine so eigene wie zwingende Bilderwelt für Thomas Bernhards Roman gefunden, der zu den wichtigsten Werken der Weltliteratur gehört.
Regie Christiane Pohle
Bühne Annette Kurz
Kostüme Katrin Lea Tag
Musik Rainer Süßmilch
Dramaturgie John von Düffel, Malte Ubenauf
Es spielen Andreas Lechner, Axel Olsson, Thomas Schmauser, Asad Schwarz-Msesilamba, Rainer Süßmilch, Victoria Trauttmansdorff
Der Tartuffe von Molière
A-Premiere am 27. September um 20 Uhr im Thalia Theater
B-Premiere am 28. September um 20 Uhr im Thalia Theater
Er kommt aus der Fremde, er sieht und er predigt. Und erlöst durch Frömmigkeit, moralische Strenge und religiösen Eifer Orgon, einen reichen Bürger, von Überdruss und Verzweiflung. Dankbar nimmt dieser Tartuffe in sein Haus auf. Dass dessen Tugendhaftigkeit bloße Maske ist, hinter der sich ein skrupelloser Verbrecher verbirgt, davon will Orgon nichts wissen. Im Gegenteil: Er ist nicht nur entschlossen, seine Tochter Mariane mit Tartuffe zu verheiraten, sondern bietet auch an, ihm sein Vermögen zu überschreiben. Orgons Familie, aufs angenehmste im Wohlstand eingerichtet, formiert sich. Ihr droht der Ruin. Als Elmire, seine Frau, Orgon vor Augen führt, dass Tartuffe ihr mehr als eindeutige Avancen macht, bricht der Patriarch zusammen. Doch es scheint bereits zu spät: Die Schenkung ist rechtmäßig, Tartuffe der Eigentümer des Hauses.
Sinnsuche und Fanatismus, Langeweile und animalische Triebe, Klassenschranken und die Gier nach Besitz: Dimiter Gotscheff entdeckt in Molières ‚Tartuffe’ eine zutiefst pessimistische Analyse der bürgerlichen Gesellschaft, begleitet von einem höhnischen Gelächter, das aus den innersten Eingeweiden emporzusteigen scheint.
Regie Dimiter Gotscheff
ühne Katrin Brack
Kostüme Barbara Aigner
usik Sir Henry
Dramaturgie Claus Caesar
Es spielen Anna Blomeier (Mariane), Andreas Döhler (Damis), Paula Dombrowski (Elmire), Norman Hacker (Tartuffe), Peter Jordan (Orgon), Ole Lagerpusch (Valère), Helmut Mooshammer (Cleante), Judith Rosmair (Dorine), Angelika Thomas (Pernelle)
Weitere Vorstellungen am 4. und 14. Oktober, jeweils um 20 Uhr
THALIA in der Gauss.strasse
Deutsche Erstaufführung
LIEBE KANNIBALEN GODARD
von Thomas Jonigk, frei nach dem Film ‚Week-End’ von Jean-Luc Godard
Premiere am 19. September um 20 Uhr im Thalia in der Gaußstraße
„Der Mensch der Gegenwart ist eine Ware, eine Ware, die konsumiert und deshalb produziert werden muss. Ware konsumiert Ware, das ist abartig, das ist staatlich, das ist Kannibalismus. Das könnt ihr haben.“
Corinne und Roland, ein wohlhabendes junges Paar, fahren übers Wochenende von der Stadt aufs Land. Ziel ist Oinville, wo Corinnes Vater im Sterben liegt. Um an das Millionenerbe zu gelangen, sind den beiden alle Mittel recht - von der einfachen Intrige bis zu den diffizilsten Mordversuchen. Doch ihr Weg wird zu einer Odyssee durch eine Schreckenswelt: Menschen am Rande der Zurechnungsfähigkeit setzen jede geltende Regel außer Kraft, Massenkarambolagen, Hinrichtungen, Gewalt und Zerstörung haben die Zivili-sation erobert.
Dieses ‚Wochen-Ende’ wird zu einer Geschichte des Untergangs. Den hochgezüchteten, markenbewussten Städtern schwindet das Menschsein mühelos, ihr Weg endet in Selbstzerstörung und Kannibalismus. Es ist nur ein kleiner Schritt von der zivilisierten Welt in die Barbarei. In grotesken Szenen, seltsamen Bildern, bizarren Gestalten zeigt sich die Absurdität einer sich in Sicherheit wähnenden Gesellschaft, die Labilität ihres komplexen Systems.
Regie Stefan Bachmann
Dramaturgie Sonja Anders
Es spielen Melanie Kretschmann, Markwart Müller-Elmau, Sean McDonagh, Jan Georg Schütte, Stephan Schad, Renato Schuch, Natali Seelig
Weitere Vorstellungen am 24. September um 19 Uhr und 28. September um 20 Uhr
DIE PRÄSIDENTINNEN on Werner Schwab
Premiere am 23. September um 20 Uhr im Thalia in der Gaußstraße
„Der Glaube ist die einzige Brücke über dieses Tal der Tränen.“
Sie heißen Erna, Grete und Mariedl und sind die „Präsidentinnnen“. Sie sitzen in der Küche - der Papst erteilt im Fernsehen gerade den urbi-et-orbi-Segen - und halten Monologe. Sie erklären die Welt und plötzlich fangen sie an zu phantasieren, was das Leben als Belohnung für sie bereit halten könnte: Erna, die Sparweltmeisterin, Grete, das lustige Luder und Mariedl, die fleißige Seele, die alle Aborte auch ohne Handschuhe reinigt. In ihrem Größenwahn steigern sich die drei - ins Monströse vergrößerten - Kleinbürgerinnen in eine rauschhafte Traumvision hinein. Doch als Mariedl beginnt, die Lebenslügen der Pensionistinnen aufzudecken, muss soviel Wahrheit gerächt werden.
Nicht umsonst zählt das Stück des Grazer Radikaldramatikers Werner Schwab (1958-1994) mit diesen drei bösartig aber zugleich auch extrem liebevoll gezeichneten weiblichen Paraderollen zu seinen meist gespielten.
Regie Isabel Osthues
Bühne und Kostüme Sigi Colpe
Es spielen Leila Abdullah, Verena Reichhardt, Victoria Trauttmansdorff
GLÜCK IN HAMBURG 2
WINGERS 2
Ein Gesellschaftsspiel. Live-Improvisation nach einer Idee von Jan Georg Schütte.
Ein Projekt im Rahmen der Reihe ‚Glück in Hamburg 2’
Premiere am 22. September um 20 Uhr im Thalia in der Gaußstraße
am Tag nach dem Kinostart des Filmes ‚Swinger Club’ wird die Geschichte weitergesponnen, ohne Schnitte, mit dem Swinger Club-Ensemble, als Fortsetzungsgeschichte, Theater pur. Die Ausgangssituation ist eine ganz alltägliche: die fünf Freunde treffen sich immer mal wieder reihum zum Essen mit anschließendem Fernsehabend. Dass es dann nie so nett und harmlos abläuft wie geplant, liegt an den vielfältigen Verstrickungen des Freundeskreises.
Mit ‚Swingers’ wollen Jan Georg Schütte und seine Spieler das Prinzip, nach dem der Film ‚Swinger Club’ entstand, live auf der Bühne erproben. Der Start mit ‚Swingers 1’ im vergangenen Januar im Thalia in der Gaußstraße war vielversprechend. In der neuen Spielzeit sind in lockeren Abständen weitere Folgen geplant. Verständnisschwierigkeiten sind nicht zu befürchten. Zu Beginn jeder Vorstellung wird das Publikum über die Spielregeln und Beziehungsstränge aufgeklärt und erfährt - im Gegensatz zu den Schauspielern - welch teuflischen geheimen Spielanweisungen der Autor den einzelnen Spielern dieses Mal mit auf den Weg gegeben hat. Besondere Überraschungen für alle Beteiligten vorbehalten.
Konzeption, Leitung Jan Georg Schütte
Ausstattung Oliver Helf
Mit Stephan Schad, Susanne Wolff, Oliver Sauer, Ole Schlosshauer, Anne Weber
Zu „Gesellschaftsspielen“ hatte der Schauspieler und Regisseur Jan Georg Schütte an zwei Nachmittagen im Sommer 2005 fünf Schauspielkollegen in sein Haus in der schleswig-holsteinischen Marsch eingeladen. Jedes Mal galt es, unter guten Freunden ein Fest zu feiern. Ausgerüstet mit ausführlichen Rollenbeschreibungen und höchst geheimen individuellen Spielauf-gaben stürzten sich die Schauspieler in ein dramatisches Spiel, das von mehreren Kameras dokumentiert wurde - ohne Unterbrechung, ohne Wieder-holung. Nach einem halben Jahr Schnitt entstand aus dem Material ein 90-minütiges Kammerspiel, das bei ersten Previews im Thalia in der Gaußstraße für Furore sorgte. Nach der Uraufführung im Januar 2006 beim renommierten Max Ophüls Festival in Saarbrücken und dem Spezialpreis der Jury beim Ludwigshafener „Festival des Deutschen Films“ kommt ‚Swinger Club’ am 21. September 2006 (Premiere im Hamburger Abaton) bundesweit in die Kinos.
Mit Marie Bäumer, Oliver Sauer, Stephan Schad, Juri Schrader, Ole
Schlosshauer, Anne Weber, Susanne Wolff
Regie Jan Georg Schütte