Einmal noch genießt er dabei die Fülle seiner Macht – doch Cordelia, seine jüngste und geliebteste Tochter, stellt sich nun gegen ihn, sie kann den Wettbewerb der Heuchler am Hof nicht länger ertragen. Daraufhin wird Cordelia von Lear enterbt – und der langjährige Getreue Kent, der dagegen protestiert, sofort verbannt.
Doch Lears Plan, nun abwechselnd bei seinen anderen beiden Töchter Goneril und Regan zu leben, wird von ihnen nicht geduldet. Sie demütigen und verjagen ihn. In Fetzen irrt der alte Lear über die weiten Felder Britanniens, die einst sein Königreich waren. Er steht vor den Trümmern seines Lebens.
Diesen Handlungsstrang begleitet parallel eine Geschichte, die ebenfalls vom Verrat zwischen Eltern und Kindern erzählt: Lears Getreuer Gloster gerät in eine Intrige, die sein unehelicher Sohn Edmund anstiftet, um an die Position seines Halbbruders Edgar zu gelangen. Edmunds Plan gelingt: Edgar muss fliehen – als nackter Bettler streift er durchs Land, bis er schließlich seinem Vater begegnet. Der allerdings kann ihn nicht mehr erkennen – Gloster wurde geblendet, von Regan, Goneril und ihren Getreuen, die in dem machtversessenen Edmund ein ideales Werkzeug ihrer Pläne erkennen.
Eine Sonnenfinsternis liegt über dem Stückgeschehen, wie die Figuren immer wieder feststellen, und wenn der Mond scheint, dann zeigt er Mördern den Weg: Die Natur hat sich verkehrt in Shakespeares „König Lear“. Geschwister verraten sich, Eltern ihre Kinder, Kinder ihre Eltern. Figuren der Extreme bevölkern dieses Stück, die für ihre Ziele zu allem bereit sind.
Konsequent wie selten verdichtete Shakespeare die großen Themen von Liebe und Hass, Treue und Verrat zu einem seiner dunkelsten und elementarsten Stücke – und fand dabei Bilder, Figuren und Situationen, die für alle Zeit unter die Haut gehen.
Schauspieldirektor Enrico Lübbe wird diesen alten, doch stets aktuellen und zentralen Text erzählen im vollen Vertrauen auf die Kraft des Theaters: Auf einem schlichten Holzspielfeld stehen die Schauspieler, fast das gesamte Ensemble, und Shakespeares Geschichte, in der direkten und unmittelbaren Übersetzung von Werner Buhss, im Mittelpunkt. Unterstützt werden sie von einem der besten Theatermusiker des deutschsprachigen Raumes – Bert Wrede, der nach „Glaube Liebe Hoffnung“ erneut für eine Arbeit in Chemnitz gewonnen werden konnte.
Regie: Enrico Lübbe
Bühne und Kostüme: Michaela Barth
Musik: Bert Wrede
Es spielen: Bernd-Michael Baier (Lear, König von Britannien), Dirk Lange (Kent), Tilo Krügel (Gloster), Wenzel Banneyer (Edmund), Constantin Lücke (Edgar), Ulrike Euen (Goneril), Daniela Keckeis (Regan), Caroline Junghanns (Cordelia), Urs Rechn (Herzog von Cornwall), Michael Pempelforth (Herzog von Albany), Guido Schikore (Oswald), Karl Sebastian Liebich (König von Frankreich), Bernhard Conrad (Herzog von Burgund)