Zwei Orte, die minimalistisch und raumlos sind. In Tanzcafé Treblinka ist nichts ohne hypothetisch geordnete Unordnung. Das Nebeneinander der Seinswelten, die sprach-musikalische Wiederholung der Worte oder die akribische Schichtung der Ereignisse: das sind Werner Koflers Werkzeuge für einen Text über die alten Verbrechen in neuen Spielformen, für einen Text, für den er die Begebenheiten kaum erfinden muss. Es gibt den Kriegsverbrecher, der nach dem Krieg ungestraft bleibt und jahrelang das Tanzcafé Lerch in Klagenfurt betreibt; es gibt die Beachvolleyball Weltmeisterschaft, die die Köpfe besetzt und riesige öffentliche Gelder verschlingt.
Das eingebildete Nichtgewussthaben und das beschränkte Nichtwissenwollen treffen in der Form einer älteren und einer jüngeren Figur zusammen. Die Ältere doziert mit einer Genauigkeit über die Heldentaten während der Einsätze für den Führer und über die Einzelheiten der Vernichtungslager.
Sie schwärmt erhaben lächelnd über die "genussvollen Abende in einer entbehrungsreichen Zeit". Die darauf folgende Rede der jüngeren Figur bezeugt das starrköpfige Desinteresse und die ignorante Verachtung, die diese der Vergangenheit entgegenbringt. Sie beschwört stumpfsinnig und aufmüpfig die heiligen Events ihrer dynamischen Generation; repetiert gleichsam die Codes eines hysterisierten Vergnügungssystems und einer kanalisierenden Ablenkungsmaschinerie.
Tanzcafé Treblinka liest sich wie eine Lektion in Geschichte. Werner Kofler unterlegt das Dokumentarische mit zwei Kunstfiguren und ihren komplementären Denkhaltungen, von denen man sich nicht so einfach distanzieren kann. Es wäre zu einfach, die beiden als den "Ewiggestrigen" und
den "Jung-Nazi" zu bezeichnen; sie stehen vielmehr für einen ambivalenten Umgang mit Sprache in Bezug auf Geschichte. Die subtil lächerlichen Verschiebungen der älteren Figur und sein Umdeuten von historischen Fakten finden sich auch im Kulturteil angesehener Zeitungen und erinnern an salonfähige Sprachhaltungen, die die NS-Verbrechen relativieren. Auch das emotional herausgeschrieenen "Genug" der jüngeren Figur wird oft schnell bemüht und weißt auf die immer noch existierende Ratlosigkeit, sich mit belasteter Vergangenheit auseinanderzusetzen, hin.
Das Stück wurde 2001 am Klagenfurter Stadttheater unter der Intendanz von Dietmar Plegerl in einer Inszenierung von Vera Sturm uraufgeführt und von der internationalen Kritik begeistert aufgenommen, seither jedoch nicht mehr produziert.
Werner Kofler wurde am 23. Juli 1947 in Villach / Kärnten geboren. Nach einer in den frühen 1960er Jahren abgebrochenen Ausbildung an der Lehrerbildungsanstalt Klagenfurt reiste er jahrelang durch Europa und war in verschiedensten Berufen tätig. 1963 folgten seine ersten literarischen
Veröffentlichungen. Seit 1968 ist Kofler als freiberuflicher Schriftsteller (Prosa, Hörspiele, Drehbücher) tätig. Sein erster Bucherfolg folgte 1975 mit dem Prosaband "Guggile", einer Erzählung über das Aufwachsen und Erzogenwerden in der österreichischen Provinz der 1950er Jahre. Seitdem sind über 20 Bücher erschienen, darunter etwa der Roman "Konkurrenz" (1984) oder die Trilogie "Am Schreibtisch", "Hotel Mordschein" und "Der Hirt auf dem Felsen" (1988-1991) sowie “Tanzcafé Treblinka”, welches 2001 in Klagenfurt uraufgeführt wurde. 2008 wurde Dirk Nockers Hommage "Kofler kommt" im Wiener Schauspielhaus aufgeführt - eine Spurensuche nach Brüchen und Linien im umfangreichen Werk des widerständigen Autors. Werner Kofler lebt und arbeitet in Wien.
Inszenierung: Frederic Lion
Dramaturgie: Susanne Höhne
Raum & Video: Andreas Braito
Komposition &
Klangprojektion: Peter Böhm
Produktionsleitung: Martina Schmidt
Regieassistenz: Iris Harter
Ensemble: Erni Mangold
Hanno Koffler
Spieltermine: 27. - 30. Januar & 2. - 4. Februar 2010
Vorstellungsbeginn jeweils 20:00 Uhr
Zweite Spielserie in der ersten Märzhälfte 2010
Kartenverkauf:
t: +43 1 8900314
e: ticket@hamakom.at
w: www.hamakom.at
Abendkassa: 1 Stunde vor Vorstellungsbeginn