Eine »azione musicale« nannte Luciano Berio sein Musiktheater »Un re in ascolto« auf einen Text von Italo Calvino, das als Auftragswerk der Salzburger Festspiele ebendort 1984 zur Uraufführung kam und sichtbar inspiriert ist durch den Essay »L´Ecoute« des französischen Philosophen Roland Barthes. Die Gattungsbezeichnung des Werkes geschah absichtsvoll; Berios Wille war es, die knapp zwei Stunden Musik und Schauspiel, die im Grunde funktionieren wie ein Theater auf dem Theater und mit Prospero den federführenden Protagonisten aus Shakespeares Romanze »Der Sturm« präsentieren, mit einem traditionellen Begriff zu versehen, oder präziser: ihn damit zu fesseln.
Der horchende König, zentrale Figur in »Un re in ascolto«, ist ein Theatermensch wie er im Buche steht: eine Art Impresario alten Schlages, der seine Zeit damit verbringt, große Stimmen und eine außergewöhnliche Hauptdarstellerin für das Stück zu finden, welches er dann auf die Bühne zwingen will. Unermüdlich hört er sich den Vortrag der Kandidaten an, die mitsamt ihrer Entourage anreisen und für ein mächtiges Durcheinander sorgen. Doch zusehends verwandelt sich die Bühne in eine Art »Theatrum mundi«, sprich: in ein Theater, das die Welt selbst darstellt, wie sie real ist, mit den Menschen darin; Menschen, denen nichts anderes übrig bleibt, als in den Spiegel zu blicken. Die Folgen sind so eklatant wie berührend: Die Geschichte einer Inszenierung mutiert zu einer Geschichte der Gefühle. An deren Ende wird Prospero selbst zur tragischen Gestalt, weil er von allen, sogar von Gott, verlassen wurde.
(Jürgen Otten)
Paul Esterhazy war von 1993 bis 1996 Chefdramaturg am Staatstheater Darmstadt und anschließend an der Oper Bonn, wo er für die renommierte Reihe »bonne chance! Experimentelles Musiktheater« verantwortlich war. Von 2000 bis 2005 war er Generalintendant des Theaters Aachen. Er ist Gastprofessor für Musikdramatische Darstellung an der Universität für Musik und darstellende Kunst in Wien. Seit 1996 arbeitet Paul Esterhazy regelmäßig als Opernregisseur und ist dabei besonders an Werken des modernen Musiktheaters interessiert. Am Staatstheater Kassel inszenierte er bereits 2008 »Weder Noch. Musiktheater von den letzten Dingen« (Verdi: Requiem/Feldman: Neither), 2010 Aribert Reimanns Oper »Lear« und 2013 »Turn of the Screw« von Benjamin Britten.
Alexander Hannemann studierte Dirigieren an der Hochschule für Musik Hanns Eisler in Berlin. Bereits während seines Studiums leitete er zahlreiche Aufführungen, z. B. mit den Berliner Symphonikern, dem Filmorchester Babelsberg sowie der Kammerakademie Potsdam. Nach Stationen als Studienleiter und Kapellmeister in Wittenberg, als Dozent an der Royal Danish Opera Academy in Kopenhagen und als Repetitor mit Dirigierverpflichtung am Tiroler Landestheater Innsbruck arbeitete er seit der Spielzeit 2006/07 am Landestheater Linz als Kapellmeister und Korrepetitor. In dieser Funktion dirigierte er regelmäßig das Bruckner Orchester Linz und assistierte Dennis Russell Davies bei zahlreichen Produktionen. Zur Spielzeit 2009/2010 kam Alexander Hannemann als 2. Kapellmeister ans Staatstheater Kassel. Seit Oktober 2012 ist er hier Koordinierter 1. Kapellmeister.
In italienischer Sprache mit deutschen Übertiteln
Musikalische Leitung: Alexander Hannemann,
Inszenierung: Paul Esterhazy,
Bühne und Kostüme: Mathis Neidhardt,
Dramaturgie: Jürgen Otten,
Choreinstudierung: Marco Zeiser Celesti
Mit: Marc-Olivier Oetterli (Prospero), Markus Francke (Regisseur), Gunnar Seidel (Freitag), Anna Nesyba (Protagonistin), Lin Lin Fan (Sopran I), Bénédicte Tauran (Sopran II), Lona Culmer-Schellbach (Mezzosopran), Paulo Paolillo (Sänger, Tenor), Hansung Yoo (Sänger, Bariton), Hee Saup Yoon (Sänger, Baß), Nayeon (Kim Krankenschwester), Maren Engelhardt (Die Gattin Prosperos), Bassem Alkhouri (Arzt), Henning Leiner (Advokat), Walewein Witten (Ein Pianist, der singt), Christina Schönfeld (Ein Mime), Deniola Kuraja (Pianist, stumm), Staatsorchester Kassel, Opernchor und Statisterie des Staatstheaters Kassel
Nächste Vorstellungen: 30.5., 5.6., 19.6..