Auch wenn das Erscheinungsbild der Armut in Das Gemeindekind hässlich ist und die Menschlichkeit der Betroffenen gering erscheinen lässt, ist der Roman nicht den Prinzipien des Naturalismus geschuldet. Die Lage des Individuums ist nicht nur deterministisch eine Folge sozialer Umstände, der Einzelne mehr als ein Produkt ökonomischer Verhältnisse.
Anne Habermehls Das Gemeindekind ist keine Aktualisierung des Ebner-Eschenbach‘schen Werks, keine Adaption des Romans für die Bühne, sondern eine Neudichtung in Form eines Librettos. Ähnlich wie in Lars von Triers Film Dogville wird hier ein Modellfall durchgespielt: Titelheld Pavel wird, familiär vorgeprägt, zum Ausgestoßenen, droht in die Kriminalität abzustürzen. Habermehl geht der Frage nach, was mit einem Gemeindekind passiert, wenn das einstige Gemeindemodell nicht (mehr) existiert. Wie lässt sich ein solches Sujet beschreiben, wenn der Glaube an pädagogische Erzählformen obsolet geworden ist? Gerald Resch, einer der wesentlichen Protagonisten der österreichischen zeitgenössischen Musik, vertont das Libretto – eigens für das Schauspielhaus-Ensemble – als Singspiel. Es ist seine erste musiktheatralische Arbeit.
Anne Habermehl
geboren 1981 in Heilbronn. Studierte Szenisches Schreiben an der Universität der Künste Berlin. Stücke: u.a. Letztes Territorium (UA 2008, Thalia Theater Hamburg), Küss mich hinter Karstadt (UA 2009, Theater Chemnitz), Narbengelände (UA 2010, Theater Altenburg-Gera, in eigener Regie) und Belgrader Hund (UA 2013, Schauspiel Stuttgart). 2008 Teilnehmerin des Dramatikerworkshops des Theatertreffens Berlin und Preisträgerin des Werkauftrages. 2008/09 Stipendiatin des Autorenlabors am Düsseldorfer Schauspielhaus. Am Schauspielhaus Wien inszenierte sie in der Spielzeit 2012/13 ihre Stücke Luft aus Stein (UA 2013, eingeladen zu den Autorentheatertagen am Deutschen Theater Berlin sowie zum Prager Theaterfestival deutscher Sprache) sowie Wie Mücken im Licht (UA 2013). In der Spielzeit 2013/14 zeichnete sie als Hausautorin außerdem gemeinsam mit Felicitas Brucker für die Projektleitung der Serie Die Welt von Gestern nach Stefan Zweig verantwortlich.
Gerald Resch
geboren 1975 in Linz. Studierte Komposition und Musikwissenschaft in Wien, Köln und Graz (u.a. bei Michael Jarrell, York Höller und Beat Furrer). Längere Studienaufenthalte in Paris und Rom. Seit 2004 Universitätslehrer an der Anton-Bruckner-Privatuniversität Linz, seit 2008 außerdem Senior Lecturer an der Universität für Musik und darstellende Kunst Wien. 2006 bis 2014 war er Musikkurator im Kunstverein Alte Schmiede. Zahlreiche Auszeichnungen: u.a. Österreichisches Staatsstipendium für Komposition (2003), Anton-Bruckner-Stipendium des Landes Oberösterreich (2004), Wiener Symphoniker Stipendium (2007), Förderungspreis der Stadt Wien und Erste Bank Kompositionspreis (beide 2011) sowie Gewinner des Tonali Kompositionspreises Hamburg (2012).
Rudolf Frey
geboren 1983 in Salzburg. Inszenierungen: u.a. an der Staatsoper Stuttgart, der Welsh National Opera, dem Salzburger Landestheater sowie dem Südthüringischen Staatstheater Meiningen. 2013 erhielt er den Kurt-Hübner-Förderpreis für junge Regisseure der Deutschen Akademie der darstellenden Künste. Am Schauspielhaus Wien inszenierte er je eine Folge der Serien Die Strudlhofstiege (2008) und Kreisky – wer sonst? (2001) und war 2011/12 Projektleiter und Regisseur bei der Serie Schubert – Eine Winterwanderung.
Regie: Rudolf Frey
Bühne: Vincent Mesnaritsch
Kostüme: Elke Gattinger
Dramaturgie: Constanze Kargl
Mit
Franziska Hackl Vilska
Barbara Horvath Virgilova
Katja Jung Lehrerin
Florian von Manteuffel Peter
Thiemo Strutzenberger Pavel
und Mitgliedern des Ensembles PHACE