Die Geschichte sprang den Schriftsteller Silvio Huonder an, als er eigentlich noch gar kein Schriftsteller war. Ende der Siebzigerjahre stöberte der Mittzwanziger im Archiv der Bündner Kantonsbibliothek herum, auf der Suche nach historischen Zeugnissen zur hiesigen Pädagogik im 19. Jahrhundert. Dabei stiess er ganz zufällig auf einen kleinen Bericht in der „Churer Zeitung“ aus dem Jahr 1821. Von einem grausamen Verbrechen in der Bonaduzer Weihermühle war da zu lesen, einem Dreifachmord, der zum fünffachen wurde, als man feststellte, dass die zwei weiblichen Opfer schwanger gewesen waren.
Mehr als 30 Jahre bewahrte Huonder eine nach und nach verblassende Xerographie des Zeitungsartikels auf. Seine Erinnerung daran verblasste jedoch nicht. Im Gegenteil. Wie ein Täter an den Tatort kehrte Huonder, gereift an Jahren und vor allem als Autor, in das kantonale Archiv zurück – diesmal auf der Suche nach historischen Dokumenten rund um den Bonaduzer Mordfall. Und er wurde fündig. Denn in der Bibliothek lagern auch die alten Akten aus der Churer Zuchtanstalt Sennhof samt den handschriftlichen Protokollen, die der damalige Kantonsverhörrichter Baron Johann Heinrich von Mont im Zuge seiner Mordermittlungen anfertigen liess.
Waren Dämonen im Spiel?
Schattenhaft sind die Ereignisse geblieben, die sich in jener verhängnisvollen Julinacht 1821 in der Bonaduzer Mühle abspielten. Als Friedens- und Verhörrichter von Mont dazumal die Akten schloss, blieben ihm Zweifel über den Tathergang und den oder die wahren Täter. Trotz der Verhaftung dreier dringend verdächtiger Personen – darunter der mutmassliche Mörder, der sich nur bruchstückhaft an das Gemetzel erinnern konnte und schliesslich seinem Leben in einer Zelle des Sennhofes ein Ende setzte. Bis zuletzt hatte er behauptet, von Dämonen besessen zu sein.
Mit «Die Dunkelheit in den Bergen» gelang Huonder gleich dreierlei: ein Bündner Zeit- und Sittenbild des frühen 19. Jahrhunderts, ein packender Thriller sowie ein detaillierter Einblick in die Kinderstube Bündner Polizeiarbeit. Denn Johann von Mont – das beweisen die Akten – war massgeblich am Aufbau der Kriminalistik beteiligt in einem Kanton, dessen Gründung und Beitritt zur Eidgenossenschaft noch keine 20 Jahre zurücklag. Und er bediente sich bei der Aufklärung des Bonaduzer Verbrechens dazumal hochmoderner Methoden wie Tatortbegehung, Spurensicherung und penibler Zeugenbefragung. Zudem veranlasste Von Mont etwas, das heute längst zum Arsenal eines guten Krimis gehört: eine veritable Verbrecherjagd. Dazumal natürlich nicht im Grossstadtdschungel mit quietschenden Reifen, sondern hoch zu Ross mit klappernden Hufen durch finstere Täler, dichte Wälder und über zugige Pässe.
Huonders Roman (dessen Bündner Buchpremiere im Oktober 2012 übrigens im Theater Chur stattfand) faszinierte den Schauspieler und Regisseur René Schnoz unmittelbar. Kurz nach der Lektüre habe er die Idee zur Theateradaption gehabt. Auf Nachfrage gab Huonder nicht nur grünes Licht für das Projekt, sondern er versprach, die Bühnenfassung gleich selber auszuarbeiten. Für den Autor kein Neuland. Schliesslich gehörte er in den Neunzigerjahren zu den ersten Absolventen des Studiengangs «Szenisches Schreiben» an der Berliner Hochschule der Künste – unter den Fittichen so illustrer Dozenten wie Heiner Müller und Tankred Dorst. Und überdies zählen zu Huonders umfänglichem OEuvre neben Romanen und Erzählungen auch Hörspiele, Drehbücher und Theaterstücke sowie das Bündner Freilichtspiel «rAmurs», das im vergangenen Sommer in Andeer zu sehen war. Schatten der Vergangenheit
Regie: René Schnoz
Szenische Fassung: Silvio Huonder
Bühne / Licht / Projektionen: Angela Wüst, Micha Bietenhader
Live-Zeichner: Nicolò Krättli
Kostüme: Ursina Schmid
Live-Musik: Andi Schnoz
Produktionsleitung / Regieassistenz: Iris Peng
Produktion: Die Kollaborateure
Koproduktion: Theater Chur
Mit: Petra Auer, Thomas Beck, Kurt Grünenfelder, Fabienne Heyne, Nikolaus
Schmid, Gian Rupf
Weitere Aufführungen
TAK Theater Liechtenstein Schaan Do 2. Okt. 2014 20.09 Uhr
Online-Ticketing www.theaterchur.ch
Kasse Theater Chur Mo bis Fr 17 – 19 Uhr, T +41 (0)81 252 66 44
sowie bei Chur Tourismus im Bahnhof Chur, T +41 (0)81 252 18 18