In Frankreich fürchten die meisten Migranten Nicolas Sarkozy, der schon als Innenminister durch seine scharfen Äußerungen auffiel und an dem sich in Deutschland zum Beispiel Robert Koch ein Vorbild nahm.
Gintersdorfer/Klaßen finden die Differenzen zwischen den beiden Ländern auf politischer und lebenspraktischer Ebene, im speziellen den Städten Köln und Paris heraus. Sie achten auf die öffentlichen, politischen Begriffe, die für jeden lesbar und sichtbar in den Medien veröffentlicht werden und untersuchen deren Konsequenzen auf und mit den Menschen, die sie betreffen. Gesetzesänderungen, Förderungen, Umquartierungen, Mieten, Einkünfte. Welche Strategien entwickeln diese Menschen, gibt es neue Konstellationen und Allianzen, oder geht es im Leben um ganz andere Dinge? Die Arbeitsweise nimmt bewusst nicht Kontakt zu bestehenden Interessensvertretungen auf und knüpft nicht an die psychogeografischen Vorurteile an, sondern sucht in der Wirklichkeit. Zu schnell verändern sich die Lebensumstände.
Der französische Philosoph Alain Badiou postuliert die illegalen Migranten als Bastion des Widerstands gegen den Opportunismus und neoliberalen Geist der demokratischen Wähler, die er Ratten nennt. Der Titel »Jede Minute mit einem Illegalen ist besser als wählen« variiert seinen Text »Wofür steht der Name Sarkozy?« (2008), in dem Badiou das Zusammensein mit den Illegalen und deren Unterstützung als Akt des Widerstands beschreibt und nicht das Verhalten der Illegalen selbst, das sich häufig am Eigennutz orientieren muss und verständlicherweise ebenso angstgesteuert ist wie das konforme Verhalten des migrantenfeindlichen Bürgers. In den Nachtclubs der französischen Banlieus nehmen die DJs diese Ängste in ihre Texte auf, sie singen z.B. „Gerade betritt Benito, das schwarze Tier, den Raum, er selbst hat die Migration gewählt und draußen steht sein Porsche“. Draußen steht zwar nicht unbedingt ein Porsche, aber die DJs wollen sagen, wir sind da, wir sind keine armen Versager und wir wissen, das man mit uns Ängste schüren kann, wenn man uns als gewaltbereite und ungebildete Horden darstellt, die den sozialen Frieden gefährden. Sie sind Meister einer komplizierten Problembewältigung, einer Umbewertung der tatsächlichen Umstände zu ihren Gunsten.
Es spielen: Nikolaus Benda, Jean Claude Dagbo, Hauke Heumann, Franck Edmond Yao, Fabrice Meguhe Zouzouko
Konzept: Gintersdorfer/Klaßen (Monika Gintersdorfer und Knut Klaßen),
Dramaturgie: Götz Leineweber
Weitere Vorstellungen am 14., 15., 29., 30. und 31. Oktober