Stephan Thoss, der sich in seiner choreografischen Arbeit auf Labans Erkenntnisse stützt, zeigt in seinem neuen Ballettabend Loops and Lines (Bögen und Linien), wie sehr Labans Theorien in der alltäglichen Lebenswelt verankert sind. Tanz-Erbe nicht als bewegtes Museum oder Rekonstruktion, sondern in Stephan Thoss' ganz persönlicher Prägung als Ausgangspunkt für zeitgenössischen Tanz. Dabei durchdringt die Bewegungslehre nicht allein die Welt der Tänzer, sondern auch die der
Instrumentalisten und Klangkörper. Musikalischer Partner für dieses außergewöhnliche Projekt ist
das Ensemble Modern Frankfurt.
Rudolf von Labans Arbeit zielte nicht auf die Schaffung eines bestimmten Tanzstils ab, sondern auf
Analyse und Bewusstmachung verschiedenster Aspekte von Bewegung. Deshalb sind Labans
Erkenntnisse auch vollkommen zeitlos. Was ist Bewegung? Was muss ich tun, um eine bestimme
Bewegung zu vollziehen und welche Wirkung erreiche ich dadurch beim Betrachter? Laban definiert einen leeren Raum mit einem Körper darin, der sich von A nach B bewegt. Relevant sind die Faktoren, in welcher Zeit und mit welcher Energie dies geschieht: Der Raum, der den Modus vorgibt, mit zentraler oder peripherer Bewegung; die Zeit, in der die Bewegung geschieht (schnell oder langsam) und die starke oder schwache Energie, mit der sie ausgeführt wird. Als weiterer Faktor wirkt die Schwerkraft ein. Daraus lassen sich genau acht Bewegungsqualitäten bilden. Laban benennt „Eukinetik” für Art und Weise der Bewegung und „Choreutik” für den Weg, den die Bewegung
vollzieht.
Ein weiterer Schwerpunkt seiner Forschung war die von ihm entwickelte Tanzschrift, die Laban-Notation. Sie gibt auch keine Haltungen oder Figuren vor, sie arbeitet mit abstrakten „Antriebszeichen”, vergleichbar senkrechter Notenlinien.
Stephan Thoss entwickelt die Uraufführung Loops and Lines in drei Schritten. Im ersten Bild stehen die Koordinaten Raum und Zeit im Vordergrund: Der Blechbläser-Sound von Anders Hillborgs Brass Quintet beherrscht den Raum, dazu kommen die Form und Vorstufen von Bewegung. Im Anschluss
bringt der menschliche Körper als Individuum die Kombination der Elemente in Bewegungsfluss und macht die Dynamiken und Antriebe sichtbar zu John Adams vibrierendem Streicherstück Shaker
Loops. Auch die Musiker bewegen sich dabei im Raum. Videoeinspielungen von Andreas J. Etter
komplimentieren das Bühnengeschehen. Nach der Pause folgt eine Choreografie von Stephan Thoss
zu Steve Reichs Eight Lines.
Mit dem Ensemble Modern konnte ein international renommierter Kooperationspartner aus der
Rhein-Main-Region gewonnen werden. Ganz im Sinne von Labans Verbindung zwischen Klang und
Bewegung, treffen sich die Tänzer und Instrumentalisten in einer interaktiven Choreografie auf der
Bühne, bei der Klang und Bewegung sich gegenseitig auslösen und in Beziehung zueinander treten.
Diese ungewöhnliche Tanzproduktion und insbesondere die Zusammenarbeit mit dem Ensemble
Modern wurde ausgewählt für die Förderung im Rahmen von „Tanzfonds Erbe”, eine Initiative der
Kulturstiftung des Bundes, und wird unterstützt durch den Kulturfonds Frankfurt-RheinMain.
Gefördert von TANZFONDS ERBE – eine Initiative der Kulturstiftung des Bundes und ermöglicht durch
den Kulturfonds Frankfurt RheinMain
Musik von John Adams (Shaker Loops, China Gates), Steve Reich (Eight Lines) und Anders Hillborg
(Brass Quintet)
Konzept, Choreografie, Bühne, Kostüme Stephan Thoss
Musikalische Leitung Wolfgang Ott
Mitarbeit Bühne und Kostüme Jelena Miletić
Video Andreas J. Etter
Ballett des Hessischen Staatstheaters Wiesbaden
Ensemble Modern
Weitere Vorstellungen: 7. und 28. November