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URAUFFÜHRUNG: NOTLÖSUNG, Ein Stück für 3 Schauspieler und Chor, von Andri Perl, Theater Chur

Mi 2. / Fr 4. / Sa 5. April 2014 20 Uhr So 6. April 2014 17 Uhr. -----

Gemeinsam mit Regisseurin Selina Gasser thematisiert der Bündner Autor den brisanten Komplex der Aus- und Einwanderung. Das Stück wird insgesamt vier Mal zu sehen sein. Begleitet wird die Produktion des Vereins Pergament in Koproduktion mit dem Theater Chur von Vorträgen und Diskussionen.

Wer wandert aus? Warum und wohin? Diese Fragen treiben den Churer Autor Andri Perl seit langem um. Und dies nicht erst, seit er für eine Kampagne von Amnesty International eine Notunterkunft für abgewiesene Asylbewerber in Uster besuchte. Jahrhundertelang zog es Scharen von Europäern nach Übersee, in den Süden, in den fernen Osten. Im Zuge der Globalisierung hat sich der Wind gedreht. «Heute erfahren viele klassische Auswanderungsländer das Dilemma, selber plötzlich Ziel von Einwanderern zu sein», sagt Perl. Eben dieses Spannungsfeld zwischen Migrationsdruck und Bewegungsfreiheit bildet den Ausgangspunkt für das erste Theaterstück des Autors.

Verstossen der eine – hinausgeschickt der andere

In «Notlösung» abstrahiert Perl den Flüchtlingsstrom. Der Ozean wird zum unbestimmten Raum. Ein Boot, zwei Männer, eine vierschrötige Kapitänin. Die Reise ins Ungewisse unternehmen die beiden männlichen Protagonisten aus ganz unterschiedlichen Gründen: Da ist Klein, ein Aufrührer, den seine Dorfgemeinschaft aus ihrer Mitte verbannt hat; ein in die Fremde Vertriebener. Als dessen Widerpart tritt Battaglia auf, ein Söldner, den das Dorf als Hoffnungsträger ausschickt; in fernen Kriegen soll er sich verdingen und mit dem Lohn das Dorf unterstützen. Klein und Battaglia sitzen im selben Boot, ein unfreiwilliges Schicksalsbündnis mit enormem Konfliktpotenzial.

Dem Schaupielerensemble aus Söldner, Verbanntem und Autoritätspersonen stellt Perl einen Chor gegenüber. Dieser verkörpert einerseits die Gemeinschaft, die nach strengen Regeln über Wohl und Weh ihrer Mitglieder entscheidet. Ausschluss im einen Fall, Entsendung im anderen. In poetisch überhöhten Momenten wird der Chor zum Meer der Stimmen, zum kollektiven Gedächtnis, zum Orakel.

Zwischen Warten, Hoffen und Bangen

Die «Notlösung» ist nicht nur Perls Debüt als Dramatiker, sondern auch die erste Produktion, die die junge Bündner Regisseurin Selina Gasser am Theater Chur realisiert. Gasser war von Anfang an massgeblich an der Entwicklung des Stoffes beteiligt. Entstanden ist ein Stück, in dem sich politische und poetische Dimensionen gegenseitig durchdringen. Die fiktionale Welt, in der sich Klein und Battaglia begegnen, biete emotionalen Sprengstoff, sagt Gassser. Gleichzeitig entfalte sich das Spiel oftmals in langsamen, ruhigen Szenen. Flucht oder Aufbruch: Auswanderung habe viel mit Warten zu tun – Warten auf den richtigen Augenblick der Abreise, Warten auf die Helfer, Warten auf ein wichtiges Dokument, eine Bewilligung, einen Passierschein.

Vieles bleibt in der «Notlösung» absichtlich offen, Zeit und Ort changieren. So erinnert die Ratsversammlung, die Klein verbannt und Battaglia ausschickt, durchaus bewusst an ein eidgenössisch-parlamentarisches Gremium. Und das Auffanglager, in dem sich die beiden Antipoden schliesslich wiederfinden, könnte überall liegen: diesseits oder jenseits europäischer Grenzen.

Ozeanischer Sprechgesang

Für die Churer Produktion haben Gasser und Perl drei weitere Bündner Kulturschaffende mit ins Boot geholt: den Komponisten Duri Collenberg, den bildenden Künstler Gianin Conrad und Mattias Müller-Arpagaus als Chorleiter. Collenbergs elektronisch generierte Musik bildet einerseits die Klangkulisse zum Geschehen auf der Bühne, andererseits wird sie zum dramaturgisch wichtigen Element, etwa wenn der Chorgesang einsetzt. Mal steigen die Chorlieder wie Erinnerungsfetzen auf, dann wieder

kommentiert das Sängerensemble (bei dem übrigens auch Autor Perl mitwirkt) die dramatischen Ereignisse. Wenn Klein und Battaglia schwimmend das rettende Ufer zu erreichen versuchen, intoniert der Chor einen requiemhaften, ozeanischen Sprechgesang.

Mit: Suly Röthlisberger, Manule Kühne, Nikolaus Schmid,

Chor: Laura Decurtins, Romy Haueter, Simona Koller, Vreni Caprez, Tina Casura, Ursina Perl, Christoph

Battaglia, Carlo Köhl, Cristian Collenberg, Christian Foppa, Andri Perl

Regie: Selina Gasser

Komposition: Duri Collenberg

Dramaturgische Mitarbeit: Erik Altorfer

Ausstattung: Gianin Conrad

Chorleitung: Mattias Müller-Arpagaus

Produktion: Verein Pergament

Koproduktion: Theater Chur

***

CHURER PODIUM

Sa 5. April 2014 18 Uhr

AN EUROPAS GRENZE

Journalist Kaspar Surber über Migration heute

mit Flurina Graf (Ethnologin/ikg)

CHURER PODIUM

So 6. April 2014 15 Uhr

SÖLDNER FÜR EUROPA

Journalist Jost Auf der Maur über historische Migration

Moderation: Karin Fuchs (Historikerin/ikg)

***

Vorverkauf Tickets & Abos

Online-Ticketing www.theaterchur.ch

Kasse Theater Chur Mo bis Fr 17 – 19 Uhr, T +41 (0)81 252 66 44

sowie bei Chur Tourismus im Bahnhof Chur, T +41 (0)81 252 18 18

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