Aus diesem Anlass hat der Autor Eberhard Streul (bekannt durch Stücke wie „Die Sternstunde des Josef Bieder“) für die Städtischen Bühnen Münster ein Stück verfasst, das das verbreitete Bild vom „Kind des Glücks“ relativiert und die Wunde Mendelssohns in den Blick rückt: eine Wunde, die sich aus seiner jüdischen Abstammung ergibt. Zu Lebzeiten trotz mancher antisemitischen Anwürfe äußerst erfolgreich und als genialer Musiker verehrt, kam es nach seinem Tod zum Fiasko. Die Nationalsozialisten radierten seinen Namen aus, ermordeten seine Musik. Szenen an drei historischen Orten spüren dem Bild Mendelssohns und dessen Entstellungen nach.
1829, im Alter von 20 Jahren, brachte Mendelssohn die seit hundert Jahren vergessene Matthäuspassion von Bach mit der Berliner Singakademie zur Aufführung – damals eine Sensation. Als er sich jedoch drei Jahre später um die Direktion der Berliner Singakademie bewirbt, entscheidet sich die Generalversammlung gegen ihn und für einen äußerst mittelmäßigen Konkurrenten. Es fallen Äußerungen wie: Die Singakademie sei durch ihre ausschließliche Beschäftigung mit geistlicher Musik ein „christliches Institut“, es sei darum „unerhört, dass man ihr einen Judenjungen zum Direrctor aufreden“ wolle. Mendelssohn wendet sich in den folgenden Jahren zunächst nach Düsseldorf, später nach Leipzig. Als Komponist und Dirigent erwirbt er europäischen Rang, gilt bis zu seinem frühen Tod 1847 als der bedeutendste Komponist Deutschlands. 1850 erscheint das antisemitische Pamphlet „Das Judentum in der Musik“. Unter dem Pseudonym Karl Freidank verbirgt sich der wahre Verfasser, Richard Wagner. Als die Nationalsozialisten nach 1933 die Werke Mendelssohns verbieten, die Literatur über ihn einstampfen lassen, können sie sich auf die Argumente aus diesem Pamphlet berufen.
Das Stück verbindet die Szenen mit einigen Liedern von Felix Mendelssohn Bartholdy und dessen Schwester Fanny Hensel, darunter „Auf Flügeln des Gesanges“, „Leise zieht durch mein Gemüt“ und „Warum sind denn die Blumen so blass“, die hier nicht von klassischen Sängern, sondern von Schauspielern gesungen werden. Wie absurd die vorurteilsgesteu-erte Wahrnehmung der Werke Mendelssohns war und ist, zeigt sich exemplarisch am Umgang mit einem seiner bekanntesten Lieder, das paradoxerweise als Inbegriff des ro-mantischen deutschen Liedguts galt, während man gleichzeitig seinen Schöpfer verfemte: „O Täler weit, o Höhen“.
Szenische Leitung: Jens Ponath
Musikalische Leitung und Klavier: Peter Meiser
Bühne und Kostüme: Jacqueline Schienbein
Mitwirkende: Christiane Hagedorn, Stefanie Kirsten, Judith Patzelt; Frank-Peter Dettmann, Thomas Kellner, Christoph Tiemann
Weitere Vorstellungen im Dezember:
Freitag, 25. Dezember, 18.00 h, Kleines Haus
Mittwoch, 30. Dezember, 19.30 h, Kleines Haus