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Uraufführung: "Ping Pong d'Amour" von René Pollesch, Münchner KammerspieleUraufführung: "Ping Pong d'Amour" von René Pollesch, Münchner KammerspieleUraufführung: "Ping Pong...

Uraufführung: "Ping Pong d'Amour" von René Pollesch, Münchner Kammerspiele

Premiere am 14. Februar 2009 um 20.00 Uhr im Schauspielhaus

...und auf dem Theater begrenzen wir doch auch einen Vorgang um ihn wiederholbar zu machen. Wir setzen hier doch nicht auf die schlechte Unendlichkeit.

Das kennt man ja. Man weiß doch wie die zu Tausenden fliehen aus Vorstellungen, die 24 Stunden dauern. Nein, wir begrenzen uns auf 90 Minuten und haben es mit einem Perspektivwechsel zu tun. Wir retten die Welt, indem wir sie auf 90 Minuten begrenzen, und ihr eine historische Form geben, die wiederholt werden kann. Alles andere ist die schlechte Unendlichkeit. Das hier ist der Ort, an dem wir nicht auf die natürliche Beendigung unserer Leben warten müssen oder auf die ökonomische, bis uns das Geld ausgeht. Nein, wir geben uns über diese natürlichen und ökonomischen Begrenzungen hinaus weniger Zeit. Und zwar immer wieder, mit jedem neuen Vorhang, der auf und dann wieder zugeht. Um gegen das Schicksal vorzugehen. Um uns nicht von Natur und Ökonomie beherrschen zu lassen. Wir können immer wieder neu beginnen. Mit jedem Manuskript, das wir in den Händen halten. Und auf dessen letzter Seite das Wort „Ende“ steht.

Eine Gesellschaft, die noch keinen Körper hat, keine historische Form, die wiederholt werden kann, fragt sich nämlich auch, wie können wir uns limitieren, wie können wir uns begrenzen? Wie machen wir das? Ohne auf den Tod warten zu müssen, oder darauf, dass uns das Geld ausgeht. Eine Gesellschaft, die das nicht tut, sich selbst zeitlich zu limitieren, kann nur auf ihren Tod oder auf ihre Pleite warten. Wir brauchen ein Skript, das nicht das eigene ist. Das eigene Leben findet nur ein Ende, indem wir sterben oder uns das Geld ausgeht. Das Skript mit dem wir uns wirklich berühren können, das einzige, ist das, auf dessen letzter Seite „Ende“ steht. Niemandem geht das Geld aus und niemand stirbt dabei. Das ist Theater. Dieses eine Wort „Ende“. Es hält jung und es erhält einem sein Auskommen. Die einzigen Leben, die dadurch einen Körper bekommen, dass sie begrenzt werden, ohne zu sterben oder pleite zu gehen. Die einzigen Leben, die sich berühren, sind die, die einem Manuskript folgen, das nicht das eigene ist. Nur was sterblich ist, bekommt einen Körper. Und wenn wir nicht darauf warten wollen, dass uns der Tod ereilt und limitiert, nehmen wir uns eben ein Skript zur Hand, das nicht unseres ist, mit dem schönen Wort „Ende“ am Ende.

René Pollesch macht weiter. Nach SCHÄNDET EURE NEOLIBERALEN BIOGRAPHIEN und SOLIDARITÄT IST SELBSTMORD wird Pollesch als Autor-Regisseur einen neuen Theaterabend mit einer Gruppe von Schauspielern erarbeiten. Man sitzt zusammen, man diskutiert. Der Sturm in den Köpfen wird kanalisiert. Der Regisseur, der ein Autor ist, öffnet den Laptop, schreibt Sätze in den Computer. Es sind Theorien, Fundstücke, Problemkonstellationen in Sätzen und Textflächen, die mit Verzweiflung aufgeladen werden. Schauspieler sprechen die Sätze. Es wird diskutiert und verändert. Das, was die Schauspieler sprechen, ist nicht die Sprache einer Figur. Es ist ein Angriff auf die Gegenwart: Selbstbefragungen, Videoclips und Musikschleifen werden mit Hilfe alter Theatergenres wie Boulevard und Melodrama in einen neuen Rahmen gefasst und zu einer eigenen, unverkennbaren Text- und Theaterform überführt, die globale politische Themen und Fragestellungen mit persönlichen, emotionalen Erfahrungen verbindet: "Meine Arbeiten leben von einer Kompetenz für das, was meine Probleme sind, von meinem Wunsch, mich zu verorten, meinem Wunsch mich zu orientieren, und der damit verbundenen Energie. Das ist das einzige, was ich produzieren kann." (R.P.)

René Pollesch ist seit der Spielzeit 2001/2002 künstlerischer Leiter des Praters der Berliner Volksbühne. Die dort entstandene Prater-Trilogie wurde 2002 zum Berliner Theatertreffen eingeladen. Im gleichen Jahr wurde Pollesch in der Kritikerumfrage der Zeitschrift Theater heute zum Dramatiker des Jahres gewählt. Bereits zweimal ist er mit dem Mülheimer Dramatikerpreis ausgezeichnet worden. Neben seiner Arbeit an der Berliner Volksbühne inszeniert René Pollesch seine eigenen Stücke u.a. am Burgtheater Wien, Schauspielhaus Stuttgart, Thalia Theater Hamburg und den Münchner Kammerspielen.

Regie René Pollesch

Bühne Janina Audick

Kostüme Tabea Braun

Dramaturgie Matthias Günther

Video Kathrin Krottenthaler

Licht Christian Schweig

Regieassistenz Ramin Anaraki

Bühnenbildassistenz Maren Geers

Kostümassistenz Sandra Maissen-Tschuor

Inspizienz Barbara Stettner

Souffleuse/Souffleur Viktor Herrlich

Mit

Katja Bürkle

Bernd Moss

Martin Wuttke

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