Sie begegnen einander, wollen etwas: Sich selber spüren, interessant sein, etwas tun, lieben! Dennoch bleiben sie einander fremd, aus Aktivität wird Sehnsucht. Aber was ist letztlich schon vom Leben – und von der Liebe – zu erwarten? Woher überhaupt die Kraft zum Leben nehmen und wann hat man überhaupt noch Zeit dafür? Man taucht unter in die Arbeit, während das Leben an einem vorbeizieht: „Ich wähle meine Arbeit nach den Stunden, die sie mir nimmt. Je mehr Stunden, desto besser. Ich möchte in die Arbeit gehen am Ende der Nacht und sie beschließen nach Abbruch des Tages, ich möchte das Sonnenlicht, wenn es das gibt, hinter Vorhängen verborgen sehen,“ sagt Undine. Und bringt damit auf den Punkt, was die vier verbindet: Tagsüber eintauchen in die Bewusstlosigkeit der Arbeit, des Tagewerks, danach abtauchen in die Bewusstlosigkeit der Nacht. Dazwischen? Wer zu viel will, bleibt allein – Romantik auch als Ausdruck der Verzweiflung. „Du bist ganz schön romantisch“ wirft Ludwig Undine vor. „Nein, ich bin ganz schön verzweifelt.“ Bleibt der Traum vom Glück, dem schnellen und dem langsamen, dem großen und dem kleinen, nur ein Traum?
„Unter Tage“ schreibt den „Undine“-Mythos neu und gleichzeitig weiter. Der romantische Stoff um eine Nixe, die erst als Liebende eine Seele erhält, aber am Ende den Geliebten töten muss („Undine“, de la Motte Fouqué, 1811), entfaltete bis hin zu Ingeborg Bachmanns Erzählung „Undine geht“ (1961) breite Wirkmächtigkeit. Empfindet Ingeborg Bachmanns Undine noch Wut und Enttäuschung über die Männer, die alle gleich sind, die Frauen begehren, sie vielleicht benutzen und sich ihnen dennoch entziehen, so ist Undine bei Behrens schon längst gegangen. Sie ist es, die sich entzieht die Nähe und Distanz bestimmt.
Mit dem Gruppenmonolog „Unter Tage“ gewann Sigrid Behrens den vom Mainfranken Theater Würzburg und der Leonhard-Frank-Gesellschaft Würzburg ausgeschriebenen Leonhard-Frank-Preis 2007 zum Thema „Ohne Arbeit – ohne Zukunft“. Es ist ein Stück voller Sehnsucht, Poesie und Sprachgewalt, das das Thema Arbeit existentiell auffasst: Was bedeutet Arbeit für unser Leben? Wie können wir leben mit ihr, wie können wir leben ohne sie?
Das Stück wurde 2003/04 vom SR als Hörspiel produziert und gesendet.
Sigrid Behrens wurde 1976 geboren. Die Autorin deutsch-französischer Herkunft hat bereits mehrere Theaterstücke verfasst und verschiedene Auszeichnungen erhalten. Mit dem Gewinn des Leonhard-Frank-Preises 2007 am Mainfranken Theater setzt sich ihre Erfolgsgeschichte folgerichtig fort:
2002 wurde sie mit dem Förderpreis für Literatur der Freien und Hansestadt Hamburg sowie mit dem 1. Publikums Preis bei der Hamburger Ziegel-Nacht ausgezeichnet. 2003 war sie Stipendiatin des 7. Klagenfurter Literaturkurses und des Literarischen Colloquiums Berlin. Im selben Jahr wurde „Unter Tage“ bei den Autorentheatertagen des Staatstheaters Saarbrücken mit dem Preis der Saarbrücker Zeitung bedacht und nahm mit „Unter Tage“ beim Festival „Junge Dramatiker“, den Autorentagen der Münchener Kammerspiele, teil. Die Fachzeitschrift theater heute urteilte damals bereits: „Man sollte sich den Namen Sigrid Behrens schon mal merken“.
Mit einer Prosaarbeit war sie 2006 zu den Tagen der deutschsprachigen Literatur (Ingeborg Bachmann Preis) nach Klagenfurt eingeladen. Im Frühjahr 2007 erschien ihr erster Roman „Diskrete Momente“, der von der Literaturkritik hoch gelobt wurde.
Inszenierung: Nada Kokotovic
Bühne und Kostüme: Nada Kokotovic
Dramaturgie: Petra Paschinger
Undine Natalie Forester
Hans Andreas Anke
Georg Klaus Müller-Beck
Ludwig Christian Higer