Als sie aber von ihm nichts wissen wollte, fügte er seinem Geschenk den Fluch hinzu, dass niemand ihr jemals glauben würde. Wirklich niemand? Was ist mit Kassandra selbst? Hat sie ihren eigenen Warnungen geglaubt, oder ist der Fluch des liebeswütenden Gottes wörtlich zu verstehen: niemand? Falls Kassandra selbst von ihren Prophezeihungen nichts gehalten hat, können wir von der Figur eine beklemmende Parallele zur Gegenwart ziehen.
Man stelle sich einen modernen, göttlichen Fluch vor, der uns alle betrifft: wir alle kennen die Gefahren, die uns bedrohen, wir alle warnen davor – und wir alle glauben unseren eigenen Worten nicht. Man schlage die Zeitung auf und lese von Klimawandel, Umweltzerstörung und Grüner Gentechnik. Vom Ende der Energieträger, von Überbevölkerung und von durch Terror ausgelösten Kriegen. Kaum einer unter uns, der nicht die Warnungen kennt, weiterträgt und wiederholt. Und kaum einer, der sie wirklich ernst nimmt. Wer glaubt schon alles, was in der Zeitung steht? Wir jedenfalls nicht. Wir stimmen nur zu.
Das Tanzstück WIR KASSANDRA greift diesen Gedanken auf und spielt mit der Vorstellung, es könne tatsächlich unser aller Schicksal, vielleicht sogar unsere Bestimmung sein, sehenden Auges in den Untergang zu laufen und gleichzeitig uns gegenseitig vor diesem Untergang zu warnen. Der gewissermaßen als These einer „wissenschaftlichen“ Untersuchung gemeinte Titel scheint auf den ersten Blick weit hergeholt, erweist sich aber als durchaus denkbares Szenario in einer Realität, deren vielzitierte Globalität durchaus auch als Bedrohung begriffen werden muss. Wie es sich für eine ernsthafte Untersuchung gehört, wird auch die Gegenthese betrachtet und auf Haltbarkeit untersucht. Das Ergebnis der Versuchsreihe muss aber jeder für sich selbst finden…
Inszenierung & Choreografie: Gundula Peuthert
Kostüme und Bühnenbild: Heike Mirbach
Film: Gundula Peuthert, Veikko Göhlig
Animation: Veikko Göhlig, Andreas Vent-Schmidt
Einstudierung Jonglage: Marcin Poloniewicz
Vorstellungstermine:
Fr., 4. Dezember 2009, 19.30 Uhr
Sa., 12. Dezember 2009, 19.30 Uhr
So., 3. Januar 2010, 15 Uhr