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Wir müssen‘s wohl leidenWir müssen‘s wohl leidenWir müssen‘s wohl leiden

Wir müssen‘s wohl leiden

"Dantons Tod" von Georg Büchner im Düsseldorfer Schauspielhaus

Wie die ursprünglichen revolutionären Ansprüche nach Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit, die die Abschaffung der Sklaverei, die Gleichberechtigung der Frauen, die Entmachtung des Adels beinhaltet, zu ausufernder Gewalt und einer Perversion der Macht führen, zeigt Georg Büchner in seinem Drama „Dantons Tod“ anhand der beiden sich gegenüber stehenden Kontrahenten Danton und Robespierre.

Copyright: Thomas Aurin

Der eine zeigt Skrupel wegen der anhaltenden Metzelei, er ist müde geworden und tröstet sich mit einer hedonistischen Lebensweise. Der andere gibt vor, tugendhaft zu sein, entpuppt sich aber als Despot und benutzt den Schrecken als Waffe, er wird zum Blutmessias, der auch seine ehemaligen Mitstreiter unter die Guillotine bringen wird. Dantons Müdigkeit paart sich mit einer Todessehnsucht, führt zu hamletscher Zögerlichkeit und der Fehleinschätzung des Verhalten Robespierres. Ein gewisser Ennui eignet ihm wie vielen Gestalten Büchners.

Büchner stellt mit Danton - „Was ist das, das in uns hurt, stiehlt und mordet?“- nicht nur die Frage nach den Antriebskräften zur Gewalttätigkeit, sondern letztendlich eine moralische Frage. Er möchte nicht nur wie in „Leonce und Lena“ auf den Kopf gucken können, sondern in den Gehirnkasten.

Armin Petras hat „Dantons Tod“ für das Düsseldorfer Schauspielhaus inszeniert. Viel Theaterblut wird vergossen und das ganze Ausmaß der brutalen Schreckensherrschaft gezeigt. Den Text hat Petras von fast allen religiösen Bezügen gelöst und die meisten Bibelzitate gestrichen. In einer Szene wird Robespierre als gekreuzigter Christus gezeigt. Auch die von Büchner eingefügten Lieder finden sich nicht wieder, der ab und zu verwendete hessische Dialekt jedoch sehr wohl. Auch Marions Lebensgeschichte, die sie im 1. Akt in der fünften Szene erzählt, blieb erhalten. Das ist auch fast die einzige Stelle, in der ein wenig Ruhe einkehrt, denn ansonsten werden die Texte lauthals geschrien. Fast möchte man mit Danton rufen: „Ruhig mein Junge, du hast dich heiser geschrien.“ Das Geschreie führt leider dazu, dass die Figuren wenig ausdifferenziert sind und so manches Mal keine adäquaten Reaktionen erfolgen, so etwa wenn Danton zu seiner Ehefrau Julie sagt: „Ich liebe dich wie das Grab“, eine ungeheuerliche Äußerung, die die Julie von Petras aber gelassen hinnimmt; oder ganz zum Schluss, wenn Lucile ihre Verhaftung provozieren will, indem sie „Es lebe der König“ ruft, eine konterrevolutionäre Äußerung, die zumindest noch bei Büchner ihren Zweck erfüllt, bei Petras aber folgenlos bleibt.

Robespierre und einige Revolutionäre wie St. Just sind mit Frauen besetzt, was besonders bei Robespierre, dargestellt von Lieke Hoppe, hervorragend funktioniert.

Überaus beeindruckend sind das Bühnenbild und die Lichtinszenierung. Es wird nah an der Rampe gespielt, denn fast die ganze Bühne nimmt eine Art Rutschbahn ein, von der die Protagonisten runterpurzeln oder die sie mühsam erklimmen müssen. Stark auch das Bild des gefangenen Danton, eindrucksvoll gegeben von Wolfgang Michalek, der an allen Extremitäten gebunden ist. Im zweiten Teil werden Filme projiziert, die zeigen was die gegnerischen Parteien zur Rettung bzw. zum Verderben der Inhaftierten unternehmen, während auf der Bühne das Geschehen im Gefängnis dargestellt wird. Diese Lösung ist nicht ganz so überzeugend, weil es, vielleicht durch die Sepiatönung, fast wie eine Persiflage wirkt.

Armin Petras Inszenierung überzeugt mehr durch das Bild als durch das Wort. So hat er auch viel Wert auf eine Choreographie der Figuren gelegt, die großartig ist und zu eindrucksvollen Bildern führt und manches Mal, wenn ein sekundenlanges Stillhalten eintritt, wie ein Tableau vivant wirkt. Den Schauspieler und Schauspielerinnen gebührt für ihre Meisterleistung Hochachtung.

Und ganz zuletzt, wenn es zur Guillotine gehen soll, und wenn sich Dantons Vorhersage aus dem ersten Akt erfüllt: -„die Revolution ist wie Saturn, sie frißt ihre eignen Kinder“-, da ruft die Todesangst ein kollektives Zittern hervor, denn „Es ist ein Schnitter, der heißt Tod“.

Besetzung
Georg Danton: Wolfgang Michalek
Camille Desmoulins: Henning Flüsloh
Lacroix: Sven Gey
Hérault-Séchelles: Serkan Kaya
Legendre: Kai Götting
Julie, Dantons Gattin: Caroline Adam Bay
Lucile, Gattin des Camille Desmoulins: Felicia Chin-Malenski
Robespierre: Lieke Hoppe
Monsieur Robespierre: Chris Eckert
St. Just / Marion und Susanne: Cathleen Baumann
Collot d’Herbois: Sophia Schiller
Herman, Präsident des Revolutionstribunales: Anna-Sophie Friedmann
Simon, Souffleur: Johann Jürgens
Rosalie, sein Weib: Madeline Gabel
Soldat / General Dillon: Gunnar Teuber
Bürger Mercier: Markus Danzeisen
Bürger Guittard: Miguel Abrantes Ostrowski
Toussaint Louverture, ein ehemaliger Sklave: Ron Iyamu
Olympe de Gouges: Eva Lucia Grieser
Marquise de la Tour du Pin: Tino Julian Zihlmann

Regie: Armin Petras
Bühne: Olaf Altmann
Kostüm: Annette Riedel
Musik: Anna Bauer, Johannes Hofmann
Video: Clemens Walter
Licht: Norman Plathe-Narr
Choreografie: Denis Kuhnert
Dramaturgie: Felicitas Zürcher

Premiere am 20. September 2019 — Schauspielhaus, Großes Haus

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