Auch leidet er unter Schuldgefühlen, weil sein beruflicher Aufstieg mit dem Hausbrand seiner Schwiegereltern verknüpft ist, bei dem damals seine beiden Kinder ums Leben kamen. Doch dann platzt die junge Hilde Wangel in sein Leben, die sich als Zwölfjährige in Solness vernarrte, als dieser an einer Kirchtumspitze den Richtkranz aufhängte. Mit einem Kuss versprach er ihr damals das Königreich „Apfelsinia“, und genau dies fordert sie nun von ihm ein. Die burschikose und lebenslustige Hilde fegt wie ein Frühlingssturm durch Solness' Gemüt: obwohl nicht mehr schwindelfrei und entgegen aller Warnungen und Selbstzweifel erklimmt er ihr zuliebe noch einmal einen Turm, um den Richtkranz anzubringen – und stürzt ab.
Welche Ironie: Baumeister Solness, beruflich im Zenit stehend, die heranstürmende Jugend in Schach haltend, den Rivalen mit allen Mitteln unterdrückend – fällt zu Tode, weil er sich wie ein verschossener Teenager von einem quirligen Backfisch zu pubertärem Leichtsinn verleiten lässt!
Bygmester Solness, wie das 1892 erschienene Drama im Original heißt, war die literarische Erwiderung des damals 63jährigen Henrik Ibsen auf die zuvor vom jungen Knut Hamsun auf ihn gemünzte Kritik, man müsse „alte Bauplätze ausheben, um Platz für Neues zu schaffen“.
Nach ihrer Inszenierung von William Shakespeares König Lear in der vergangenen Spielzeit setzen Regisseur Marcus Lobbes und seine Ausstatterin Pia Maria Mackert mit dieser Inszenierung des Baumeister Solness die künstlerische Auseinandersetzung zur Thematik „Altern und Generationenkonflikt“ fort.
Inszenierung: Marcus Lobbes
Bühne und Kostüme: Pia Maria Mackert
Dramaturgie: Oliver Held
Mit: Sophie Basse, Thomas Braus, Gregor Henze, Holger Kraft, Maresa Lühle, Juliane Pempelfort
Die nächsten Vorstellungen sind am 03., 08., 09., 13., 17. und 19. Juli im OPERNHAUS.