Agamemnon verwehrt er den nötigen Wind zur Weiterfahrt, Idomeneo
schickt er einen Sturm, der den Hafen unerreichbar macht. Beide Könige befreien sich – zunächst –durch ein Opfer, ein Menschenopfer: Agamemnon tötet seine Tochter Iphigenie, Idomeneo verspricht, das er das erste Wesen, was er bei seiner Rückkehr nach Kreta erblickt, dem Poseidon opfert. Es wird sein eigener Sohn Idamante sein.
Was bei den Atriden eine furchbare Kette von Morden nach sich zieht, wird in der Oper von Mozart Auslöser einer unerträglichen Hängepartie, denn Idomeneo äußert sich nicht zum Sachverhalt. Nichts erfährt sein Sohn (der sich brüsk abgewiesen fühlt), nichts sein Volk. Idamante, der die trojanische Kriegsgefangene Ilia liebt, soll Elettra in ihre Heimat nach Mykene begleiten – ein Opfer, was nicht da ist, kann er auch nicht umbringen, so die fatale Logik Idomeneos. (Hier schließen sich die beiden Familiengeschichten.
Elettra, Agamemnons zweite Tochter, hatte sich nach Kreta gerettet und sich in Idamante verliebt.) Doch Poseidon will sein Opfer. Er schickt ein Meeresungeheuer, um die Abfahrt zu vereiteln. Idamante tötet das Ungeheuer, und jetzt erst - nachdem der Druck des Volkes auf ihn zu groß
geworden ist - deckt Idomeneo alles auf. Idamante ist sofort bereit, doch Ilia, die trojanische Prinzessin, möchte sich an seiner Statt opfern. Da hat der Himmel ein Einsehen. „Die Liebe hat gesiegt“. Idomeneo tritt ab, Idamante wird König und heiratet Ilia. Elettra wird wahnsinnig.
Mozart füllt die festgezurrte Form der opera seria mit psychologisch präzisen, musikalisch ungemein erfindungsreichen Figurenzeichnungen und unterläuft sie mit Mitteln, die erst künftige Opernkomponisten zur vollen Blüte entwickeln werden. Da, wo die seria-Form handlungserfüllte Rezitative und handlungsarme Arien vorsieht, definiert Mozart die Funktionen um und weicht sie auf.
Die Figuren funktionieren nicht mehr nach vordefinierten Affekten, denen sie unterworfen sind und die ihnen keine Entscheidungsfreiheit gewähren. Mozart schafft hier psychologische Abschattungen, schafft dramaturgische Übergänge, um die starre Nummernabfolge aufzulösen, er komponiert z.B. ein Quartett, in dem die Musik vier Figuren mit ihren völlig widersprüchlichen Gefühlszuständen in ihrem Leid zu vereinen sucht, er definiert den Chor in der Tradition des antiken Theater als Spiegel und Kontrollinstanz des Herrschers.
Schließlich spricht aus Mozarts Spieldramaturgie die Überzeugung, dass es den vernunftbegabten, lernfähigen und als prinzipiell frei definierten Menschen geben möge, der sich von undurchsichtigen, dunklen, willkürlichen Spielzügen (nicht nur) machtverliebter Götter befreien kann.
Libretto von Giambattista Varesco
in italienischer Sprache mit deutschen Übertiteln
Musikalische Leitung: Hilary Griffiths
Inszenierung: Constanze Kreusch
Bühne: Jürgen Lier
Kostüm: Petra Wilke
Choreinstudierung: Jens Bingert
Dramaturgie: Johannes Blum
Mit: Robert Chafin (Idomeneo), Joslyn Rechter (Idamante), Dorothea Brandt (Ilia), Elena Fink (Elettra), Christian Sturm (Arbace), Boris Leisenheimer (Oberpriester), Thomas Laske (Stimme des Orakels)
Chor und Extrachor der Wuppertaler Bühnen //// Studierende der Hochschule für Musik und Tanz Köln, Standort Wuppertal //// Sinfonieorchester Wuppertal
Die nächsten Vorstellungen sind am 23. / 26. und 29. April 2011, am 18. Juni sowie 10. Juli 2011
im Opernhaus.