An den Münchner Kammerspielen, denen sie bis 2001 angehörte, verkörperte sie die vielleicht größte Tugend von Dieter Dorns Ensemble: Dass dort auch vermeintlich kleinere Rollen mit Schauspielern vom Rang einer Jennifer Minetti besetzt werden konnten, war für die Qualität der Aufführungen nicht weniger wichtig als die herausragenden Protagonisten. Dieter Dorn und viele andere Regisseure, mit denen sie im Laufe der Jahre zusammenarbeitete, wussten ihre Qualitäten zu schätzen: ihre Genauigkeit, ihr unermüdliches Arbeiten am Text, ihre präzise Sprachbehandlung, ihre einzigartige und unglaublich modulationsfähige Stimme, auch ihr enormes komisches Talent. Dabei war sie, die auch privat gerne lachte und äußerst selten schlechter Laune war, keineswegs auf komische Rollen festgelegt, sondern strahlte im ernsten Fach eine große Würde und Tiefe aus – in den letzten Jahren auch die Weisheit und Unerschütterlichkeit eines sehr bewusst und mit aller Intensität gelebten Lebens.
Anfang der 90er Jahre entdeckte Jennifer Minetti den Dramatiker Werner Schwab für sich, den sie einmal als „Seelenverwandten“ bezeichnet hat; seine erbarmungslosen Untersuchungen dessen, was Sprache auf dem Theater leisten kann, haben sie fasziniert, sein jäher Tod in der Neujahrsnacht 1994 hat sie sehr erschüttert. In vier Uraufführungen seiner Stücke hat Jennifer Minetti gespielt, hat in München mit Christian Stückl seine Volksvernichtung uraufgeführt, auch an der Berliner Volksbühne mit diesem Stück in Thomas Bischofs Regie gastiert. Nach dem Ende ihrer Zeit an den Münchner Kammerspielen hat sich Jennifer Minetti in den letzten zehn Jahren als Künstlerin noch einmal neu erfunden: Sie ging als Ensemblemitglied ans Schauspiel Frankfurt unter Elisabeth Schweeger und spielte auch dort Schwab und Thomas Bernhard (den Autor, der für ihren Vater gewesen war, was Werner Schwab für sie bedeutete). Sie arbeitete mehrmals mit FM Einheit und Andreas Ammer zusammen.
Ihre Neugier auf Neues und Ungewöhnliches, auf das, was sich abseits der bekannten Pfade des Theaters tat, war bis zuletzt ungebrochen. In den letzten Jahren entdeckte sie den Oberpfälzer Dramatiker Werner Fritsch für sich und erarbeitete mit ihm 2005 seinen Monolog „Das Rad des Glücks“ im Münchner Marstall, ihre vielleicht größte Rolle in München. Als regelmäßiger und hoch willkommener Gast war sie gerne an Dieter Dorns Staatsschauspiel zurückgekehrt; manchmal wurden ihr, die auch die Ruhe genießen konnte, die Anfragen des Theaters zu viel, doch nein sagen konnte sie selten.
Auch im letzten Jahr, als ihre bis dahin verlässliche Gesundheit sie immer wieder im Stich ließ, war sie vom Theater nicht abzubringen: Mit einem majestätischen Auftrittsmonolog eröffnete sie Hans-Joachim Ruckhäberles Inszenierung der „Penthesilea“ mit ihrer großen Klarheit, jede von Kleists komplizierten Satz- und Sinnkonstruktionen bis ins kleinste Detail durchdacht. Auch in Dieter Dorns Abschiedsinszenierung „Das Käthchen von Heilbronn“ stellte sie sich gerne noch einmal in den Dienst des Ensembles.