Zahlreiche Kooperationen mit Institutionen und Städten aus Baden-Württemberg im Festivalzeitraum September 2013 sind bereits fest vereinbart. Das reichhaltige Programm kulminiert in einem dreitägigen Abschluss-Event in der Landeshauptstadt.
TANZFONDS ERBE fördert wissenschaftliche und künstlerische Spurensuchen
Die Latte lag hoch: Wissenschaftlich fundiert, künstlerisch substantiell sollten sie sein, die Anträge für den TANZFONDS ERBE – einem von zwei neuen Fördertöpfen, die von der Kulturstiftung des Bundes aufgelegt wurden. In der ersten Bewerbungsrunde wurden 27 Projekte eingereicht, 10 erhielten einen Zuschlag. Darunter auch das Festival TANZLOKAL/TANZFEST, das mit € 100.000 die höchste Fördersumme bewilligt bekam. Ziel des TANZFONDS ERBE ist es, die deutsche Tanzgeschichte des 20. Jahrhunderts wiederzuentdecken und in aktives Tanzwissen zu überführen – eine epochale künstlerische Erfolgsstory, die im öffentlichen Bewusstsein kaum verankert ist. Die Jury-Entscheidungen trafen die Tanzexperten Rose Breuss, Bettina Masuch, Martin Puttke, Dr. Christiane Theobald und Prof. Dr. Christina Thurner.
Tanzpioniere im deutschen Südwesten
Tanz und Baden-Württemberg – damit verbinden heute wohl die meisten das Stuttgarter Ballett. Dass die Tanzgeschichte im deutschen Südwesten schon vor John Cranko eine echte Blütezeit erlebte, ist dagegen beinahe in Vergessenheit geraten. Das Festival TANZLOKAL/TANZFEST ist vier Künstlern gewidmet, die im damaligen Baden und Württemberg lebten und arbeiteten:
Rudolf von Laban baute in Stuttgart seine Tanzbühne auf und choreographierte für das Nationaltheater Mannheim und das Württembergische Nationaltheater Stuttgart. Sein Vertrauen in das tänzerische Potential jedes Menschen und der von ihm entwickelte chorische Tanz spielen eine wichtige Rolle im partizpativen Konzept von TANZLOKAL. Labans Schüler und Freund Kurt Jooss, geboren in Wasseralfingen, begann seine künstlerische Karriere an dessen Tanzbühne. Seine politischen Überzeugungen zwangen den späteren Mitbegründer der Essener Folkwangschule 1933 in die Emigration nach England und Chile. Besonders dem Tanz in Lateinamerika gab er mit seinem „espressivo aléman“ bis in die Gegenwart wirkende Impulse. Seine spektakulären Kostüme für das Triadische Ballett haben den Maler und Bauhaus-Künstler Oskar Schlemmer eng mit der Geschichte seiner Geburtsstadt verbunden. Nicht nur wurde das Triadische Ballett in Stuttgart uraufgeführt – Schlemmers Figurinen sind heute in der Stuttgarter Staatsgalerie ausgestellt. Mary Wigman schließlich, die Schöpferin des Ausdruckstanzes oder New German Dance, choreographierte und inszenierte in den 50-er Jahren drei Opern für das Nationaltheater Mannheim: Händels Saul, Orffs Catulli Carmina und Glucks Alkestis.
Kooperation ist Trumpf: die Partner von TANZLOKAL/TANZFEST
Dass so viele Institutionen schon vor der Antragstellung mit ins Boot gekommen waren, dürfte seinen Eindruck bei der Jury nicht verfehlt haben. Denn die beiden Einreicher konnten eine Trumpfkarte ziehen: Schließlich stehen der TANZLOKAL-Veranstalter, das Produktionszentrum Tanz + Performance Stuttgart, und der Kooperationspartner TanzSzene BW schon strukturell für Vernetzung par excellence – sowohl auf Stuttgarter als auch auf Landesebene. Mit den Stuttgarter Locations Württembergischer Kunstverein, dem Haus der Geschichte Baden-Württemberg sowie den angrenzenden Parks und der Innenstadt holen sie den Tanz bewusst an ungewöhnliche, teilweise auch frei zugängliche Austragungsorte. Grund dafür ist der partizpative Ansatz des Festivals, das die Bevölkerung buchstäblich zum Tanzen bringen möchte – mit Formaten wie dem TanzGang (performative walk), einem von Laban inspirierten zeitgenössischem Bewegungschor, Ausdruckstanz-Karaoke oder einem Bal Moderne. Unter der Regie des Produktionszentrums werden außerdem fünf Choreographien von Künstlern mit baden-württembergischen Wurzeln in Auftrag gegeben. Abgerundet wird TANZLOKAL mit Symposien und Panels, einem historischen Filmprogramm und interdisziplinären Projekten in einem intermedialen Labor. Für TANZLOKAL entwickelte Produktionen sollen nach Möglichkeit auch nach Festivalende aufgeführt werden – erste Planungen sind angelaufen. Ob der große Wunschtraum wahr wird, muss sich allerdings noch zeigen: die Etablierung von TANZLOKAL/TANZFEST im jährlichen oder Biennale-Rhythmus.
Über das Produktionszentrum Tanz + Performance Stuttgart
Seit 10 Jahren ist das Produktionszentrum für Tanz und Performance e.V. Anlaufstelle und Ort des interdisziplinären Austauschs für die freien Tänzer, Choreographen und Performer aus Stuttgart und Umgebung. Neben der Nachwuchsförderung von freischaffenden Tänzern und Choreographen setzt sich das PZ vor allem für die Verbesserung der Produktions- und Spielbedingungen freien Tanz- und Theaterszene in Stuttgart ein. Großes Ziel ist eine gemeinsame Spielstätte der freien Tanz- und Theaterschaffenden Stuttgarts. Das Produktionszentrum Tanz + Performance wird von der Landeshauptstadt Stuttgart institutionell gefördert.
Mehr Informationen unter www.produktionszentrum.de
Geschäftsführerin Katja Hiller, katja.hiller@produktionszentrum.de, Tel. 0711-9073773
Über die TanzSzene Baden-Württemberg
Die Interessengemeinschaft Tanz – TanzSzene Baden-Württemberg e.V. vereint Einrichtungen der freien Szene sowie Stadt-, Landes- und Staatstheater. Die Akteure treffen sich regelmäßig am Runden Tisch und verstehen sich als Repräsentanten aller Tanzschaffenden im deutschen Südwesten. Die TanzSzene BW wird unterstützt vom Ministerium für Wissenschaft, Forschung und Kunst Baden-Württemberg. Partner und vorläufige Anlaufstelle ist die Kunststiftung Baden-Württemberg.
Mehr Informationen unter www.tanzszene-bw.de