Logo of theaterkompass.de
HomeBeiträge
Ballett "b.31" - Deutsche Oper am Rhein in DuisburgBallett "b.31" - Deutsche Oper am Rhein in DuisburgBallett "b.31" -...

Ballett "b.31" - Deutsche Oper am Rhein in Duisburg

Premiere im Theater Duisburg: Samstag, 13. Mai 2017, 19.30 Uhr. -----

Mit „Obelisco“ von Martin Schläpfer, „Adagio Hammerklavier“ von Hans van Manen und „SH-BOOM!“ von Sol León und Paul Lightfoot stehen drei Meisterwerke aus der jüngeren Vergangenheit auf dem Programm von b.31.

Im Jahr 2007 für das ballettmainz kreiert, präsentiert Martin Schläpfer mit „Obelisco“ eins seiner Hauptwerke in einer Neueinstudierung. „Obelisco“ ist ein Ballett voller Poesie, nächtlicher Schönheit, traumverlorener Trance, ein Ballett aber auch über Füße und Schuhwerk – barfuß, in Schläppchen, auf Spitze und High Heels, Schuhe, die über diese Welt hinausheben oder an sie binden.

 

Bekannt für seine hocherotischen Beziehungsgeschichten in seiner so unverwechselbaren Tanzsprache, zeigt sich Hans van Manen mit „Adagio Hammerklavier“ von einer ganz anderen Seite: fragil, melancholisch, gefährdet ist die Welt, die dieses Meisterwerk entwirft. Die Neueinstudierung übernimmt mit der Amsterdamer Starballerina Igone de Jongh eine der herausragenden Musen Hans van Manens.

 

Ein launig-verrückter Tanzspaß, entstanden unter dem Motto „Life could be a dream“, ist dagegen „SH-BOOM!“ des am Nederlands Dans Theater beheimateten Duos Sol León und Paul Lightfoot. Zu Songs der 1920er bis 1950er Jahre zeigen sie einen mitreißenden Tanz auf dem Vulkan: sehr witzig, extrem sexy und auch ein wenig nachdenklich.

 

"Obelisco" von Martin Schläpfer

 

Wie ein gigantischer Zeiger erhebt er sich, weist aus der Gegenwart in die Vergangenheit und vielleicht in die Zukunft, vom Boden in den Himmel, vom Augenblick in die Unendlichkeit: der Obelisk. Sinnbild und Denkmal einer alten Zeit, meist nur aus einem einzigen riesigen Stein geschlagen und eingeritzt in ihn unentschlüsselbare Hieroglyphen. Den Ägyptern war er Maß der Weltordnung, Stein gewordener Strahl der Sonne, Verbindung zwischen der Welt der Menschen und der der Götter, positioniert an den Schwellen der Heiligtümer. Den Römern, und nicht nur ihnen, wurden die Obelisken zu Siegestrophäen, und als solche stehen sie noch heute auf zentralen Plätzen – der Piazza San Pietro, der Place de la Concorde, im Central Park, vor dem Weißen Haus.

 

In seiner 2007 für das ballettmainz entstandenen Choreographie „Obelisco“ wurde Martin Schläpfer der archaische Steinpfeiler, angeregt durch Salvatore Sciarrinos Orchesterwerk „Il tempo con l’obelisco“, zu einem poetischen Träger, zu einer Achse, um die er sieben Musiken aus unterschiedlichsten Zeiten und Genres wie Planeten kreisen lässt – jede eine Welt für sich und doch mit den anderen verbunden: Die amerikanische Sängerin Marla Glen trifft auf Sciarrinos Hineinhorchen in die Tiefenstrukturen der Klänge, Schuberts der Welt abhanden gekommenes Singen zwischen Liebe und Tod auf ein hysterisches Presto von Domenico Scarlatti, Mozarts tiefernste, aphoristische d-Moll-Fantasie auf Giacinto Scelsis „demjenigen, der sich entschließt, wieder- oder nicht wiederzukehren“ gewidmetes Stück „Anâgâmin“. Und wenn die berühmte Nummer „Geh’n wir ins Chambre séparée“ aus Richard Heubergers „Opernball“ schließlich in einer Einspielung mit Elisabeth Schwarzkopf erklingt, so wird aus einer operettigen Karnevalsmaskerade ein sublimes Vexierbild aus Klang und Sprache, eine feinst austarierte Balance von grazilem Seelenton und synthetischem Artefakt. Die Welten ändern sich, doch es bleiben ungeahnte Beziehungen: ein Kreisen um eine Mitte, ein Schweben über dem Boden, ein vertikales Verbundensein in der Sehnsucht nach dem Paradiesischen.

 

„Obelisco“ ist ein Ballett voller Poesie, nächtlicher Schönheit, traumverlorener Trance, ein Ballett aber auch über Füße und Schuhwerk – barfuß, in Schläppchen, auf Spitze und High Heels, Schuhe, die über diese Welt hinausheben oder an sie binden. Eine Erforschung der Frage auch, was eine Konzentration auf den Fuß mit dem Rest eines Körpers macht. Und ein Ballett der Grenzüberschreitungen im Zusammenspiel von kompositorischer Strenge und einer geheimnisvollen Fantastik.

 

MUSIK von Marla Glen, Salvatore Sciarrino, Franz Schubert, Domenico Scarlatti, Wolfgang Amadeus Mozart, Giacinto Scelsi und Richard Heuberger

 

Choreographie

Martin Schläpfer

Bühne & Kostüme

Thomas Ziegler

Licht

Thomas Diek

Tänzerinnen

Marlúcia do Amaral, Camille Andriot, Alexandra Inculet, Kailey Kaba, Yuko Kato, So-Yeon Kim, Asuka Morgenstern, Claudine Schoch, Virginia Segarra Vidal, Elisabeta Stanculescu, Julie Thirault

Tänzer

Rashaen Arts, Brice Asnar, Yoav Bosidan, Philip Handschin, Rubén Cabaleiro Campo, Sonny Locsin, Bruno Narnhammer, Marcus Pei, Friedrich Pohl

 

***

 

"Adagio Hammerklavier" von Hans van Manen

 

Manche Musik scheint sich dem Tanz auf den ersten Blick querzustellen. Ludwig van Beethovens späte Werke etwa umgibt diese Aura. Doch Hans van Manen hat es sich bei der Wahl seiner musikalischen Partituren noch nie leicht gemacht – und immer wieder bewusst die Auseinandersetzung mit absoluter Musik gesucht, die jenseits aller gängigen Vorstellungen liegt, was „gute Ballettmusik“ sein könnte. „Adagio Hammerklavier“, jenes 1973 mit Het Nationale Ballet Amsterdam uraufgeführte Stück zu Christoph Eschenbachs die Qualitäten einer extremen Langsamkeit auslotenden Interpretation des 3. Satzes aus Beethovens „Großer Sonate für das Hammerklavier“ B-Dur op. 106, zählt zu jenen Balletten – und heute zu den unbestrittenen Meisterwerken des 20. Jahrhunderts. Mit seiner Neueinstudierung durch Igone de Jongh – eine der Musen Hans van Manens und Amsterdamer Starballerina – erweitert das Ballett am Rhein sein Repertoire um ein Werk, das in seiner Konzentration, Klarheit und unbestechlichen Stilsicherheit für Hans van Manen einerseits typisch ist, zugleich aber auch eine andere Seite des niederländischen Meisters zeigt, ist es doch vielleicht das sublimste seiner Werke.

 

Drei Paare. Die Männer in weißen, gerippten Hosen und mit nackten Oberkörpern von geradezu kompromisslosem Selbstbewusstsein, die Frauen auf Spitze in hellblauen, weich-fließenden Röcken mit einer für Hans van Manen eher ungewöhnlichen Fragilität. Immer mehr lassen sie sich mit einer eigenartig schönen Traurigkeit auf das Spiel mit ihren Partnern ein, sich geradezu willenlos zu Arabesquen formen, über die Köpfe hinweg in die Lüfte heben, in tiefe Pliés oder in einen Spagat drücken, ihre Gliedmaßen flexen und strecken.

 

Wie sehr Hans van Manens Choreographieren von einem tiefen Verständnis der Musik bestimmt wird, lässt sich an „Adagio Hammerklavier“ aufs Schönste ablesen. Aus ihr schöpft er seine Energien und das Gefühl für Verläufe, aus ihr kreiert er seine mit geradezu archetypischer Spannung aufgeladenen und immer wieder hocherotischen Begegnungen zwischen Mann und Frau, die immer auch eine Befragung klassischer Rollenbilder im Tanz – und nicht nur in diesem – sind. Die Welt in „Adagio Hammerklavier“ ist dunkel getönt und gleichsam entrückt – geprägt von einem Wissen, dass alle Sehnsucht zu keiner Erfüllung finden wird. Entführt uns Beethoven, als wäre es eine Expedition, mit seinem Adagio auf die höchsten aller Gipfel, so dringt auch der Tanz zu einem immer pureren, klareren Bild seiner selbst vor.

 

MUSIK Adagio aus der Sonate Nr. 29 B-Dur op. 106 („Große Sonate für das Hammerklavier“) von Ludwig van Beethoven

 

Choreographie

Hans van Manen

Bühne & Kostüme

Jean-Paul Vroom

Licht

Jan Hofstra

Choreographische Einstudierung

Igone de Jongh

1. Paar

Doris Becker, Vincent Hoffman

2. Paar

Sonia Dvořák, Alexandre Simões

3. Paar

So-Yeon Kim, Marcos Menha

 

***

 

"Sh-Boom!" von Sol León & Paul Lightfoot

 

Unter dem Motto „Life could be a dream“ schuf das erfolgreiche spanisch-britische Choreographen-Duo Paul Lightfoot und Sol León mit „SH-BOOM!“ ein verspieltes Ballett voller Humor, Esprit und beschwingt positiver Energie. Entstanden ist es 1994 für einen Workshop des Nederlands Dans Theaters und wurde seitdem als ein „work in progress“ mehrfach von den Choreographen umgearbeitet und weiterentwickelt, so dass es – wie eine erstaunliche Reise – auch die Entwicklung ihres Stils nachzeichnet.

 

Angeregt durch die unterschiedlichen Kulturen und Mentalitäten der Tänzer der Originalbesetzung kreierten Paul Lightfoot und Sol León eine Persiflage auf Show-Elemente, wie sie zwischen 1920 und 1950 im Entertainment beliebt waren. Die so leichtgewichtig daherkommende Choreographie zeigt oberflächliche, absurd-komische Spaßmacherei, aber auch die ironische, dunkle Seite jener tiefen Bitterkeit, in die das Show-Business seine Helden drängen kann. Zu populärer Musik der 1920er bis 1950er Jahre aus Amerika, Finnland, Spanien und Großbritannien treiben hier Herren in Feinripp-Unterwäsche und weißen Kniestrümpfen sowie Damen in züchtig-hochgeschlossenen, schwarzen Kleidern, deren Röcke jedoch ab und an keck gelüftet werden, in einer unglaublichen Dichte tänzerischer Höchstanforderungen ihr temporeiches Spiel zwischen Schamlosigkeit und leichter Unterhaltung. Es geht um die Absurditäten des Lebens – aber auch um dessen Ernst. „Die von uns verwendete Musik entstand zu einer Zeit, als die Menschheit durch zahlreiche Kriege bedroht war, und drückt mit ihrem lebensbejahenden Charakter doch auch die Befindlichkeiten der damaligen Jahrzehnte aus“, so Paul Lightfoot über das Stück. Und Sol León: „Indem wir die Figuren fast karikaturistisch überzeichnet ihren Humor benutzen lassen, gelingt es ihnen, aus ihrem eigenen ‚Leben‘ auszubrechen.“

 

1985 fanden Paul Lightfoot, der Brite aus Kingsley, und Sol León, die Spanierin aus Cordóba, ihre künstlerische Heimat beim Nederlands Dans Theater – zunächst als Tänzer, dann auch als Hauschoreographen. Seit 2012 ist Paul Lightfoot künstlerischer Leiter des Ensembles. Im Duo kreierten sie über 50 Werke für das NDT und wurden mit zahlreichen renommierten Preisen wie dem Prix Benois de la Danse und dem Herald Archangel ausgezeichnet. Zum Ballett am Rhein kehren sie nach der umjubelten Premiere von „Signing Off“ in b.03 nun mit einem weiteren Meisterwerk aus ihrem Repertoire zurück.

 

MUSIK von Turner Layton und Clarence Johnstone, José Armandola und Olavi Virta, Arturo Cuartero, The Mills Brothers, Vera Lynn, James Keyes, Claude und Carl Feaster, Floyd F. McRae und James Edwards

 

Choreographie, Bühne & Kostüme

Sol León, Paul Lightfoot

Licht

Tom Bevoort

Choreographische Einstudierung

Valentina Scaglia, Bastien Zorzetto

Patrick

Rubén Cabaleiro Campo

Miguel

Boris Randzio

Joeri

Marcus Pei

Jorma

Sonny Locsin

Urtzi

Marcos Menha

Lucas

Alexandre Simões

Nancy

Wun Sze Chan

Sol

Marlúcia do Amaral

Shirley

Norma Magalhães

Carolina

Yuko Kato

 

Premiere am Samstag, 1. April 2017, um 19.30 Uhr n Düsseldorf.

Vorstellungen im Opernhaus Düsseldorf: Sa 01.04. 19.30 Uhr (Premiere) / Mi 05.04. 19.30 Uhr /

Fr 07.04. 19.30 Uhr / Fr 21.04. 19.30 Uhr / So 23.04. 15.00 Uhr / Do 04.05. 19.30 Uhr / Fr 05.05. 19.30 Uhr

Vorstellungen im Theater Duisburg: Sa 13.05. 19.30 Uhr (Premiere) / Fr 19.05. 19.30 Uhr /

So 21.05. 18.30 Uhr

 

Karten und weitere Informationen sind erhältlich im Opernshop Düsseldorf 0211.89 25-211, an der Theaterkasse

Duisburg 0203.283 62-100 sowie über www.ballettamrhein.de

 

Weitere Informationen zu diesem Beitrag

Lesezeit für diesen Artikel: 49 Minuten



Herausgeber des Beitrags:

Kritiken

BERÜHRENDE MOMENTE -- "Spatz und Engel" mit dem Tournee-Theater Thespiskarren (Produktion Fritz Remond Theater im Zoo, Frankfurt) im Kronenzentrum BIETIGHEIM-BISSINGEN

Edith Piaf und Marlene Dietrich stehen hier im Schauspiel mit Musik von Daniel Große Boymann und Thomas Kahry als zwei Göttinnen des Chansons im Mittelpunkt des Geschehens. Und es ist gar nicht so…

EIN ÜBERZEUGTER HUMANIST -- 5. Sinfoniekonzert des Staatsorchesters Stuttgart in der Liederhalle Stuttgart

Das Stück "Felder...im Vorübergehen" für Streichorchester aus den Jahren 1993/94 von Bernhard Lang ist nicht so spektakulär wie seine Oper "Dora", besitzt aber durchaus charakteristische…

Von: ALEXANDER WALTHER

EIN BEWEGENDER FEUERREITER -- Liedmatinee - Verleihung der Hugo-Wolf-Medaille in der Staatsoper Stuttgart

Die New York Times bezeichnete das Liedduo Christian Gerhaher (Bariton) und Gerold Huber (Klavier) als "größte Liedpartnerschaft der Welt". Dies betonte Kammersängerin Christiane Iven in ihrer…

Von: ALEXANDER WALTHER

NEUE SPHÄREN IM LICHTKEGEL -- Sao Paulo Companhia de Danca im Forum am Schlosspark Ludwigsburg

Mit der Deutschen Erstaufführung von "The Eight" gedenkt der Choreograph Stephen Shropshire des 200. Geburtstags von Anton Bruckner. In den Kostümen von Fabio Namatame erklingt das Finale von…

Von: ALEXANDER WALTHER

REIZVOLLES SPIEL MIT KLASSISCHEN FORMEN -- Konzertabend beim deutsch-türkischen Forum mit Gülsin Onay und Erkin Onay im Hospitalhof STUTTGART

Sie ist Staatskünstlerin der Türkei und eine renommierte Pianistin: Gülsin Onay. Sie trat auch mit dem Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks auf. Zusammen mit ihrem Sohn Erkin Onay (Violine)…

Von: ALEXANDER WALTHER

Alle Kritiken anzeigen

folgen Sie uns auf

Theaterkompass

Der Theaterkompass ist eine Plattform für aktuelle Neuigkeiten aus den Schauspiel-, Opern- & Tanztheaterwelten in Deutschland, Österreich und Schweiz.

Seit 2000 sorgen wir regelmäßig für News, Kritiken und theaterrelevante Beiträge.

Hintergrundbild der Seite
Top ↑