Mit diesem Zug begann die Shoah in Berlin: die Verfolgung und Ermordung der Juden unter nationalsozialistischer Herrschaft. Allein aus Berlin wurden in 122 Deportationstransporten über 50.000 Juden verschleppt und später ermordet. 1933 gab es in Berlin 160 000 Juden, davon wanderten 90.000 aus, 7.000 begingen Selbstmord, lediglich 8 000 überlebten die nationalsozialistische Herrschaft.
Das BERLINER ENSEMBLE erinnert – wie in den vergangenen Jahren – an diese dunklen Tage der Stadtgeschichte mit Diskussionen, besonderen Theatervorstellungen und Lesungen:
DER BIBLISCHE WEG
Schauspiel in drei Akten von Arnold Schönberg
Eine szenische Lesung mit: Chris Pichler, Hermann Beil, Martin Walch (Musik)
Arnold Schönberg – 1933 aus Berlin und Deutschland vertrieben – konzipierte sein Theaterstück „Der biblische Weg“ schon in den Jahren 1922/23, er vollendete es 1927. Dieses Schauspiel spiegelt persönliche Erfahrungen des Antisemitismus wider wie auch die Selbstbefragung der eigenen jüdischen Identität.
„Der biblische Weg“ ist eine Vision von „der Errichtung eines selbständigen Judenstaates“ wie es Arnold Schönberg in einem Brief 1934 formulierte.
Veröffentlicht wurde der Text erst 1995. Für die Uraufführung bei den Wiener Festwochen 2001 hat Hermann Beil eine konzentrierte Textfassung hergestellt, die auch Grundlage der Lesung in Berlin ist.
Es werden Schönbergs original Bühnenbildentwürfe projiziert und Martin Walch spielt Musik von Arnold Schönberg, der sich einst eine Inszenierung seines Schauspiels durch Max Reinhardt - und dadurch eine große Wirkung – erhofft hatte, weil er wusste, „daß wir Juden auf uns selbst angewiesen seien und daß wir das wohl alle bald erfahren werden“.
Donnerstag, 17. Oktober, 19.30 Uhr, Probebühne
● ab 13./15. September im Vorverkauf
ADORRA
von Max Frisch
Leitung: Claus Peymann
Zu einer Zeit, da man in Andorra sich für bessere Menschen hielt, hat ein Lehrer seinen unehelichen Sohn als gerettetes Judenkind ausgegeben – Mitleid und Zuwendung waren dem Jungen gewiß. Inzwischen allerdings hat sich der Wind gedreht. Auf einmal gilt ein Jude als ungeliebter Außenseiter, und Andri wird aus seinem kindlichen Weltvertrauen in abgrundtiefes Mißtrauen gestoßen. Man hämmert ihm solange ein, daß er „anders“ sei, bis er das selbst glaubt. Sogar dann noch, als sich herausstellt, daß er eigentlich gar nicht „anders“ ist. Aber da ist es längst schon zu spät...
Aber was heißt das eigentlich: Außenseiter? Wie „anders“ muß man sein als alle anderen, um als Außenseiter zu gelten? Was ist „anders“? Braucht man Außenseiter? Wie wird man „anders“ und ab wann ist man es? Frisch fragt danach, wie wir zu dem werden, wie wir sind. Und: Könnten wir nicht auch ganz anders sein?
Mittwoch, 16. Oktober, 19 Uhr - Anschließend findet im Foyer ein Publikumsgespräch mit den Schauspielern, Jutta Ferbers und Claus Peymann statt.
NATHAN DER WEISE
von Gotthold Ephraim Lessing
Regie: Claus Peymann
„Das Stück handelt von einem Juden, der seinen persönlichen Holocaust erlebt. Seine sieben Söhne sterben, verbrennen in einem Pogrom. Und dieser Nathan übt keine Vergeltung, keine Rache, sondern die Vernunft kehrt wieder. Und über die Vernunft das Vergeben. Und das ist die Botschaft, die dieses helle Stück in dunkler Zeit vermitteln kann. Ich denke, das muß man heute postulieren, das muss man heute predigen, damit es alle Ohren hören.“ Claus Peymann
Freitag, 18. Oktober, 19 Uhr - Anschließend findet im Foyer ein Publikumsgespräch mit den Schauspielern, Jutta Ferbers und Claus Peymann statt.
● ab 13./15. September im Vorverkauf
DIE JUDEN
von Gotthold Ephraim Lessing
Regie: George Tabori
Ich bin ein Jude – dieser lapidare Satz, den der fremde Held der Geschichte, der Reisende, sagt, kippt das lustig-feine Spiel, das Lessing mit gerade einmal 20 Jahren geschrieben hat, in die bittere Realität unserer eigenen Geschichte.
Lessing benutzt durchaus gängige Theaterrequisiten: Eine Dose (nicht ein Brief) setzt die Enthüllungsintrige in Gang. Aber absolut neu, ja kühn vorausdenkend ist, wie Lessing seine Hauptfigur zeichnet. Eine Sensation und 1749 zugleich Anlaß für finstere Religionswächter: Zum ersten Mal in der Geschichte des Theaters betritt die Figur eines positiv gezeichneten Juden die Bretter des Welttheaters.
Ein Lustspiel über den Antisemitismus – ist das nicht eine Ungeheuerlichkeit? George Tabori verändert kein Wort des Textes und doch enthüllt das alte Lustspiel ein anderes Gesicht, wenn heute das grelle Licht der Gegenwart den Text bis in die feinsten Ritzen ausleuchtet.
George Tabori - selbst Jude, in Ungarn geboren – inszenierte diese Parabel in den letzten Jahren vor seinem Tod auf der Probebühne des BE.
Freitag, 18. Oktober, 19.30 Uhr - Anschließend findet ein Publikumsgespräch mit den Schauspielern und Hermann Beil statt.
● ab 13./15. September im Vorverkauf