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Berliner Theatertreffen 2011 – Kleine Bühnen und freie Szene ganz vorn

Vom 6. bis 23. Mai 2011 trifft sich das „Who is Who“ der deutschsprachigen Theaterszene beim Theatertreffen in Berlin. Auf der Suche nach den 10 herausragenden Inszenierungen der letzten Saison reiste die Kritikerjury ein Jahr durch Deutschland, Österreich und die Schweiz. Rund 350 Stücke haben sich die Juroren angesehen. Die Auswahl überrascht: 2011 siegen die kleinen Bühnen und die freie Szene über die großen Theater-Metropolen.

 

Großes Schauspielertheater kommt vom Staatsschauspiel Dresden. Für seinen „Don Carlos“ erhielt Jungregisseur Roger Vontobel den begehrten Theaterpreis „Faust“. In den Hauptrollen brillieren Burghart Klaußner und Christian Friedel (beide erfolgreich in Michael Hanekes Kinodrama

„Das weiße Band“).

 

Herbert Fritsch, gefeierter Castorf-Star an der Berliner Volksbühne, reist

zum ersten Mal als Regisseur und Bühnenbildner mit gleich zwei Inszenierungen nach Berlin. Mit Hauptmanns „Biberpelz“ gelingt ihm in Schwerin eine rasante und bitterböse Groteske. In seiner surrealen „Nora“ zwischen Horror und Melodram fasziniert am Theater Oberhausen Manja Kuhl inder Hauptrolle.

 

Frischer Wind weht aus der freien Szene. In ihrem Stück „Testament“ stellen sich die Berliner Performerinnen von She She Pop mit ihren Vätern auf die Bühne. Frei nach „König Lear“ entsteht ein polemischer, heiterer Abend zu den großen Generationen-Fragen.

 

Mit „Verrücktes Blut“, einem klugen Beitrag zur Integrationsdebatte, landeten Nurkan Erpulat und Jens Hillje den Theaterhit der Saison.

 

Geballte Frauenpower kommt vom Schauspiel Köln – dem Theater des Jahres 2010. Intendantin Karin Beier begeistert mit ihrer Inszenierung von Elfriede Jelineks Texten „Das Werk / Im Bus / Ein Sturz“. Ein abgründiger, grotesker Abend über menschlichen Größenwahn und Verantwortungslosigkeit.

 

Mit Tschechows „Kirschgarten“ gelingt Karin Henkel eine spielerische

und wahrhaftige Klassikerinterpretation mit einer starken Lena Schwarz als Gutsbesitzerin Ranjewskaja.

 

Österreich und die Schweiz warten auf mit brisanter Gesellschaftskritik: Stefan Bachmanns Inszenierung von Kathrin Rögglas „Die Beteiligten“ am Wiener Burgtheater entlarvt unsere zynische Mediengesellschaft anhand des Falls Natascha Kampusch.

 

Stefan Pucher spiegelt am Schauspielhaus Zürich in „Tod eines Handlungsreisenden“ unsere Gegenwart in Arthur Millers Abgesang auf den amerikanischen Traum.

 

Zum Festival-Finale wird Christoph Schlingensiefs letzte Produktion „Via Intolleranza II“ gezeigt. Die 18 Tänzer, Sänger, Rapper und Schauspieler aus Burkina Faso und Europa bringen ein ironisches, chaotisches und interkontinentales Happening auf die Bühne.

 

Mit seinen drei Talente-Plattformen präsentiert und fördert das Theatertreffen die Vielfalt der jungen Theaterszene. Zum diesjährigen Stückemarkt sind acht noch unentdeckte Autoren aus Polen, Deutschland und der Schweiz eingeladen, die sich unter rund 350 Dramatikern aus

ganz Europa durchsetzen konnten. Ihre Stücke werden in szenischen Lesungen zu erleben sein. Junge Theatertalente aus aller Welt tauschen sich beim Internationalen Forum mit erfahrenen Theatermachern aus. Und das Theatertreffen-Blog bietet ambitionierten Nachwuchs-Journalisten die Chance, sich im Bereich des Online-Feuilletons zu profilieren.

 

Darüber hinaus lockt beim tt11 wieder ein reiches Rahmenprogramm mit Ausstellungen, Diskussionen, Konzerten, Preisverleihungen und Partys. In Zusammenarbeit mit 3sat und dem ZDFkulturkanal werden ausgewählte Inszenierungen als Public Viewing auf der Großbildleinwand im Sony Center am Potsdamer Platz gezeigt.

 

Weitere Informationen unter: www.berlinerfestspiele.de

 

*****

 

Die Frauenrolle beim Theatertreffen 2011

Von Darstellerinnen, Regisseurinnen, Fotografinnen, Bühnenbildnerinnen

bis zu Jury-Mitgliederinnen und dem tt-team

 

„Regie-Frauen – Ein Männerberuf in Frauenhand“ heißt die gemeinsame Ausstellung der Akademie der Künste und des Theatertreffens, die die Rolle der Frau im Theater thematisiert. Nicht auf der Bühne, sondern am Regiepult zeigen die Videoporträts von Christina Haberlik fast 40 Regisseurinnen, u.a. Reinhild Hoffmann, Anna Badora, Anne Viebrock, Andrea Breth, Doris Dörrie, Barbara Frey und Katharina Wagner. Die Ausstellung wird im Rahmen und während des Theatertreffens eröffnet und einen Monat lang in der Akademie der Künste zu sehen sein.

 

Frauen spielen eine starke Rolle beim Theatertreffen 2011. Angefangen bei der Jury mit drei weiblichen Mitgliedern, sind zum Theatertreffen diesmal zwei Regisseurinnen eingeladen (Karin Beier, Karin Henkel). Vier Intendantinnen stehen für die gelungene, nach Berlin eingeladene Theaterproduktionen (Karin Beier, Amelie Deuflhard, Barbara Frey und Shermin Langhoff).

 

Eva Mattes ist die Jurorin des Alfred-Kerr-Preises. Zwei zeitgenössische Theaterautorinnen haben Textvorlagen für die tt11-Inszenierungen geliefert, und eigentlich müsste man auch das Theaterkollektiv She She Pop dazu zählen, dass zu ¾ aus Frauen besteht.

 

Für das Visuelle sorgt bereits seit 2004 Kathrin Frosch, die in all diesen Jahren den speziellen Look des Hauses der Berliner Festspiele kreiert und 2011 erstmals auch als Bühnenbildnerin des „Kirschgartens“ zum Theatertreffen eingeladen worden ist.

 

Last but not least wird das Theatertreffen-Team von einer starken Frau geleitet und besteht auch größtenteils aus Frauen (Stückemarkt, Theatertreffen-Blog, Presse, Redaktion, Marketing), bis auf eine starke männliche Ausnahme (Internationales Forum).

 

Schließlich sind Frauen recht oft die Protagonistinnen der Stücke, die beim Theatertreffen aufgeführt werden, allerdings oft noch in eher „traditionellen“ Rollen: Nora im Puppenhaus; die nicht beachtete Lehrerin vor der Klassenfront der Migranten-Teenager; ein von dem Entführer angehimmeltes junges Mädchen, später eine von den Medien gehänselte selbstbewusste Frau, der die Gesellschaft trotzdem eine eigene Wunschrolle des Opfers aufoktroyiert; eine Großgrundbesitzerin, die alles an ihre Männer verliert, auch ihr „Herzstück“, den Kirschgarten. Nur die She She Pop-Frauen gehen in die Offensive und befragen auf offener Bühne die wichtigsten Männer ihres Lebens: die eigenen Väter.

 

Die Wahrnehmung der Frauenrolle beim Theatertreffen ist natürlich auch bei den Veranstaltungen des Rahmenprogramms möglich, in den Ausstellungen, bei der Diskussion „Feminismus – heute ein

 

Un-Wort?“ (am 18. Mai mit Karin Beier, Thea Dorn, Marlene Streeruwitz und Kathrin Röggla), selbst bei der Nachtmusik mit Erika Stucky. Die Frauen sind überall.

 

Von 1964 bis heute wurden 19 Regisseurinnen und 156 Regisseure zum Theatertreffen eingeladen.

 

*****

 

„Check the Body. Theater Material Körper“ / Internationales Forum des Theatertreffens (08. – 22. Mai 2011)

 

Zum 47. Mal wird das Theatertreffen zum Forum für Theatermacher aus allen Teilen der Welt. Unter dem Motto „Check the Body. Theatermaterial Körper“ steht die Auseinandersetzung mit Körper und Raum im Mittelpunkt.

 

Über 50 Regisseure, Autoren, Dramaturgen, Schauspieler und Bühnenbildnerinnen bilden für die Dauer von zwei Wochen heterogene Ensembles, die hinter den Kulissen des Theatertreffens in den Weddinger Uferstudios mit verschiedenen künstlerischen Praxen experimentieren. Sie verhandeln die jeweiligen Situationen in den verschiedenen Ländern und diskutieren aktuelle Fragen zu Theater und Gesellschaft.

 

In diesem Jahr werden Perspektiven aus Asien, Europa, Amerika und Afrika aufeinandertreffen: Die Künstler und Künstlerinnen reisen aus 18 Ländern der Welt (Kamerun, Griechenland, den Vereinigten Staaten von Amerika, der Schweiz, Belgien, der Slowakei, Brasilien, Ungarn, Holland, Großbritannien, Namibia, Rumänien, Polen, Argentinien, Österreich, Dänemark, Japan, Finnland) sowie aus neun deutschen Bundesländern an. Sie kommen aus den unterschiedlichsten Szenen des Tanzes, der Performance, des Sprech- oder auch Ritualtheaters. Somit setzen sich die Stipendiaten während des Theatertreffens nicht nur mit dem Theatermaterial Körper auseinander, sondern auch mit den Körperbildern der jeweiligen Herkunftsländer sowie der Theatersozialisation jedes einzelnen.

 

Das Workshopprogramm des Forums leiten herausragende Künstler wie die Schauspielerin Maricel Alvarez, Buenos Aires („Biutiful“) mit dem argentinischen Theaterregisseur Emilio Wehbi, Musiker und Komponist Lars Wittershagen, der Tänzer und Choreograf Nik Haffner sowie der Bühnenbildner Thomas Goerge.

 

Unter dem Titel „Gender Your Role – Meet International Theatre Makers“ bieten die drei Talente-Plattformen des Theatertreffens am 13. und 14.Mai eine zusätzliche Möglichkeit zur Diskussion und Vernetzung. Neben den aktuellen tt Talenten und tt Alumni sind Teilnehmer des internationalen Besucherprogramms des Goethe-Instituts und Theaterexperte eingeladen. Der Abschluss der Konferenz am Samstagnachmittag, den 14.5. ist nach Anmeldung auch für die interessierte Öffentlichkeit zugänglich.

 

Weitere Informationen zum Internationalen Forum unter www.internationales-forum.de.

 

 

 

 

 

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