Die Gegenwart mit den Instrumenten der Vergangenheit zu beleuchten, ist in der Bildenden Kunst ein
bekanntes Verfahren. Die Leipziger Malerschule von Werner Tübke bis Neo Rauch geht diesen Weg. Auf der Bühne ist diese Vorgehensweise bisher unüblich, aber genauso Erfolg versprechend wie in der Malerei. Dies gilt insbesondere, wenn man eine theatralische Ausgangssituation hat wie die von Carnaval de Venise des Komponisten André Campra und des Dichters und Abenteurers Jean-François Regnard. Das Stück beginnt im kulturell abgeschotteten Paris der späten Regierungszeit Ludwig des XIV. und wandert nach Venedig, ein kultureller Brennpunkt der Zeit. Berlin entsprach in den Jahren des kalten Krieges dem abgeschotteten Paris des späten 17. Jahrhunderts und entwickelt sich jetzt wie Venedig vor dreihundert Jahren.
Die Inszenierung Carnaval der Venise (à Berlin) nutzt das Opéra-ballet von Campra und Regnard, um die Berliner Gegenwart gegen den Strich zu bürsten.
Das Projekt ist nach dem Schneeballsystem entstanden. Die Idee hatte der Kirchenmusiker Kai Schulze-Forster. Er holte den Choreographen und Regisseur Klaus Abromeit und den jungen Cembalisten und Dirigenten Daniel Trumbull ins Boot. Jetzt steht ein Team von professionellen Sängern, Musikern und Tänzern, verstärkt durch kompetente Enthusiasten zur Verfügung. Gemeinsam werden sie Carneval de Venise (à Berlin) am 24., 25. und 26. Mai 2013 in der St. Elisabeth-Kirche in Berlin Mitte zur Aufführung bringen.
Zur Durchführung des ausschließlich über Spenden finanzierten Projektes wurde der Verein Maison Voltaire (Netzwerk für historische Theatertechniken und Alte Musik) gegründet. Weitere Aufführungen von Carnaval de Venise (à Berlin) sowie Nachfolgeprojekte sind in Planung. Mittelfristig braucht der Kulturbetrieb Netzwerke wie Maison Voltaire, um verlorene Kompetenzen des theatralischen Handwerks dem Publikum auf zeitgemäße Weise zugänglich zu machen. Begibt man sich auf diesen Weg fällt auf, dass kulturelle Missverständnisse auch im heutigen Europa noch eine große Rolle spielen. Französische Barockmusik z.B. hat es bis heute schwer bei deutschen Hörern, denn ihre rhythmische Brillanz erschließt sich erst in der Verbindung zum Tanz.
Der Venezianische Karneval wird im Stück als Zusammenfassung aller denkbaren Vergnügungen
dargestellt. Eine solche themen- und variantenreiche Dramaturgie charakterisiert im 17. und 18. Jh. Ballette. Die Partitur dieses Opéra-ballet ist deshalb besonders geeignet, Tanz, Gesang und Orchesterklang aufeinander zu beziehen und so die besondere Qualität der französischen Barockmusik umfassend darzustellen.
Regie: Klaus Abromeit
Bühnenbild: Alexander Schulz
Musikalische Leitung: Dr. Kai Schulze-Forster, Daniel Trumbull
Kostüme: Gregor Marvel
Ausstattung: Thomas Altkrüger
Gesangssolisten:
Isabelle - Amelie Müller
Leonore - Diana Ramirez Motta
Leandre - Nicolas Lartaun
Rodolphe, Plutone - Marcel Raschke
Ordonnateur, Carnaval -Jonas Böhm
Euridice - Martha O'Hara
Minerve, Fortuna - Alessandra Gardini
Chorsolo (weiblich) - Sara Schneyer
Chorsolo (männlich) - Adam Schilling