Sogar seine Seele würde er dafür geben. Dorians Wunsch wird erfüllt: Fortan verändert sich nichts an der makellosen Schönheit seines Körpers; stattdessen zeigt sein Abbild mit wachsender Grausamkeit die Spuren seines Inneren ...
Der Dandy und Skandalautor Oscar Wilde sorgte mit seinem satirischen und scharfzüngigen Gesellschaftsbild unter seinen Zeitgenossen im viktorianischen England für Aufsehen und gleichermaßen für Zustimmung wie Empörung.
Nach über 100 Jahren erscheint uns diese Parabel über den Wunsch nach ewiger Jugend und Schönheit von neuer Aktualität: Radikale Ich-Bezogenheit,die Verherrlichung der Jugendlichkeit und des Körpers, der Ersatz von Glückshoffnungen durch Genusssucht und kurzlebige Konsumbefriedigung, Drogenkonsum und die Reduktion des Zeithorizonts auf die Gegenwart bestimmen den Zeitgeist. Das traditionelle Biographiemuster von Jugend, Erwachsenenalter und Lebensabend, dessen relative Konstanz durch Familie, die Langzeitehe und die Bindung an einen einzigen Beruf garantiert war, ist in seinen Konturen heute zunehmend diffus geworden. Was Dorian Gray auf märchenhafte Weise gelang, erscheint heutzutage als das Produkt von Fitness-Studios und kosmetischer Chirurgie. Für den heutigen Menschen ist fast alles an seinem Körper korrigierbar, modellierbar, in Einklang zu bringen ...
Jungsein als Manifestation eines zeitgemäßen Lebensgefühls hat in unserer erlebnisorientierten „Dorian-Gray-Gesellschaft“ einen extrem hohen Stellenwert. Der Dramaturg, Romancier und Theaterautor John von Düffel übersetzte Oscar Wildes Klassiker neu und adaptierte den Roman für die Theaterbühne. Herausgekommen ist eine spannende, brisante und sehr gut spielbare Bühnenfassung.
Regie: Lutz Hillmann; Ausstattung/Video: Miroslaw Nowotny; Dramaturgie: Eveline Günther
Darsteller: René Erler (Dorian Gray), Marcus Staiger (Lord Henry), Ralph Hensel (Basil Hallward), Fiona Piekarek (Sybil Vane), Heike Ostendorp (Lady Wotton) und Benjamin Kneser (Jim Vane)