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"Der Traumgörge", Oper von Alexander Zemlinsky, Staatsoper Hannover

Premiere am 16. April 2016 | 19:30 | Opernhaus. -----

Es ist die Zeit um die Wende zum 20. Jahrhundert, der österreichische Komponist Alexander Zemlinsky schreibt seine Oper »Der Traumgörge« in zwei Akten und einem Nachspiel. Wien erlebt in jenen Jahren des sogenannten Fin-de-Siècle eine kulturelle Blüte, Sigmund Freud und seine Schüler machen sich an die systematische Erforschung der Träume.

Sie entziffern unterbewusste seelische Vorgänge, durch Symbole und Bilder lassen sich Erlebnisse und Situationen des Alltags verarbeiten. Die ungesteuerte nächtliche Hirnaktivität wird zu einem Faszinosum auf dem Gebiet von Literatur, Theater und Musik. Auch Görge, der Titelheld in Zemlinskys Oper, verarbeitet in seinen Träumen die Ablehnung, die er erfährt, und seine Ängste. Görges Welt sind Bücher, er ist regelrecht in seine Traumprinzessin verliebt, die ihm am Bach erscheint. Allerdings soll er Grete heiraten, eine bodenständige junge Frau, die sich von ihm mehr Realitätssinn wünschen würde. Doch Görge sehnt sich danach, in die Welt hinauszuziehen. Er weiß, dass er hier nicht akzeptiert wird, und Grete viel lieber den starken Hans heiraten würde, ein gestandenes Mannsbild. Und so läuft er vor seiner Hochzeit davon, bricht auf in die Welt und will sein Lebensmärchen Wirklichkeit werden lassen.

Doch dieser Plan scheitert: Nach der Flucht strandet er als ausgebrannter Trinker in einem anderen Dorf, wieder ist Görge ein Außenseiter. Ein Lichtblick: Rädelsführer eines Aufstands gegen »die da oben« versuchen ihn zu überreden, sich ihnen anzuschließen. Doch der Preis dafür ist hoch: Görge muss mit Gertraud, die im Dorf als Hexe verschrien ist, brechen. Mit ihr hat er eine Genossin im Leid gefunden; sie spendet ihm Trost. Rechtzeitig erkennt Görge die blinde Aggression der Aufrührer und die Sinnleere seines Strebens nach märchenhaften Abenteuern. Als er sich also weigert, Gertraud zu verlassen, bekommen sie beide durch den wütenden Mob zu spüren: Auf dieser Welt bleibt kein Raum für Außenseiter und für Träume.

Ablehnung und Hass gegenüber Fremden und dem »Establishment« sind auch heute spürbar, Erfahrungen wie diese ziehen sich wie ein roter Faden auch durch das Leben des Komponisten Alexander Zemlinsky: Wien erlebt in jenen Jahren erste Pogrome gegen jüdische Bürger und Künstler, eines der prominenten Opfer ist Hofoperndirektor Gustav Mahler, der Zemlinsky mit der Komposition des »Traumgörgen« beauftragt hatte. Mahler verlässt Wien, sein Nachfolger Felix Weingartner nimmt die in Proben befindliche Oper aus dem Spielplan. Zemlinsky selbst muss einige Jahre später vor den Nationalsozialisten in die USA flüchten, wo er verstirbt, ohne jemals die Uraufführung seines Werks zu erleben. Bis 1980 verschwindet das Werk in den Archiven und ist seither erst drei Mal inszeniert worden.

Der junge Regisseur Johannes von Matuschka lässt mit seinem Team Zemlinskys klangsinnliche Komposition auf der Bühne lebendig werden: den rauschhaft-träumerischen ersten Akt in einer rätselhaften Innenwelt voller poetischer Märchenmomente und alptraumhafter Bilder, die Görges Bedrängung durch Dorfbewohner erlebbar machen. Dichter, düsterer wird es sowohl musikalisch als auch szenisch im gewaltgeschwängerten zweiten Akt. Einen dritten Akt gibt es nicht, stattdessen zeigt Zemlinskys »Nachspiel« Gertraud und Görge vereint mit den Dorfbewohnern des ersten Aktes: Eine kryptische Situation, deren Doppelbödigkeit sich auch in Zemlinskys vielschichtiger Musik wiederfindet, die in der Tradition von Richard Wagner und insbesondere Gustav Mahlers steht. Bühnenbildner David Hohmann und Kostümbildner Amit Epstein erschaffen für von Matuschka eine Welt zwischen träumerischem Surrealismus und alptraumhafter Realität, in der Görges Schicksal beweist, wie überlebenswichtig – auch heute – das Utopische unseres Träumens ist.

Oper in zwei Akten und einem Nachspiel (1906)

Text von Leo Feld nach den Romanzen »Der arme Peter« von Heinrich Heine und dem Märchen »Vom unsichtbaren Königreiche« von Richard von Volkmann-Leander

In deutscher Sprache mit deutschen Übertiteln

Musikalische Leitung

Mark Rohde

Inszenierung

Johannes von Matuschka

Bühne

David Hohmann

Kostüme

Amit Epstein

Licht

Elana Siberski

Choreinstudierung

Dan Ratiu

Dramaturgie

Christopher Baumann

Besetzung

Görge

Robert Künzli

Gertraud

Kelly God

Grete

Solen Mainguené

Hans

Christopher Tonkin

Prinzessin

Dorothea Maria Marx

Kaspar

Stefan Adam

Mathes

Tobias Schabel

Züngl

Latchezar Pravtchev

Marei

Carmen Fuggiss

Wirt

Edward Mout

Wirtin

Corinna Jeske

Chor der Staatsoper Hannover

Niedersächsisches Staatsorchester Hannover

Im Umfeld der Opernproduktion „Der Traumgörge“ wird vom 16. April bis 28. Mai im Foyer des Opernhauses eine Ausstellung zu Leben und Werk des „Traumgörge“-Komponisten Alexander Zemlinsky gezeigt. Die Ausstellung wird vom Alexander Zemlinsky Fonds in Wien kuratiert.

Zemlinsky zählte zu Beginn des 20. Jahrhunderts zu den großen Hoffnungsträgern der Wiener Staatsoper und wurde von Gustav Mahler nachhaltig gefördert. 1938 musste er in die USA emigrieren, wo er 1942 starb. Erst in den 1970er Jahren setzte dank diverser Aufführungen und Einspielungen eine Renaissance des Komponisten ein, die bis heute anhält.

Die Premierenbesucher des „Traumgörge“ sind herzlich eingeladen, bereits um 18 Uhr an der offiziellen Ausstellungseröffnung inklusive eines kleinen Umtrunks teilzunehmen. Es spricht neben Staatsopernintendant Dr. Michael Klügl der eigens aus Wien angereiste Vorsitzende des Alexander Zemlinsky Fonds Wien, Dr. Peter Marboe.

16.04.16 Sa 19:30 Karten

22.04.16 Fr 19:30 Karten

28.04.16 Do 19:30 Karten

08.05.16 So 18:30 Karten

20.05.16 Fr 19:30 Karten

28.05.16 Sa 19:30 Karten

Produktion empfohlen ab 14 Jahren. Ein Formular für die Kartenbestellung für Schulklassen unter kasse@staatstheater-hannover.de oder Fax (0511) 9999 1999 finden Sie hier.

Musiktheaterpädagogische Angebote für Lehrer erhalten Sie unter kirsten.corbett@staatstheater-hannover.de oder Telefon (0511) 9999 1083.

Mit freundlicher Unterstützung der Gesellschaft der Freunde des Opernhaus Hannover e.V.

Die Premiere wird live auf NDR Kultur übertragen.

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