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Deutsche Erstaufführung: "Zdeněk Adamec" von Peter Handke im Deutschen Theater Berlin

In dem Stück geht es um den achtzehnjährigen Zdeněk Adamec, der sich am 6. März 2003 auf der Treppe des Prager Nationalmuseums verbrannte; dort, wo sich 1969 schon Jan Palach und Jan Zajíc aus Protest gegen die Niederschlagung des Prager Frühlings verbrannt hatten. Das Verblüffendste am Stück ist, dass der Titelheld gar nicht auftritt, sondern sich sogar jedem Versuch entzieht, seinem Rätsel auf die Spur zu kommen.

Copyright: Arno Declair

"Eine weiträumige Szene, mit Öffnungen nach allen Seiten", ein unbestimmbarer Ort. Vielleicht die spanische Provinz Avila, vielleicht Humpolec in Böhmen. "Zeit: jetzt oder sonstwann". Passanten, einzeln und in Grüppchen, sich nach und nach zerstreuend. "Doch nein: einige von uns sind auf dem Plan geblieben, im Abstand zueinander, einzeln, ein jeder für sich". Es wird Abend, dann Nacht. Mit dieser Stimmungslandschaft beginnt Peter Handkes neues Stück.

Im Zentrum des Gesprächs, das sich zwischen den Übriggebliebenen entspinnt, steht ein Drama, das bereits stattgefunden hat: Im März 2003 übergießt sich der 18-jährige Zdeněk Adamec auf dem Wenzelsplatz in Prag mit fünf Litern Benzin und entzündet dann ein Streichholz. Einige der Figuren haben recherchiert, kennen Gerüchte und Fakten aus dem Leben des jungen Selbstmörders. Andere schweifen ab. "Mit wahren Begebenheiten könnt ihr mich jagen", sagt einer. "Schaut, das Rot der Kirschen", eine andere. Leicht und schwebend erzählt Peter Handkes neues Stück von einem Titelhelden, der keiner ist: An einem Nicht-Ort, aus einer Nicht-Zeit heraus entsteht die Nicht-Geschichte eines Vergessenen. Was kann man wissen über einen Menschen? Was brennt sich ein und was bleibt ohne jede Spur? Handkes Figuren sind Menschen, die mit ihren Fragen, Behauptungen, Andeutungen oft spöttisch und ironisch um das Rätsel eines Menschen kreisen, das sie in Wirklichkeit beunruhigt und berührt.

Zdeněk Adamec wurde am 2. August 2020 in Salzburg uraufgeführt und feiert nun die Deutsche Erstaufführung am Deutschen Theater Berlin.
Regie führt der Schweizer und ehemalige Intendant der Staatsoper Stuttgart, Jossi Wieler, der unlängst mit dem Grand Prix Theater / Hans-Reinhart-Ring 2020 ausgezeichnet wurde. Er gibt damit sein Regiedebüt am DT und widmet sich nach längerer Zeit im Bereich der Operninszenierungen erstmals wieder dem Sprechtheater.

Regie Jossi Wieler
Bühne / Kostüme Jens Kilian
Musik Arno Kraehahn
Licht Thomas Langguth
Dramaturgie Tilman Raabke, Bernd Isele

Mit
Felix Goeser, Lorena Handschin, Marcel Kohler, Bernd Moss, Linn Reusse, Regine Zimmermann

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