Wo man in Wein, Sekt und Champagner baden, im Dampfbad schwitzen und im Separée noch mehr schwitzen kann, aber bitte nie roh und vulgär, sondern mit dem Charme der AmBIvalenz, im lustvoll inszenierten polysexuellen „Crossover“ …
„Anders muss man sein“, postuliert es Sylvas Freund und Förderer, Graf Boni Káncsiánu, gegenüber dem in Ehren ergrauten Ferencz Ritter Kerekes, und so wie Sylva anders ist (als alle anderen „Chansonetten von ganzen Welt“), ist auch das „Orpheum“ anders: ein Ort bewusst gelebter Freiheit für all diejenigen, die das L(i)eben glanzvoll feiern wollen; eine sinnliche Utopie, in der die Grenzen zwischen Traum und Wirklichkeit dahin fließen und in der das, was „draußen“ als Skandal oder Verbrechen gälte, eine Zuflucht oder sogar Zukunft haben kann.
Wen könnte diese Utopie mehr anziehen als einen ganz und gar „Unfreien“ – den Fürstensohn Edwin Ronald (von und zu Lippert-Weylershem): gestraft mit allen Traditionen uralten k.u.k.-Adels, in der Pflicht, militärisch zu gehorchen und längst verlobt mit seiner Cousine Stasi, damit der Stammhalter der Dynastie standesgerechten Nachwuchs in jene Welt setzt, in der die „Blaublütigen“ (vorerst) noch das Sagen haben … – Die Abende und Nächte im „Orpheum“ sollten dem Jungmann die Hörner abstoßen, nicht aber sein Herz entflammen. Und nun steht er da, so maßlos verliebt wie einst Goethes Werther, will Sylvas Aufbruch zur großen Amerika-Tournee um jeden Preis verhindern, vertraut darauf, dass im „Orpheum“ alles möglich ist und macht ihr, macht Sylva Varescu, macht der Sylva Varescu – einen Heiratsantrag …
Ganz große Operette haben Emmerich Kálmán und seine beiden Librettisten Leo Stein und Béla Jenbach in diesem ersten Akt der Csárdásfürstin angelegt, der in einem dramatisch- turbulenten Finale mündet: Oberleutnant von Rohnsdorff, der von Papa Weylersheim zum „Rücktransport“ Edwins ausgesandte „Wachhund“, präsentiert die frisch gedruckte Verlobunsganzeige von Edwin & Stasi und entlarvt den jungen Fürsten somit als „Bigamisten-in-spe“. – Das kommt Sylva Varescu entgegen, denn sie möchte Karriere in Amerika machen. Mit Boni reist sie ab. Wird aber wiederkommen …
Inspiriert von einem Film-Klassiker mit Romy Schneider – Die Bankiersfrau (1980) – und dem in diesem Jahr herausgekommenen Kino-Erfolg The Grand Budapest Hotel von Wes Anderson entwirft die Konzeption von Karoline Gruber und Roy Spahn eine Csárdásfürstin, in der sowohl die Titelfigur als auch die Schauplätze der Handlung – hier: das Wunderreich des „Orpheums“, dort: das zum überdimensionalen (Vogel-)Käfig verkommene Palais der Lippert-Weylerheimschen Sippe – ganz ernst genommen und zugleich symbolisch überhöht werden. So wie in Edwin und Sylva Zwang und Freiheit aufeinandertreffen, erweisen sich das Reich der Kunst und die Ordnung des Militärischen als unvereinbar. Das, was anders war, starb zwichen 1914 und 1945 gleich zweimal – und überlebte doch: im glücksel’gen Traum der Operette!
Wolfgang Haendeler
In deutscher Sprache mit deutschen, englischen und tschechischen Übertiteln
MUSIKALISCHE LEITUNG Daniel Linton-France / Borys Sitarski / Daniel Spaw
INSZENIERUNG UND BÜHNE Roy Spahn
KONZEPTION Karoline Gruber, Roy Spahn
KOSTÜME Julia Mottl
CHOREOGRAPHIE Stefanie Erb
CHORLEITUNG Georg Leopold
DRAMATURGIE Wolfgang Haendeler
SYLVA VARESCU Bea Robein / Sonja Gornik
FÜRST LEOPOLD MARIA Günter Rainer / Erich Josef Langwiesner
FÜRSTIN ANHILTE Chery Lichter / Karen Robertson
EDWIN Jacques le Roux / Iurie Ciobanu
KOMTESSE STASI Elisabeth Breuer / Jenifer Lary
GRAF BONI KÁNCSIÁNU Sven Hjörleifsson / Matthäus Schmidlechner
FERENCZ RITTER KEREKES Franz Binder / Hans-Günther Müller
GENANNT FERI BÁCSI
EUGEN VON ROHNSDORFF Ville Lignell / Ulf Bunde
KISS Andrzej Ulicz / Boris Daskalov
BOTSCHAFTER MAC GRAVE Eugen Fillo / Joanathan Whiteley
* Premierenbesetzung ist erstgereiht
Chor des Landestheaters Linz
Ballett des Landestheaters Linz
Statisterie des Landestheaters Linz
Bruckner Orchester Linz
Weitere Termine 16., 20., 31. Dezember 2014; 2., 6., 10., 18., 22., 26. Jänner 2015; 4., 16. Februar 2015; 21., 24. März 2015