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Die Schaubühne Berlin, ein Zentrum der Gegenwartsdramatik

Der Spielplan der Schaubühne wird auch in der Spielzeit 2007/2008 besonders von zeitgenössischer Dramatik geprägt sein, wie es dem Profil des Hauses als richtungweisendem Uraufführungstheater Berlins entspricht.

 

Die Spielzeit wird am 25. August mit einem Fest eröffnet: Die Party beginnt mit »Ein Sommernachtstraum« frei nach William Shakespeare (Regie und Choreographie: Thomas Ostermeier und Constanza Macras) und setzt sich fort im Konzert der dänischen Newcomer-Band WHO MADE WHO sowie der »autistic disco vs. Gommagang« mit Lars Eidinger, DJ Hatari und Mathias Modica (Munk).

 

Die drei Hausregisseure – Thomas Ostermeier, Luk Perceval und Falk Richter – werden je zwei Produktionen herausbringen. Auch der dem Haus seit mehreren Jahren verbundene australische Regisseur Benedict Andrews wird seine Arbeit an der Schaubühne fortsetzen. Constanza Macras und ihre Compagnie »Dorky Park« werden mit einer Neuproduktion vertreten sein.

 

In der Spielzeit 2007/08 beginnt darüber hinaus ein die Programmatik des Hauses für zwei Jahre maßgeblich prägendes Projekt: »60 Jahre Deutschland. Annäherung an eine unbehagliche Identität«. Dieses Projekt wird gefördert durch die Kulturstiftung des Bundes.

 

 

Vorschau auf die Produktionen der Spielzeit 2007/08

(Änderungen vorbehalten)

 

»60 Jahre Deutschland. Annäherung an eine unbehagliche Identität«

Gefördert durch die Kulturstiftung des Bundes

 

1949 wurde die zwei Jahre zuvor begonnene Gründung der Bundesrepublik und der DDR abgeschlossen und damit die Teilung Deutschlands für 40 Jahre bis zur Wiedervereinigung 1989 angelegt. In den kommenden zwei Spielzeiten tasten wir uns gemeinsam mit zeitgenössischen Autoren an das heran, was die so schwierige deutsche Identität 60 Jahre später ausmacht: historisch, gesellschaftlich, politisch sowie im Vergleich zu anderen Nationen. Die drei Stufen des Projekts verknüpfen unterschiedliche inhaltliche Ansätze mit entsprechenden Formen des zeitgenössischen Dramas:

 

- Das Genre des Kurzdramas ermöglicht einen Längsschnitt durch die letzten 60 Jahre deutscher Geschichte als fortlaufende Jahrzehnte-Saga und bietet jungen Nachwuchsautoren die Chance, mit ihren Stücken aufgeführt zu werden.

- Die Komödien des Wettbewerbs erzählen in einem Querschnitt von der nach 1949 entstandenen deutschen Gesellschaft und ihrer unterschiedlichen Kulturen und lassen die »Stiefkinder« des deutschen Dramas zu Wort kommen: die Komödienautoren.

- Das politische Drama bietet bereits etablierten Autoren das Format für eine ideologiekritische Analyse der großen politischen Konflikte der deutschen und europäischen Nachkriegsgeschichte im internationalen Kontext.

 

Stufe 1: November 2007 bis April 2008

Deutschlandsaga. Junge Dramatiker schreiben Geschichte

Achtzehn junge Dramatiker, die noch ganz am Anfang ihres »Schreiblebens« stehen, recherchieren sechs Jahrzehnte deutsche Nachkriegsgeschichte. Ausgehend von dieser Recherche entstehen zu jedem Jahrzehnt je drei Kurzdramen. Regie führen Robert Borgmann und Jan-Christoph Gockel, Absolventen der Hochschule für Schauspielkunst »Ernst Busch«. Flankiert werden diese monatlichen Premieren von einführenden Fachvorträgen, Filmreihen und Partys mit Musik aus dem jeweiligen Jahrzehnt. Bis Sommer 2008 werden die besten Kurzdramen zu einer Deutschlandsaga verknüpft.

 

Stufe 2: Januar 2008 bis Sommer 2008

Deutschlands missratene Kinder; der Komödienwettbewerb

Sechs deutschsprachige Autoren werden von der Schaubühne eingeladen, Szenen und Stückentwürfe für Komödien über gegenwärtige gesellschaftliche oder politische Themen zu entwickeln. Im Rahmen eines »Komödienwochenendes« im Januar werden die fertig geschriebenen Texte mit Schauspielern ausprobiert und dem Publikum präsentiert. Nach der Präsentation der Stückentwürfe wählt eine Jury, in der auch das Publikum eine Stimme hat, ein Siegerstück aus, das als Inszenierung gezeigt werden soll. Der/die ausgewählte Autor/in erhält von der Schaubühne einen Stückauftrag, um seinen/ihren Entwurf fertig zu schreiben. Im Sommer 2008 wird das Siegerstück an der Schaubühne inszeniert.

 

Die dritte Stufe; Stückaufträge an deutsche und internationale Autoren, die sich mit den ideologiegeschichtlichen Ambivalenzen der deutschen Nachkriegsidentität im internationalen Zusammenhang beschäftigen werden findet in der Spielzeit 2008/09 statt.

 

Den Abschluss der »60 Jahre Deutschland«-Reihe bildet ein Festival im April 2009, bei dem alle entstandenen Projekte im Zusammenhang präsentiert werden.

 

 

Außerdem sind folgende Neuproduktionen geplant:

 

»MOLIERE«

Der Menschenfeind? Don Juan? Tartuffe? Der Geizige?

von Feridun Zaimoglu, Günter Senkel und Luk Perceval

Regie: Luk Perceval

Berlin-Premiere am 31. August 2007

Koproduktion mit den Salzburger Festspielen

Vier Stücke, ein Autor, vier Figuren und ein sich immer wiederholender Überlebenskampf. Im Zentrum jedes Stückes steht ein Mann; oder der Mann Molière , der alles will. Der Menschenfeind fordert eine ideale utopische Welt mit klaren, auf seiner Wahrheit basierenden Verhältnissen, doch die Welt erträgt diese Wahrheit nicht und der Menschenfeind wird zum Zyniker Don Juan. Seine kompromiss- und rücksichtslose Lebenslust führt ihn an den Rand der Gesellschaft und in die Melancholie. Einen Ausweg bietet ihm die Religion, die ihm eine wunderbare Wiederauferstehung schenkt. Vom Melancholiker Don Juan wechselt er in die Rolle des Heilsbringers Tartuffe, er ruft zum Heiligen Krieg auf und vernichtet alle, die ihm im Wege stehen. Doch als der Tod näher rückt, ist er wie gelähmt. Als Geiziger werden seine Bedürfnisse kindlich und primitiv.

In Percevals Fassung zeigen diese vier Molière-Stücke einen Lebenslauf voller Widersprüche; keinen logischen Theaterwerdegang, sondern ein Tier, das in allen möglichen Farben und Tönen um seine Existenz kämpft.

Luk Perceval, seit der Spielzeit 2005/06 fester Hausregisseur der Schaubühne, arbeitet nach den Bearbeitungen von Shakespeares »Othello« und Wedekinds »Lulu« an den Münchner Kammerspielen nun zum dritten Mal mit Feridun Zaimoglu und Günter Senkel zusammen.

 

»Room Service«

von John Murray und Allen Boretz

Regie: Thomas Ostermeier

Premiere am 31. Oktober 2007

Eine rasante Komödie über ein Theaterensemble, das sich seit Wochen in einem New Yorker Hotel eingemietet hat und dem die größte aller möglichen Katastrophen droht: wegen finanzieller Zwänge nicht spielen zu können. Darum sind Produzent, Regisseur und Autor ständig auf der Jagd nach Sponsoren, während sie gleichzeitig versuchen müssen, sich bei ihren Gläubigern aus der Verantwortung zu stehlen. Zu jedem Risiko bereit, geschult in der virtuosen Kunst der Täuschung und getragen vom unerschütterlichen Glauben, dass selbst die geizigsten Ökonomen bekehrbar sind, verfolgen sie ihr Ziel. Die Unvernunft, in einer aussichtslosen Situation Theater machen zu wollen, setzt schließlich mehr kriminelle Energie frei, als alle Widersacher aufbringen können.

»Room Service« wurde 1937 mit großem Erfolg am Broadway uraufgeführt Stars wie Frank Sinatra, die Marx Brothers oder Jack Lemmon haben das Stück gespielt und seit seiner Uraufführung wurde es immer wieder von Theatern weltweit gezeigt, mehrfach auch in Broadway-Produktionen.

 

»Im Ausnahmezustand«

von Falk Richter

Regie: Falk Richter

Uraufführung am 6. November 2007

Eine Frau und ihr Mann. Endlich haben sie es geschafft, sie leben in einer sicheren Siedlung. Doch die Bedrohung durch die unsichere Außenwelt, die Furcht vor dem sozialen Absturz hat sich tief in die Ehe und die Familie hineingefressen. Und bei Verlust des Arbeitsplatzes droht der Rauswurf aus der »Gated Community«. Ein Leben in Angst. Ein nächtliches Beziehungsgespräch mit dem bedrohlich leistungsschwachen Familienvater kippt in ein Verhör um und entwickelt sich zu einem Duell.

Falk Richter verdichtet in »Im Ausnahmezustand« die Verunsicherung einer abstiegsbedrohten Familie zu einem dystopischen Krimi. In einem klaustrophobischen Kammerspiel überlagern sich Gefühle, Beobachtungen und Verdächtigungen der Ehepartner schließlich unentwirrbar. Tatsachen und Träume oszillieren ineinander und schaffen eine neue Realität, die der Angst. Ein Albtraum, aus dem es kein Erwachen gibt. So wird der schützende Zaun der Siedlung zur Mauer eines innern Gefängnisses, aus dem kein Ausbruch mehr möglich scheint eine Metapher für die Abstiegsängste einer westlichen Wohlstandsgesellschaft.

 

 

»Betrunken genug zu sagen ich liebe dich?«

(»Drunk Enough To Say I Love You?«)

von Caryl Churchill

Regie: Benedict Andrews

Deutschsprachige Erstaufführung am 5. Dezember 2007

In acht kurzen, elliptischen Momentaufnahmen aus telegrammähnlichen Satzfragmenten zeigt Caryl Churchill die Entwicklung der Beziehung zwischen Sam und Jack von der anfänglichen Euphorie über die schleichende Eifersucht und zeitweilige Trennung bis zum Leben mit Kompromissen. Doch Sam ist ein Land und Jack ein Mann und »Drunk Enough To Say I Love You?« ist kein gewöhnliches Beziehungsdrama, sondern eine politische Allegorie über die Beziehung zwischen Amerika und einem westeuropäischen Land. Es ist eine Liebesaffäre, in der privater und öffentlicher Raum, Politik und Sex, Hass und Liebe eins sind, die schließlich in eine fatale Abhängigkeit mündet.

 

 

»Brickland«

von CONSTANZA MACRAS | DORKYPARK

Regie und Choreographie: Constanza Macras

Uraufführung am 14. Dezember 2007

Eine Produktion von CONSTANZA MACRAS | DORKYPARK und der Schaubühne am Lehniner Platz Berlin, in Koproduktion mit Théâtre de la Place Liège, Teatro Comunale Ferrara, Kampnagel Hamburg und Duo Dijon.

Der Handlungsort ist das Titel gebende »Brickland«, eine leer stehende Wohnanlage in Buenos Aires. Gemeint ist diese allerdings nicht als konkreter Ort, sondern als ein Sinnbild für viele andere Städte, die im Zuge der Globalisierung austauschbar sind: so genannte »Gated Communities«, wie wir sie in den USA und in Südamerika wie auch in China oder Indien finden. Diese Städte sind kein Zuhause, sondern trostlose Zufluchtsorte. »Brickland«, das in Anlehnung an eine fotografische Serie von Thomas Wrede (»Domestic Landscapes«, 2000) zwischen Armseligkeit und verzweifelt wirkenden Idyllisierungsversuchen oszilliert, zeichnet ein Bild der Ghettoisierung und Verslumung unserer Welt, in der Phrasen wie »There s no place like home« schierer Hohn und leere Floskeln sind.

 

 

»Der Kirschgarten«

von Anton Tschechow in einer Fassung von Falk Richter

Regie: Falk Richter

Premiere Ende Januar 2008

 

»Penthesilea«

von Heinrich von Kleist

Regie: Luk Perceval

Premiere Ende Februar 2008

 

»Paranoia« (Arbeitstitel)

»The City« von Martin Crimp, »The Cut« von Mark Ravenhill

Regie: Thomas Ostermeier

Uraufführung Mitte März 2008

In einer szenischen Rauminstallation wird Thomas Ostermeier gemeinsam mit dem Videokünstler Julian Rosefeldt und dem Sänger und Komponisten Alex Nowitz (zu sehen in »Ein Sommernachtstraum« frei nach William Shakespeare) ein Stück von Martin Crimp uraufführen und die deutschsprachige Erstaufführung des neuen Stücks von Mark Ravenhill inszenieren.

 

8. Festival Internationale Neue Dramatik

Schwerpunkt: Palästina

10. bis 13. April 2008

Das Festival Internationale Neue Dramatik, kurz F.I.N.D., ist das öffentliche »Labor« der Schaubühne: Im Rahmen von szenischen Lesungen und Gastspielen werden neue Theaterstücke, Autoren und Regisseure aus aller Welt vorgestellt. Hier werden neue Arbeitsbeziehungen geknüpft und erprobt, neue Stücke mit dem Theaterpublikum getestet. Aus diesem Herzstück der Arbeit der Schaubühne entsteht ein wesentlicher Teil des Spielplans des Hauses.

Seit Entstehung des F.I.N.D. ist der Grundgedanke des Festivals die Konfrontation unserer eigenen mitteleuropäischen Betrachtungsweise der Welt mit Wahrnehmungen, die aus gänzlich anderer Perspektive und anderen Kontexten heraus entstehen. Der israelisch-palästinensische Konflikt ist einer der weltpolitisch brisantesten Krisenherde, der aus historischer Perspektive eng mit der deutschen Vergangenheit verwoben ist. Diese besondere Beziehung ist Ausgangspunkt der Beschäftigung mit neuen Stücken aus dem Nahen Osten. Der Fokus von F.I.N.D.8 liegt auf neuer Dramatik und neuen Theaterformen von palästinensischen Künstlern, die in den palästinensischen Autonomiegebieten, in Israel oder im Exil leben. Dies ist die Fortsetzung des letzten Festivals, das sich mit israelischer Gegenwartsdramatik beschäftigte und große Anklang beim Berliner Publikum fand.

 

[Ein neues Stück]

von Marius von Mayenburg

Regie: Benedict Andrews

Premiere im April 2008

 

Siegerstück aus dem Komödienwettbewerb

Uraufführung im Sommer 2008

 

»Ödipus«

von Marius von Mayenburg nach Sophokles

Regie: Thomas Ostermeier

Uraufführung im Sommer 2008

 

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