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"Don Carlos" von Giuseppe Verdi im Opernhaus Chemnitz

Premiere: 1. Februar 2014, 19.30 Uhr. -----

Spanien, um 1560. Um den Frieden des spanischen Weltreiches mit Frankreich zu sichern, soll Don Carlos, Enkel Karls V. und Sohn Philipps II., die französische Prinzessin Elisabeth von Valois heiraten. Kaum sind die beiden Gleichaltrigen sich erstmals begegnet, reißt eine Botschaft sie auseinander: Philipp II. nimmt Elisabeth nunmehr selbst zur Frau.

Was Philipp nicht weiß: Trotz der geplanten Eheschließung „aus Staatsräson“ haben Carlos und Elisabeth sich wirklich ineinander verliebt – und werden nun in ein Verwandtschaftsverhältnis gezwungen, das den Trennungsschmerz zum Dauerzustand macht. Carlos‘ Zorn gegen seinen Vater macht sich der Marquis von Posa zunutze: Er will Flandern retten und (miss-?)braucht den Thronfolger als prominentes Zugpferd – eine harte Prüfung für die Freundschaft der beiden. Intrigen, missverstandene Liebesbotschaften, fatale Offenbarungen sowie das Damoklesschwert der Inquisition lassen die Situation eskalieren: Don Carlos zückt seinen Degen gegen seinen Vater, und das in aller Öffentlichkeit …

 

„Don Carlos“ ist einer der wenigen Theaterstoffe, die in ihrer Ausformung als Schauspiel (Friedrich Schiller) und als Oper (Giuseppe Verdi) heute gleichwertig nebeneinander stehen, betrachtet man die Häufigkeit ihrer Aufführungen. Schiller hatte ein feines Gespür für historische Konstellationen, die, dramatisch nacherzählt, Raum auch für seine versteckten Botschaften der Aufklärung boten. Er fand seinen konfliktreichen, mithin bühnentauglichen Stoff in der Erbfolge Karls V. Der hatte durch zahlreiche Kriege und eine geschickte Heiratspolitik um die Mitte des 16. Jahrhunderts ein Weltreich geschaffen und so etwas wie die Vision eines geeinten Europas vor Augen. Doch zeitgleich hatte die Reformation die damalige bekannte Welt in zwei Lager gespalten, die sich erbittert bekämpften – im Stück gespiegelt im Konflikt zwischen dem katholischen Spanien und seinen reformierten niederländischen Provinzen. Zur weltpolitisch brisanten Lage gesellte sich eine private Konstellation, die den Generationenkonflikt und – mit etwas künstlerischer Freiheit – eine unerfüllte Liebe als weitere Zutaten lieferte. Das Ergebnis war eine Bühnenhandlung, in der die schicksalhafte Verknüpfung privater und politischer Entscheidungen der Protagonisten geradezu mustergültig vorgeführt wird – für Verdi und seine Librettisten eine Steilvorlage für eine Oper.

 

Giuseppe Verdi hatte „Don Carlos“ 1865 als Auftrag der Pariser Oper begonnen. 1867 vollendet und dort uraufgeführt, gilt diese erste französische Fassung als Verdis Referenz an die Tradition der Grand Opéra: Deren wichtigster Vertreter war Giacomo Meyerbeer, dessen „Vasco de Gama“ in der vergangenen Spielzeit am Chemnitzer Opernhaus Furore gemacht hat. Da „Don Carlos“ in dieser Version nicht restlos überzeugte, überarbeitete Verdi die Oper 15 Jahre später mit Hilfe des Aida-Librettisten Antonio Ghislanzoni: Er strich den ersten Akt und die in Paris obligatorische Balletteinlage, änderte außerdem weitere Details zugunsten einer straffen Dramaturgie. Diese vieraktige italienische Fassung zeigt einmal mehr Verdis Gespür für Proportionen, wenn er Spannungen verdichtet, szenische Kontraste schärft, seine Protagonisten in Wechselbäder von Liebe, Hass, Freundschaft und Rache taucht und die bedrohliche Grundatmosphäre mit pomphaft-offiziösen Tableaus Klang werden lässt. Die Erstaufführung dieser italienischen vieraktigen Fassung übernahm die Mailänder Scala im Januar 1884. Anstelle der Arien in früheren Opern setzte Verdi nunmehr verstärkt auf dramatische Soloszenen. Prägend für die Dramaturgie von „Don Carlos“ sind außerdem mehrere ausgefeilte und musikalisch reichhaltige Duette – beides weist Verdi auch in dieser Phase als sich unermüdlich erneuernden Musikdramatiker aus.

 

Die Chemnitzer Inszenierung

 

Die historische Dimension, Schillers brillante Vorlage und Verdis Skala der musikalischen Emotionen sind die Faktoren, die Regisseurin Helen Malkowsky an „Don Carlos“ besonders reizen. Bühnen- und Kostümbildnerin Kathrin-Susann Brose hat dazu einen Raum entworfen, dessen Wandelemente historische Machtarchitektur zitieren und eine Art Labyrinth bilden. In Kombination mit der Drehscheibe ergeben sich ständig neue Teilräume, deren Winkel überall unerwünschte Zuhörer erahnen lassen. Bespitzelung, Verleumdung und drohende Aburteilung gehören für Helen Malkowsky als Mechanismen der Macht originär zum Stück. Jenseits des gesungenen Textes sucht sie nach den weiteren Motivationen der Hauptfiguren: Wer profitiert von welcher Entwicklung? Wer hat die Fäden eigentlich in der Hand? Wer macht den nächsten Schachzug? Aber auch: Was passiert gewissermaßen parallel zur sichtbaren Bühnenhandlung? Stets mit dem Ziel im Blick, der dicht gewobenen Geschichte eine authentische Personenführung gegenüberzustellen, die aus den literarischen Figuren Menschen aus Fleisch und Blut macht

 

Oper in vier Akten von Giuseppe Verdi

Libretto nach Schillers Drama von Joseph Méry und Camille du Locle

Italienischer Text von Antonio Ghislanzoni

(Aufführung mit deutschen Übertexten)

 

Musikalische Leitung: Frank Beermann

Inszenierung: Helen Malkowsky

Bühne und Kostüme: Kathrin-Susann Brose

 

mit: Tuomas Pursio (Philipp II.), Maraike Schröter / Karine Babajanyan (Elisabeth), Christian Juslin (Carlos), Anna Danik (Eboli), Adam Kim (Posa), Kouta Räsänen (Großinquisitor), Matthias Winter (Mönch), Susanne Thielemann / Andrea Jörg (Tebaldo), Edward Randall (Lerma / Herold), Guibee Yang (Stimme von oben)

 

Die nächsten Vorstellungen sind am 16. Februar, 18.00 Uhr sowie am 2. und 9. März, je 15.00 Uhr im Opernhaus Chemnitz.

 

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