Ihre Schöpfer William Forsythe, David Dawson, Pascal Touzeau und Johan Inger sind trotz aller Unterschiede in Inhalt und Form ihrer Arbeiten nicht nur durch die klassischen Wurzeln ihres Schaffens geeint, sondern ebenso durch ihre Suche nach dem Neuen im Überlieferten und die innovative Weiterentwicklung des klassischen Erbes. Dieser Anspruch und seine Verwirklichung hob das Schaffen dieser Choreografen längst in den Diskurs um modernen, zeitgenössischen Tanz. Fast nebenbei definierten und etablierten sie dabei den Tanz als lebendige Kunstform des neuen Jahrtausends.
Die vier Choreografien des Abends sind
The Second Detail von William Forsythe (Musik Thom Willems)
The Grey Area von David Dawson (Musik Niels Lanz) – Deutschl.-Premiere
No Thumb von Pascal Touzeau (Musik Pēteris Vasks) – Uraufführung
Empty House von Johan Inger (Musik Félix Lajkó) – Deutschland-Premiere
Zu den einzelnen Choreofrafien:
Dass eine Theorie nur durch eine andere Theorie zu widerlegen ist, die mindestens ebenso viele «spezielle Phänomene» erklärt, wie die widerlegte, kann hinsichtlich des Schaffens William Forsythes und seiner immensen Wirkung auf die Entwicklung des Tanzes im 20. Jahrhundert nur bestätigt werden. Und dennoch wäre nichts verkehrter, als zu meinen, dieses Neuartige verneine vorher Gewesenes. «Es ist nicht die Frage, mit der Vergangenheit zu brechen. Vielmehr geht es darum, Zugang zu ihr zu schaffen.» (W. Forsythe) Wie schon in seiner Choreografie «The Loss of Small Detail» spielt Forsythe gedanklich auch in ihrer tänzerischer Essenz «The Second Detail» mit dem möglichen Bedeutungswandel von Worten, Begriffen und Handlungen, den schon ein einziges, zum Verständnis notwendiges, fehlendes Detail auslösen kann. Mit klassischen Schritten, die von merkwürdigen Verkantungen und Momenten des Ungleichgewichts unterbrochen werden, bewegen sich die Tänzer auf der kargen Bühne in stetem Bewegungsfluss zu kristallinen, neoklassischen Formationen - spritzig, très francais - kokett und leicht.
Menschliche Zerbrechlichkeit und das Erproben der schier unvorstellbaren Bewegungsmöglichkeiten des Körpers stehen im Mittelpunkt der Deutschlandpremiere «The Grey Area» von David Dawson. In dem 2002 entstandenen Werk beweist der Hauschoreograf des Dresden SemperOper Ballett sein Talent für atmosphärisches, modernes Ballett. «The Grey Area» sei «ein wahrer Schatz», schrieb die Kritikerin Tatiana Kuznetsova, «der Spitzentanz erfährt hier eine neue choreografische Dimension, faszinierend fließend ohne Unterbrechung.» Diese abstrakte, äußerst emotionale Choreografie ist in jeder Hinsicht eine Augenweide. Schwerelose Schönheit und Zeitlosigkeit und «bereits jetzt ein Meilenstein des zeitgenössischen Tanzes». (The Moscow Times)
William Forsythe, in dessen Frankfurt Ballett Pascal Touzeau auch an der Entwicklung einiger seiner Choreografien beteiligt war, übte einen großen Einfluss auf den Künstler aus. Aus der Idee einer starken Bindung der Bewegung an den Spitzenschuh, lässt Touzeau den Tänzer nicht mehr nur als ein sich bewegendes Objekt oder Ornament erscheinen, sondern als ein Provokateur des ursprünglichen Schrittes in der heutigen Zeit. Seine Choreografien sieht er als Bilder eines steinigen Weges, «auf dem die Menschen behutsam gehen müssen und auf dem jeder seine eigenen Steine finden muss, die ihn tragen, damit er nicht die Wege der anderen zerstört.» Mit seiner Neuschöpfung für das Dresden SemperOper Ballett «No Thumb» präsentiert sich der Franzose erstmals an der Semperoper.
Die 2006 gehaltene Laudatio des Schwedischen Arts Grants Committee anlässlich der Verleihung des «Birgit Cullberg Scholarship» hörte sich so an: «Seit der Jahrtausendwende entwickelte sich Johan Inger zu einem unserer einflussreichsten Choreografen. Seine Sprache ist subtil, sein Tanz bedeutungsvoll, immer überraschend...» Am Nederlands Dans Theater unter Jiří Kylián begann er seine choreografische Karriere. 2003 trat er als Künstlerischer Direktor des Cullberg Ballets in Stockholm die Nachfolge von Mats Ek an. Kyliáns und Eks Ästhetik prägten den Schweden. In seiner Choreografie «Empty House» (2002) krümmen, winden und jagen sich mit expressiver Elastizität einsame Individuen und suchen nach Wegen, aus ihrer Isolation auszubrechen. Die Tänzer folgen dem beharrlichen Rhythmus einer ungarischen Violine, so wie den Höhen und Tiefen des Lebens.
Nach nur vier Aufführungen in der Semperoper am 11. (18 Uhr),
12. (19 Uhr) und 14. November (15 und 19 Uhr) geht die Company auf Reisen: Vom 22. bis 25. November gastiert das Dresden SemperOper Ballett im Theater Heilbronn mit ebenfalls vier Vorstellungen. In Dresden ist DREAMLANDS erst in der nächsten Spielzeit wieder zu erleben.
Die Aufführung in der Semperoper am 14. November, 19 Uhr, ist als Dresden-Tag deklariert. Ein Sonderpreis von 10,- Euro gilt für alle Plätze. Einzige Voraussetzung: Die Karten sind nur an den Vorverkaufskassen in der Schinkelwache erhältlich.