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Ein deutsches Wochenende in Trier

6.-8. November 2009, Theater Trier

Vier Produktionen der stand.ort.suche.deutschland an drei Tagen:

(FAUST I // II | DEUTSCHLAND TANZT! | DEUTSCHLAND-PERFORMANCE | RENDEZVOUS NACH KASSENSCHLUSS)

 

60 Jahre nach Gründung der Bundesrepublik Deutschland und 20 Jahre nach dem Ende der zweiten deutschen Diktatur durch den Fall der Berliner Mauer begibt sich das Theater Trier innerhalb der Konzeptspielzeit 2009/2010 auf eine stand.ort.suche.deutschland.

 

 

Konzentriert an einem Wochenende in der ältesten Stadt Deutschlands, die zugleich Geburts- und Heimatstadt des Ökonomie-Philosophen Karl Marx ist, können Sie vom 6. bis zum 8. November gleichermaßen vom „linken“ Rand der Republik deutsche Wurzeln, Deutschsein, Tümelei aber auch eine kritische Auseinandersetzung mit allem Deutschen und den „Deutschen Befindlichkeiten“ theatralisch aufgearbeitet finden.

 

Undurchschaubare Zustände in Deutschland - ob Wirtschafts- oder Finanzkrise, Abwrackprämie, Reinheitsbier, Prekariat, No Go Areas oder pauschale Reiselust. „Du bist Deutschland“ und „Wir sind Papst“ - selbst der liebe Gott hat ein Einsehen mit der längst tot geglaubten Spaßgesellschaft. Aber: Wie paradiesisch sind die Zustände in unserem Land? Müssen wir noch arbeiten? Wie gut geht's uns? Geht's uns zu gut? Oder geht's noch? Wie zeitgemäß ist eigentlich Johann Wolfgang von Goethes „Klassiker“ FAUST, dessen beide Teile in der Lesart des Regisseurs Matthias Gehrt in Trier an einem Abend gezeigt werden Und das mit Videoinstallationen des in Köln lebenden iranischen Filmemachers Ali Samadi Ahadi, dessen Culture-Clash-Komödie „Salami Aleikum“ gerade reihenweise Filmpreise gewinnt. Wie viel Nostalgie, aber auch erlebte Erinnerungen stecken in den deutschen Melodien, die DEUTSCHLAND TANZT! durch die Jahrzehnte begleitet. Zwei interaktive Projekte, die DEUTSCHLAND-PERFORMANCE und das Karl-Marx-Special RENDEZVOUS NACH KASSENSCHLUSS als Kooperation des Theaters Trier mit der Fachhochschule sowie der Fachvortrag von Wolfgang Kraushaar zum DEUTSCHEN HERBST 1977 runden das deutsche Programm ab.

 

FAUST I // FAUST II

 

Tragödien von Johann Wolfgang von Goethe

Für das Theater Trier eingerichtet von Matthias Gehrt und Peter Oppermann

 

Das Theater Trier zeigt vor dem Hintergrund des Spielplanmottos „stand.ort.suche.deutschland“ an nur einem Abend beide Teile der FAUST-Tragödie von Johann Wolfgang von Goethe.

 

In seiner Inszenierung, die auf einer neu eingerichteten komprimierten Textfassung basiert, setzt sich der Berliner Regisseur Matthias Gehrt aus heutiger Perspektive kritisch mit dem historischen Faust-Mythos auseinander und spürt auf einer „deutschen“ Zeitreise von der Vergangenheit in die krisengeschüttelte Gegenwart all jene Widersprüche auf, die Faust zwischen der Verwirklichung seiner Ideale und Visionen und seinem Scheitern begleiten. Vor dem Hintergrund der Erfahrung mehrerer Weltkriege und der aktuellen Finanzkrise thematisiert er dabei ebenso die Widersprüche der allgemeinen Globalisierung, die den Menschen zur unstillbaren Macht- und Konsumgier verführen.

 

Auf diese Weise wird ein brisantes Gesellschaftspanorama skizziert, das zugleich der existentiellen Frage nach dem allgemeinen Sinn in einer offenbar sinnentleerten Welt verpflichtet ist.

 

Als wichtigen Bestandteil der Inszenierung kreiert der Filmemacher Ali Samadi Ahadi eine Videocollage; er erfuhr zuletzt im Feuilleton große überregionale Beachtung durch seinen erfolgreichen Kinofilm „Salami Aleikum“.

 

Inszenierung: Matthias Gehrt

Bühne: Gabriele Trinczek

Videoanimation: Ali Samadi Ahadi

Kostüme: Claudio Caséra

Choreografie: Sven Grützmacher

Mit: Sabine Brandauer, Erica Charalambous, Antje Härle, Angelica Schmid, Susanne Strach; Jan Brunhoeber, Helge Gutbrod, Manfred-Paul Hänig, Hans-Peter Leu, Klaus-Michael Nix, Michael Ophelders, Peter Singer, Paul Steinbach, Tim Olrik Stöneberg, Bruno Winzen

FREITAG, 6. NOVEMBER, 20.00 Uhr

(THEATER TRIER, GROSSES HAUS | EINFÜHRUNG UM 19.30 UHR)

 

 

DEUTSCHLAND TANZT! // (URAUFFÜHRUNG IM THEATER TRIER AM 24.10.2009)

 

Tanzstück von Lars Scheibner

mit Live-Begleitung durch den Sänger Michael Kiessling und Band

 

Deutschland zwischen Krieg, Aufbruch, Revolte und Resignation: Der Berliner Choreograph Lars Scheibner widmet sich in seiner Tanztheaterurauf-führung anlässlich des 60-jährigen Bestehens der Bundesrepublik Deutschland und des Falls der Berliner Mauer vor zwanzig Jahren einer gesamtdeutschen Spurensuche, die zwei Protagonisten auf der Suche nach ihrer eigenen Identität und nach Zusammengehörigkeit erleben.

 

So geraten beide während einer Expedition in die Vergangenheit mitten in die Wirren der deutschen Nachkriegszeit, welche den Wunsch nach Ruhe und Normalität wachruft und in den 1960er Jahren im Gegenzug die totale Revolte provoziert. Während die Republik langsam schließlich „erwachsen“ wird und die beiden in zahlreiche historische Rollen schlüpfen, müssen sie sich entscheiden, welche Überlebensstrategie die idealste ist: Anpassung, Widerstand oder Ausbruch aus allem Gewohnten. Die unterschiedlichen Lebensanschauungen kollidieren miteinander, und der Konflikt eskaliert… -

 

Freiheit, Unterdrückung und politische Visionen: Lars Scheibners Tanzstück ist Bestandsaufnahme von sechs Jahrzehnten deutscher Geschichte. Indem sich das Tanztheaterensemble in der Choreographie einer Nation annähert, die sich stets zwischen Aufbruch und Scheitern bewegte, bebildert es zugleich Zukunftsperspektiven und Visionen fernab von jenem Stillstand, der unsere politische Gegenwart offensichtlich begleitet. Vom flotten Swing der Dreißiger Jahre über die Schlager der Sechziger bis hin zu den Beatles: DEUTSCHLAND TANZT! ist zugleich bunte Revue mit Kultpotential. Der Sänger Michael Kiessling übernimmt mit seiner Band die Neuinterpretation vieler bekannter musikalischer Hits.

 

Inszenierung und Choreographie: Lars Scheibner

Musikalische Leitung: Michael Kiessling

Ausstattung: Alexandra Bentele

Dramaturgie: Peter Oppermann

 

Mit: Juliane Hlawati, Erin Kavanagh, Hannah Ma, Cecile Rouverot, Corinna Siewert, Susanne Wessel; Noala de Aquino, Denis Burda, Reveriano Camil, René Klötzer, David Scherzer

SAMSTAG, 7. NOVEMBER, 16.00 UHR (THEATER TRIER, GROSSES HAUS)

 

aufbegehren.de als Late-Night-Show (Uraufführung)

 

aufbegehren.de nennt sich die Deutschland-Performance, die das Theater Trier in Zusammenarbeit mit dem international renommierten Komponisten, Jazzmusiker und Performer Claas Willeke produziert und am 7.11.2009 zur Uraufführung bringt. Im Mittelpunkt der rund einstündigen Late-Night-Show im Foyer des Theaters Trier steht die Revolte als politische Kraft im Nachkriegsdeutschland bis zur Wiedervereinigung.

 

Auf der Grundlage von originalen Tondokumenten aus 60 Jahren deutscher Geschichte, Texten von Zeitzeugen und Politikern sowie Musik von Pop bis Klassik entstand ein schillerndes Live-Feature für alle, die sich auf unterhaltsame und zugleich künstlerisch anspruchsvolle Weise dem Thema standort.suche.deutschland annähern möchten. Mitglieder des Musiktheater- und Schauspielensembles des Theaters Trier, der Schlagzeuger und Perkussionist Bernd Wegener sowie der Komponist und Musiker Claas Willeke selbst gestalten die Aktion. Für die szenische Einrichtung sorgt Intendant Gerhard Weber.

SAMSTAG, 7. NOVEMBER, 22.00 UHR (THEATER TRIER, FOYER)

 

VORTRAG WOLFGANG KRAUSHAAR

 

Der nicht erklärte Ausnahmezustand.

Rückblick auf den „Deutschen Herbst“ im Jahre 1977

Wolfgang Kraushaar, geboren 1948, ist Politologe und wissenschaftlicher Mitarbeiter am Hamburger Institut für Sozialforschung mit Arbeitsschwerpunkten: Untersuchung von Protest und Widerstand in der Geschichte der Bundesrepublik und der DDR (1949 bis 1990), insbesondere 68er-Bewegung, RAF und K-Gruppen; Totalitarismus- und Extremismustheorie; Pop-Kultur und Medientheorie.

SONNTAG, 8. NOVEMBER, 11.15 Uhr (THEATER TRIER, FOYER)

 

RENDEZVOUS NACH KASSENSCHLUSS

 

Karl-Marx-Projekt von Judith Kriebel

„Alle Revolutionen haben bisher nur eines bewiesen, nämlich, dass sich vieles ändern lässt, bloß nicht die Menschen.“ (Karl Marx)

 

Eine Gruppe von Schauspielern will es wissen. Sie stürmen eine Bank und wollen probieren, ob sich Utopien heute noch realisieren lassen. Dabei nähern sie sich dem nach wie vor äußerst brisanten Gedankengut von Karl Marx und versuchen, es für ihre Ziele zu nutzen. In Zeiten der Banken - und Finanzkrise fragen sie nach dem Wert ihrer eigenen Arbeit und nach ihrer Funktion in einer Gesellschaft, die sie nicht zu brauchen scheint. Die Grenze zwischen Kunst und Leben fällt – nur in welche Richtung?

 

Die Suche nach Antworten auf diese Fragen führt durch Literatur, Tagespolitik, Populärkultur und vieles mehr – entstanden ist ein multidisziplinäres Performanceprojekt, das sich mit dem Philosophen und Querdenker Karl Marx und seiner Wirkung auf unsere Gesellschaft auseinandersetzt. StudentInnen der Fachhochschule Trier aus dem Bereich Gestaltung haben in Kooperation mit dem Theater Trier das Bühnenbild für dieses Projekt entwickelt; Regie führt Judith Kriebel. An einem ungewöhnlichen Spielort, der Volksbank Trier am Viehmarkt, wird eine Utopie Realität, die eigentlich nur Fiktion ist, oder doch nicht?

 

Inszenierung/Text: Judith Kriebel

Bühnenbild: StudentInnen der Fachhochschule Trier

Kostüme: Carola Vollath

Mit: Judith Kriebel; Helge Gutbrod, Manfred-Paul Hänig, Paul Steinbach

SONNTAG, 8. NOVEMBER, 12.30 UHR

 

(VOLKSBANK TRIER | TREFFPUNKT: EINGANG DES STUDIOS, THEATER TRIER)

 

dpa Meldung zu Rendezvous nach Kassenschluss

Banküberfall im Namen von Karl-Marx in Trier

 

Banküberfall im Namen von Karl Marx: In einer Volksbank-Filiale in Trier ist am Sonntagabend ein Schauspiel über den Marxismus als Antwort auf die Finanzkrise uraufgeführt worden. In dem Stück "Rendezvous nach Kassenschluss" stürmen Schauspieler des Trierer Theaters das Geldinstitut, um mit den kommunistischen Lehren des Philosophen Marx (1818-1883) nach Wegen aus der Krise zu suchen. Der aus Trier stammende Ökonom Marx ist im Stück als Gespenst präsent: "Es steht für den aufrührerischen Geist von Marx, der seine Chance nach der Finanzkrise wittert", sagte Autorin Judith Kriebel.

 

In dem Stück stürmen Schauspieler des Trierer Theaters das Geldinstitut ...

(Foto: dpa)

 

Doch es kommt, wie es kommen muss: Die Revolution scheitert und am Ende werden aus den Rebellen wieder Banker, die genauso weitermachen wie vor der Krise. "Die Revolution sagt: Ich war, ich bin und ich werde sein", schließt das Gespenst das Stück. Die Aufführung im Kundenraum der Bank wurde von den rund 50 Zuschauern - die dort Platz fanden - mit kräftigem Applaus bedacht.

 

... um mit den Lehren des Philosophen Marx nach Wegen aus der Krise zu suchen. Marx ist als Gespenst präsent.

(Foto: dpa)

 

Der Spielort "Bank" sei als "Ort des Kapitals" gewählt worden, sagte Kriebel. Dass genau dieses Geldinstitut am Trierer Viehmarkt zur Bühne wurde, hat auch einen Grund: In jenem Gebäude hatte sich das Elternhaus von Jenny von Westphalen - der Ehefrau von Marx - befunden.

 

Das Stück sei keine wissenschaftliche Annäherung an Marx (1818- 1883). Ziel sei gewesen, "spielerisch Ansätze bei Marx zu finden", die sich auf die Gegenwart übertragen ließen, sagte Kriebel, die selbst eine Hauptrolle spielt. Die Schauspieler versuchten, "sich über schlaglichtartige Gedanken von Marx an die Revolution heranzutasten".

 

Da keine Vorkenntnisse vorausgesetzt waren, gab es vor der Inszenierung einen "Schnell-Kurs Marx". In einem kleinen Rundgang durch die Trierer Innenstadt begab sich das Publikum zunächst zum Geburtshaus von Marx und lauschte den wichtigsten Daten seines Lebens.

 

 

DEUTSCHLAND TANZT!

 

Tanzstück von Lars Scheibner

mit Live-Begleitung durch den Sänger Michael Kiessling und Band

Wiederholung vom Vortag

SONNTAG, 8. NOVEMBER, 16.00 UHR

 

 

 

 

 

 

 

 

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